Die Rüeblihose schlägt zurück – und es tut sehr, sehr weh

Angesagteste Hose momentan? Die «Mom Jeans». Warum? Keinen blassen Schimmer.

Den Männern machte es offensichtlich nichts aus: mein herziges Mami in einer ganz und gar unherzigen «Mom Jeans», circa 1985.

Die «Mom Jeans» ist die Hose der Stunde. Und ein füdlifressendes, schenkelaufblasendes, taillenmogelndes Kleidungsstück, das niemandem steht.

Die Vogue kürte sie bereits 2014 zum Mode-Highlight, in Berlin macht sie seit einem Jahr die Strassen unsicher, bei uns ist sie diesen Sommer angekommen: die «Mom Jeans».

Was eine «Mom Jeans» ist?

Wenn sie älter als Jahrgang 1980 sind: Ein Blick in Ihr Fotoalbum genügt.

Wenn Sie Jahrgang 1980–1995 haben: ebenso. Die «Mom Jeans» heisst «Mom Jeans», weil sie von Moms in den Achtzigern getragen wurde. Nur hiess sie damals noch «Karottenhose» und war nicht zwangsläufig eine Jeans. Aber omnipräsent: Nach einer kleinen Recherche kann ich bezeugen, dass ausnahmslos alle Moms, egal ob Emmental, DDR oder patagonisches Hinterland, damals mindestens eine «Mom Jeans» besassen. Was wollte man auch machen in einer Zeit, in der modisch fragwürdige Frauen wie Cindy Lauper oder Nena durch Hitparade und Trendverständnis wüteten?

Gar nicht so schlimm, meint da das eigene Mami, während sie belustigt durch ihr Fotoalbum blättert: «Die machen doch eine gute Taille!» Ich starre sie entsetzt an: «Reden wir von derselben Hose?» Ich zeige auf ein Foto, wo ich glückliche Miene zum bösen Fashion-Spiel mache: 

Damals eher an Brei als an Hose interessiert: Die Autorin beim Mittagessen mit Mom Jeans-Mami im Hintergrund.

Damals eher an Brei als an Hose interessiert: die Autorin beim Mittagessen mit «Mom Jeans»-Mami im Hintergrund.

Der leckere Brei hat mich damals wohl vom fiesen Stück Stoff abgelenkt, das die grossartigen Beine meiner Mama im Hintergrund in zwei unförmige Baumstämme verwandelte. Meine Mutter lacht. «Jetzt übertreib mal nicht. Diese ‹Skinny Jeans› heute sind doch viel schlimmer.»

Da mag sie recht haben. Allerdings ist bei der «Skinny Jeans» nur der Prellwurst-Faktor ein Problem. Die «Mom Jeans» hingegen hält eine ganze Brigade von unerwünschten Effekten bereit: kurze Beine, platter Hintern, breite Oberschenkel und eine höchstens halb so schöne Taille wie bei anderen, gut geschnittenen Stoffhosen.

15 Mittagessen = 1 Hose

Womit wir bei einem weiteren Problem dieses Undings wären: Der Schnitt muss passen, und der passt nur ab 300 Franken aufwärts. Für einen Modetrend 15 gute Mittagessen draufgehen lassen? Da muss man sich schon entscheiden. Netter Nebeneffekt: 15 gute Mittagessen lassen die «Mom Jeans» noch bescheuerter aussehen, als sie es eh schon tut, was hoffnungsvolle Spontankäufe («so schlimm kann die ja nicht aussehen» – was schon bei der «Skinny Jeans» ein Trugschluss war) verhindert.

Einzige Ausnahme in Zielgruppe «Mom Jeans» sind junge Frauen mit Modelmassen. Wenn Sie jünger als Jahrgang 95 sind und nicht wissen, was mit «Mom Jeans» gemeint ist, dann schauen sie an Ihre Beine, da sitzt das hässliche Ding nämlich bestimmt. Perfekt. An Ihnen sieht die «Mom Jeans» tatsächlich fantastisch aus, weil Ihr Körper noch nicht verdorben ist von all dem Leben, das sich ab Ende 20 erbarmungslos an Hüfte und Oberschenkel festsetzt.

Naja.

Naja. (Bild: www.thetrendspotter.net)

Eine besonders fiese Hose

Leider, und das ist das Fieseste an der «Mom Jeans», ist diese Hose ein besonders verlogenes Exemplar ihrer Spezies. Anstatt sich ganz den Jungen hinzugeben – oder wie damals nur junge Mütter anzusprechen, die anderes zu tun haben als gut auszusehen – tut die «Mom Jeans» nämlich so, als würde sie allen passen. Egal wie gross oder klein der Hintern, wie fleischig oder dürr die Oberschenkel. Dazu braucht sie ihre grosszügige Hüftpartie und den schlank machenden Taillenbund als Argument. An wem sieht so was schon nicht gut aus?

Ich sag Ihnen an wem. An mir:

 

#momjeans. the crotch is not impressed.

Ein von @negoris gepostetes Foto am26. Sep 2016 um 14:51 Uhr

 

Nach Thigh Gap und Bikini Bridge kommt jetzt also der Crotch-Fold. Falte im Schritt als Statement gegen den trending Schlankheitswahn!

Im Endeffekt ist es natürlich herzlich egal, wer «Mom Jeans» anzieht und wer nicht. Love your body, Mädels. Aber ich werde mir nie wieder Schoss-Falte und platten Hintern von einer Hose verpassen lassen, die früher mal so hiess wie ein schrumpliges Gemüse. So weit bin ich noch nicht. Vielleicht in 20 Jahren, wenn meine Lebenssituation es voraussetzt. Mom in «Mom Jeans», das ist dann irgendwie wieder ok.

Wobei in 20 Jahren garantiert eine neue Bezeichnung die Fashionistas dazu bringen wird, diese schon in den Achtzigern alles andere als hotte Hose als the next hot shit zu feiern. Ihr Name wird Widerspruch atmen müssen, wie die Gleichung «Mom Jeans» = Hose, die nur an U21-Jährigen gut aussieht. Catchy, mit einer gewissen Dosis Nostalgie-Faktor. Und möglichst unsexy.

Fritten-Buxe vielleicht? Hey, ich hab mir gestern eine Fritten-Buxe gekauft. Wie findest du meine neue Fritten-Buxe? Nicht zu frittig im Schritt?

Trendforscher, Ihr wisst, wo Ihr mich findet.

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