Ist von Basels rot-grün dominierter Regierung die Rede, dauert es in der Regel nicht lange bis zum Fazit, dass die Linken im Gremium eigentlich die «besseren Bürgerlichen» seien. Das ist salopp verkürzt, kommt aber nicht von ungefähr.
Wenn etwa Regierungspräsident Guy Morin vor Gästen die Vorteile des Wirtschaftsstandorts Basel preist, glaubt man weniger einem Mediziner mit grünem Parteiausweis zu lauschen als einem Lobbyisten eines Wirtschafts-Thinktanks. Oder SP-Finanzdirektorin Eva Herzog: Sie hat das Budget seit zwei Amtszeiten besser im Griff als einige ihrer bürgerlichen Vorgänger. Und die Historikerin setzt sich mit wirtschaftsfreundlichen Steuervorlagen auch schon mal parteiintern in die Nesseln. Realpolitik statt reine Lehre, heisst die Devise.
Doch Basel ist kein Sonderfall. Ähnliches lässt sich auch in anderen rot-grün regierten Städten beobachten, meint der Politologe Werner Seitz. Rot-grüne Mehrheitspolitik in den Städten ist weitgehend eine pragmatische Politik, die sich nur in wenigen Punkten vom Programm einer urbanen FDP unterscheidet.
Diese Punkte haben es aber in sich. Unter der rot-grünen Ägide hat sich die Lebensqualität in vielen Städten verbessert: Der öffentliche Verkehr wurde ausgebaut, verkehrsberuhigte Wohnzonen und mehr Grünflächen sind entstanden, das Kulturangebot ist gewachsen.
Erfolge, die sich vor Wahlen gut ausschlachten lassen und die Rot-Grün heute gerne für sich allein beansprucht. Auch in Basel. So zelebriert etwa das Wahlkampfvideo der links-grünen Einheitsliste die Stadt als wahres Paradies, in dem sich alles zum Besten kehre.
Wir haben hinter die Kulissen dieser Idylle geleuchtet und sind auch auf weniger Paradiesisches gestossen: eine Wohnpolitik, die vor allem auf gute Steuerzahler abzielt, einen Reglementedschungel, der Veranstaltern das Leben schwer macht, eine Wirtschaftspolitik, die sich allzu stark an den Interessen der Grossfirmen orientiert. Und wir haben in St. Gallen nachgefragt, der «bürgerlichsten Stadt der Schweiz», die im «Bilanz»-Städterating zur Lebensqualität sogar zwei Ränge vor Basel (Platz 8) liegt. Unser tröstliches Fazit: Es könnte alles noch viel schlimmer sein.
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Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 31.08.12