Statt sich auf die WM zu freuen, gehen viele Brasilianer gegen den Fifa-Gigantismus auf die Strasse.
In wenigen Tagen startet die Fussball-WM in Brasilien. Doch irgendwie ist die Welt noch nicht zu Gast bei fröhlichen Fussballfreunden. Diesen Eindruck erwecken jedenfalls die Berichte, die uns täglich aus dem «Land des Fussballs» erreichen.
Sie zeigen ein Land in tiefster Krise. Die rasante Wirtschaftsentwicklung der letzten Jahrzehnte ist längst abgeflaut, die Infrastruktur am Boden, und die Schere zwischen Armen und Reichen öffnet sich dramatisch. Selbst vielen Menschen des Mittelstands reicht der Verdienst fast nicht zum Leben aus.
Proteste werden niedergeknüppelt
Kaum eine Woche vergeht ohne Demonstrationen wütender Angestellter, die sich um ihren Lohn betrogen fühlen, oder von Favela-Bewohnern, die von den WM-Architekten aus ihren Häusern vertrieben wurden. Meist werden diese Kundgebungen von den berüchtigten berittenen Militärpolizisten niedergeknüppelt.
An dieser WM könnte der Mythos des Fussballs als verbindender Kraft zerbrechen.
In die Proteste gegen die soziale Ungerechtigkeit mischt sich der Unmut über den Gigantismus dieser WM, die als bislang teuerste aller Zeiten in die Geschichte eingehen wird. So sind etwa vor ein paar Wochen sogar streikende Lehrer unter dem Motto der Anti-WM-Bewegung auf die Strasse gegangen: «Não vai ter copa» (Es wird keine WM geben). Entsprechend nervös ist die Regierung. Im Vorfeld des Grossereignisses wurde ein gigantisches Sicherheitsdispositiv aufgezogen, um die WM vor Störern zu schützen.
Das sind alles andere als günstige Voraussetzungen für die Durchführung eines Sportfests. Für Brasilien, das Land, in dem der Fussball eine fast schon mythische Bedeutung hat und lange Zeit als Identitätsklammer zwischen der Ober- und der Unterschicht wirkte, ist diese Weltmeisterschaft ein riesige Herausforderung. An ihr könnte der Mythos des Fussballs als verbindender Kraft zerbrechen.