Es braucht mehr Frauen auf Chefetagen. Aber alle müssen es wollen: Es braucht mehr Krippen, mehr Tagesschulen – kurz: eine Familienpolitik, die es Frauen ermöglicht, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen.
Topjob und Familie? No problem. Liest man die Karrierestorys von US-Kaderfrauen, die rechtzeitig zur neu entfachten Debatte über Frauenquoten auch in hiesigen Blättern kursieren – man könnte neidisch werden.
Etwa auf Marissa Mayer, Chefin von Yahoo mit einem Jahreslohn von rund 20 Millionen Dollar. Die 37-Jährige machte Schlagzeilen, als sie am Tag ihrer Ernennung gleich auch ihre Schwangerschaft bekannt gab. Oder auf Katie Stanton. Die 43-jährige Vizechefin von Twitter und dreifache Mutter wurde mit dem Bekenntnis berühmt, dass sie ihrer Familie zuliebe jeweils schon um 17.30 Uhr Feierabend mache – eine halbe Stunde früher als Facebook-Geschäftsleiterin Sheryl Sandberg, 43 Jahre alt und Mutter von zwei Kindern.
Märchenland Amerika. Doch es gibt auch hierzulande Mütter mit Traumkarrieren. Etwa Postchefin Susanne Ruoff. Die 54-Jährige arbeitet seit Jahren in Topjobs und zog zwei Kinder gross. Oder ABB-Länderchefin Barbara Frei, 42: Auch sie scheint Beruf und Familie locker managen zu können. Das Problem all dieser Vorzeigefrauen aber ist: Sie taugen nicht als Rollenmodelle. Denn hinter ihnen stehen Männer, die ihnen den Rücken stärken – und vor allem: die selber privilegiert, also Chefs, selbstständig erwerbend oder finanziell unabhängig sind. Oder wie es Facebook-Powerfrau Sheryl Sandberg formuliert: Das Wichtigste für Frauen mit Karriereplänen sei, dass sie sich den «richtigen» Mann fürs Leben aussuchen.
Das ist ein schwacher Trost für die grosse Mehrheit qualifizierter Frauen, die den «falschen» Mann mit dem falschen Beruf lieben. Oder für Mütter, die den «richtigen» Mann verloren haben und als Alleinstehende ins Berufsleben zurückkehren müssen.
Frauen müssen dieselben Chancen erhalten wie die Männer, schreibt Monika Zech in unserer Titelgeschichte. Es braucht mehr Krippen, Tagesschulen, Teilzeitstellen. Nur so können Frauen, unabhängig vom Mann an ihrer Seite, im Job Fuss fassen und aufsteigen. Und nur so liessen sich auch Frauenquoten auf Chefetagen umsetzen – ein Anliegen, das derzeit quer durch alle Parteien für hitzige Debatten sorgt.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 05.10.12