Belebung lässt sich nicht verordnen – der Boulevard Rheingasse ist ein Lehrstück für Stadtplaner

Der «Boulevard Rheingasse» ist ein Segen für Basel. Die Alternative wäre ein autofreier, aber auch verödeter Ort mitten in der Stadt.

Gelebte Stadtentwicklung: Der neue «Boulevard Rheingasse» bringt Leben in die verkehrsbefreite Strasse.

(Bild: Basile Bornand)

Der «Boulevard Rheingasse» ist ein Segen für Basel. Die Alternative wäre ein autofreier, aber auch ziemlich verödeter Ort mitten in der Stadt. Ein Kommentar.

Skeptiker und Pessimisten wussten es auch diesmal besser: Die Basler Rheingasse als gastronomisch bespielte Begegnungs­zone? Kann nicht gut gehen! Es drohe eine ­zweite Steinenvorstadt mit gesichtslosen Halligalli-Bars, malten Kritiker den Teufel an die Wand, ­bevor der erste Stuhl auf der Strasse stand. Und manch Spielverderber hoffte wohl insgeheim, dass bald nachtruhegestörte Anwohner gegen die Beizer Amok laufen würden.

Nichts von dem ist eingetroffen. Das neue Ausgeh­-Angebot stiess von Beginn weg auf po­si­tives Echo. Von Remmidemmi keine Spur, und es gab nur ein paar wenige Klagen. Nach der bald abgelaufenen ersten Freiluftsaison lässt sich bilanzieren: Der «Boulevard Rheingasse» ist ein ­Segen für die Stadt und ein Lehrstück für Stadtplaner. Die Alternative wäre eine zwar autofreie, aber auch menschenleere Strasse mitten in Basel.

«Der Staat erklärt diese Strasse zur Begegnungszone. Aber wem sagt er das? Was ist das?»

Kulturfloss-Kapitän Tino Krattiger

Die Angst vor einer verödeten Rheingasse gab auch Anwohner und Kulturfloss-Kapitän Tino Krattiger den Anstoss, sich für eine Belebung einzusetzen. Die Umwandlung des Zentrums in ein Gebiet mit leeren Strassen, wo man nur noch mit dem Velo durchfahren darf: «Das ist Kitsch», sagt Krattiger. «Der Staat erklärt diese Strasse zur Begegnungszone. Aber wem sagt er das? Was ist das? Ein Verdikt, eine Manifestation?»

Will heissen: Top-down-Stadtplanung am Reissbrett funktioniert nicht. Neue Begegnungszonen lassen sich nicht verordnen. Es braucht Anwohner und engagierte ­Nutzer, die die Orte von Beginn weg mitgestalten und be­seelen.

Der «Boulevard Rheingasse» könnte den Stadtentwicklern des Präsidialdepartements auch bei anderen Stadtbelebungsprojekten als Beispiel dienen: bei der kulturellen Zwischennutzung der Klybeckinsel etwa oder bei der Neugestaltung des Kasernenareals.

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