Gegen die Schulreform 21 hagelt es Kritik. Doch so schlimm wie sein Ruf ist das Reformwerk nicht.
Geschwätzig und inhaltslos, zu dick und zu kompliziert: Wäre der 560 Seiten starke Packen Papier, von dem sich so viele so viel erhofft haben, ein literarisches Manuskript – man würde von einem Flop sprechen und den Wälzer tief in der Schublade versenken. Sieben Jahre lang haben Dutzende von Autorinnen und Autoren am Lehrplan 21 getüftelt. Von einem Jahrhundertwerk war die Rede: Erstmals in der Schulgeschichte sollen die Lernziele aller 21 Deutschschweizer Kantone einheitlich festgelegt werden.
Bis es so weit ist, wird die Deutschschweizerische Erziehungsdirektorenkonferenz noch einige Stunden nachsitzen müssen. In den Vernehmlassungsantworten hagelt es Kritik von allen Seiten.
Am schärfsten von der Wirtschaft, obwohl ökonomische Themen vermehrt Schulstoff werden sollen. Stein des Anstosses ist das neue Fach «Wirtschaft, Haushalt, Arbeit». Dieses sei dogmatisch und erziehe die Schüler zu Konsumkritikern, statt ihnen grundlegende Wirtschaftskenntnisse zu vermitteln, protestieren Economiesuisse und der Schweizerische Gewerbeverband.
Ähnlich harsch tönt es auf der politisch entgegengesetzten Seite. So kritisiert etwa der linke Thinktank Denknetz, der neue Lehrplan sei «masslos überladen», gleichzeitig würden «konkrete Inhalte» fehlen. Und auch viele Lehrerinnen und Lehrer sind irritiert. Ein Memorandum, das von mehreren Hundert Personen unterzeichnet wurde, lässt kaum ein gutes Haar an der Reform. Diese strotze vor «inneren Widersprüchen» und trage «missionarische Züge».
Der neue Lehrplan, ein überambitioniertes schulisches Umerziehungsprogramm?
Wir haben Gaby Hintermann, Präsidentin der Kantonalen Schulkonferenz Basel-Stadt, um eine Analyse gebeten. Die 37-Jährige, die selber als Lehrerin tätig ist, mahnt zu mehr Gelassenheit: «Ich erachte es als unfair, den Entwurf mit einzeln herausgezupften Beispielen ins Lächerliche zu ziehen und Eltern Angst zu machen, dass ihre Kinder in der Schule nichts mehr lernen.» Das Reformwerk habe Korrekturbedarf, aber es sei «weder ein Monstrum noch ein Fiasko».
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 24.01.14