Das Märchen von den armen Zahlvätern

Geschiedene Frauen sollen ihren Lebensunterhalt selber verdienen, fordert SVP-Nationalrat Sebastian Frehner. Fragt sich nur wie.

Geschiedene Frauen sollen ihren Lebensunterhalt selber verdienen, fordert SVP-Nationalrat Sebastian Frehner. Fragt sich nur wie.

Armer Mann, verhätschelte Frau? Mitten in der Quoten­debatte sticht Sebastian Frehner in ein Wespennest. Geschiedene Männer müssten nicht nur jahrelang Kin­deralimente bezahlen, klagt der Basler SVP-Nationalrat, sondern auch den Unterhalt ihrer Ex-Gattinnen – obwohl diese eigentlich für sich selbst sorgen könnten.

In einem Postulat fordert er nun eine Regelung, wie sie bei der Sozialhilfe gilt: Geschiedene Mütter sollen wieder ar­beiten, sobald das jüngste Kind das dritte Lebensjahr vollendet hat. Heute wird den Frauen Teilzeitarbeit zugemutet, wenn das jüngste Kind zehnjährig ist, und Vollzeit­arbeit, wenn das Kind 16 Jahre alt ist.

Sind die Männer wirklich so arm dran? Die Zahlen zeigen ein anderes Bild. Gemäss einer aktuellen Studie ist ein Drittel der allein­erzie­henden Frauen sozialhilfeabhängig, bei den Vätern sind es rund fünf Prozent.

Es ist auch nicht so, dass geschiedene Frauen nicht erwerbstätig wären: Rund 90 Prozent sind es – oft Teilzeit und schlecht bezahlt. Reichen Lohn und Alimente nicht aus, muss sich die Frau bei der Sozialhilfe verschulden.

Mit Ruckzuck-Massnahmen auf Kosten der Frauen lassen sich diese Probleme nicht lösen.

In einem Punkt hat Frehner jedoch Recht. Die Alimenten- und Unterhaltssituation ist für viele geschie­dene Männer und Frauen sehr belastend. Der Lebens­standard der Ex-Partner sinkt meist markant, manche Geschiedene geraten in Geldnot.

Mit Ruckzuck-Massnahmen auf Kosten der Frauen lassen sich diese Probleme nicht lösen. Wollen Frehner und seine SVP-Kollegen die Situation der Geschiedenen wirklich verbessern, müssten sie zuerst ihr Familienbild hinterfragen. Eine Partei, die reflexartig alle Ideen verwirft, die es Eltern ermöglichen würden, Berufs- und Familienarbeit unter einen Hut zu bringen, ist eine unglaubwürdige Ratgeberin in familienpolitischen Fragen.

Die Zeit ist reif für familienverträgliche Strukturen mit genügend bezahlbaren Kinderkrippen und Ganztagsschulen. Junge Mütter hätten so endlich auch in der Schweiz bessere Chancen im Arbeitsmarkt. Im Falle einer Scheidung könnten sie ihren Teil zur Finanzierung der Familie beitragen. Und auch die SVP hätte ein Problem weniger.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 04.10.13

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