Das untere St. Johann ist heute lebendiger als vor 15 Jahren. Allerdings spielt sich das Leben nicht zwingend dort ab, wo es von der Stadt angedacht war.
Es ist knapp 15 Jahre her, dass ich aus dem St. Johann weggezogen bin. Elf Jahre hatte ich da verbracht – zuerst im oberen St. Johann, dann im unteren, an der Gasstrasse, wo der 1er mich jeden Morgen aus dem Schlaf rüttelte, und an der Vogesenstrasse.
Ich hab mich wohlgefühlt. Es war stadtnah, was wichtig war, denn wollte ich in den Ausgang, so bin ich weg aus dem Santihans. Die Cargo Bar war so ziemlich das Nächste, wo man sich treffen konnte, nachdem es mit den Partys im Bell-Areal vorbei war.
Heute ist es umgekehrt: Ich wohne woanders und komme öfter ins Santihans. Tagsüber in den St.-Johanns-Park, an Ausstellungen in der Schwarzwaldallee oder dem «Depot Basel» am Voltaplatz, in Bars wie das «Conto», Cafés wie das «Saint-Louis», oder um etwas Feines im «Rhyschänzli» oder im «Nordbahnhof» zu essen.
«Warum ziehst Du da bloss weg?»
Es hat sich was getan hier in den letzten Jahren. Nur nicht da, wo die Stadt es versprochen hatte; damals, als die Nordtangente noch nichts anderes als ein grosses Loch im Boden war und nur ganz wenige Verwegene hier etwas wagten.
Damals hiess es, das untere St. Johann sei im Kommen, warum bloss ziehst du da weg! Die Hoffnung der Bewohner war gross: Schliesslich entwickelte die Stadt dort im Norden nichts weniger als ein neues Quartier im Quartier. Sie verlegte eine Tramlinie, schuf einen Boulevard, sie betonierte aber auch einen Platz. Und wundert sich heute, dass dort zu wenig wächst.
Die nächste Aufwertung ist in Planung
Abschrecken lassen sich die Verantwortlichen beim Kanton von dieser Erfahrung jedoch nicht. Gleich hinter dem Vogesenplatz, der immer noch darauf wartet, richtig belebt zu werden, ist auf dem Lysbüchel-Areal die nächste «Aufwertung» in der Planungsphase.
Zusammen mit den SBB und der Stiftung Habitat sollen dort Wohnhäuser und Gewerbe Platz nebeneinander finden. Und soll damit Leben einkehren. Auch durch den Umzug des Naturhistorischen Museums an den Vogesenplatz erhoffen sich die Stadtentwickler mehr Betrieb.
Man müsse der geplanten Entwicklung Zeit geben, sagt der Stadtplaner Thomas Kessler – eine Belebung brauche mehr als fünf Jahre. Trotzdem fragt man sich unwillkürlich: Kann man eine Stadt überhaupt planen? Warum sollte das Leben genau dort entstehen, wo die Stadt es gerne hätte? Denn es stimmt schon: Das St. Johann lebt heute mehr als vor 15 Jahren. Nur nicht da, wo es vorgesehen war.
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Wir haben dem St. Johann einen Schwerpunkt gewidmet,
mit folgenden Artikeln:
- Thomas Kessler: «Mit der Lebensqualität steigt die Anspruchshaltung»
- Wo im St. Johann das Leben brummt – und wo es noch auf sich warten lässt
- Stimmen aus dem Quartier: «Sie haben uns alles ruiniert!»
- Das neue St. Johann: Ausser Skatern macht hier niemand grosse Sprünge
- Wasserstrassen-Häuser sind gerettet und werden zur Genossenschaft
- Seilziehen hinter den Geleisen des Bahnhofs St. Johann
- Lysbüchel-Areal: Zukünftiger Lastwagen-Verkehrsweg sorgt für Verunsicherung
- Eine neue Zwischennutzung in der alten Güterhalle