Duftmarken

Kommen die warmen Sommerabende, sammelt sich der Müll auf Strassen und Plätzen. Das hat so seine verschiedenen Ursachen, eine davon ist das offenbar menschliche Bedürfnis, Präsenz zu markieren.

Kommen die warmen Sommerabende, sammelt sich der Müll auf Strassen und Plätzen. Das hat so seine verschiedenen Ursachen, eine davon ist das offenbar menschliche Bedürfnis, Präsenz zu markieren.

Schau ich Hunden zu, wie sie mit Herrchen und Frauchen durch die Gegend gehen, fällt mir auf, wie sie ihre Hinterbeine heben und markieren. Das tun auch Kater, sogar kastrierte. Sie lassen ihre Duftmarken liegen. Sie markieren. Sie tun das völlig unbekümmert und frei von Scham.

Menschen tun das natürlich nicht. Sind sie allerdings betrunken, geschieht es hin und wieder, dass der eine oder andere die Scham verliert und sein Geschäft gegen eine Hauswand verrichtet. So markiert Mann: «Hey, hier bin ich! Und ich pisse, wohin ich will.»

Nun gibt es auch noch subtilere Formen des Markierens. Man hat sich für den lauen Sommerabend sein Sixpack Bier gekauft, sein Fast Food mit all dem Wegwerfverpackungsgrümpel, seinen Instant-Grill – und je trunkener der Zustand wird, desto dringender das Bedürfnis: «Hey, du Biedergesellschaft, du Dreck-Staat, eure ordent­liche Welt kotzt mich an – hier ist mein Abfall, räumt ihn selbst weg, wenn er stört.» Wenn statt einer Bierdose gar eine leere Flasche zur Verfügung steht, lässt sich das Selbstwert-gefühl steigern, indem man sie zu Scherben zerscheppert.

Das Resultat dieses Tuns nennen wir gepflegt Littering. Jedes Jahr im Frühling, wenn das Leben wieder in den öffent­lichen Raum drängt, wird es zum Thema.

So auch in der TagesWoche. Wir erörtern in der Titelgeschichte, mit welchen Massnahmen dem Problem begegnet werden kann: mit Pfandgebühren, Bussen, mehr Abfall­containern, zusätzlichen Putzequipen auf Staatskosten und dergleichen mehr. Nicht nur, weil die Markierungsnoten der Litterer das ästhetische Empfinden der ordentlichen Bürger stören könnten, sondern weil Scherben und angerissene Aludosen andere verletzen können. Das haben die Duftmarken von Hunden und Katern den unseren voraus: Sie tun niemandem weh.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 24.05.13

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