Ein schon fast irreales Kapitel

Wenn das Kunstmuseum am 17. März die grosse Picasso-Retrospektive eröffnet, erlebt die Legende vom Basler Bilderkauf 1967 und dem anschliessenden Geschenk des Künstlers ein Revival. 

Urs Buess

Wenn das Kunstmuseum am 17. März die grosse Picasso-Retrospektive eröffnet, erlebt die Legende vom Basler Bilderkauf 1967 und dem anschliessenden Geschenk des Künstlers ein Revival.

Eine Stadt wie Basel ist ein nahrhafter Boden für Legenden. Sie gilt zwar als gross für schweizerische Verhältnisse – ist in Wirklichkeit aber eine Kleinstadt, in der sich viele kennen, sich wenigstens ein bisschen kennen, ein bisschen miteinander verbandelt, aber auch ein bisschen aufeinander neidisch sind. Man ist unter sich, zum Teil seit Generationen. Man hat viel gemeinsame Erinnerungen, gibt sie weiter, bis sie zu Legenden und zum Bestandteil der Stadt werden. Zu solch einer Legende ist die Geschichte geworden, wie Basel einst über den Ankauf zweier Bilder von Pablo Picasso abstimmte und vom Künstler anschliessend mit vier weiteren Werken beschenkt wurde.

Viele berichten davon, auch wenn sie sich nur noch an Bruchstücke erinnern. Wenn nun am 17. März dieses Jahres das Kunstmuseum eine grosse Picasso-Retrospektive eröffnet, in der ausschliesslich Bilder aus Basler Sammlungen zu sehen sein werden, wird die Geschichte des Bilderkaufs und der Schenkung wieder zum Thema. Man wird davon reden, dass Basel ein besonderes Verhältnis zu Picasso habe – wie das manch andere Stadt auch tun würde, wenn sie eine Picasso-Ausstellung vermarkten will. Mit Fug und Recht darf aber Basel wohl behaupten, dass der grosse Künstler in der Geschichte der Stadt ein aussergewöhnliches Kapitel geschrieben hat, wie die Titelgeschichte mit den dokumentarischen Bildern aus dem Jahr 1967 von Kurt Wyss zeigt.

Nicht nur ein aussergewöhnliches Kapitel, sondern aus heutiger Sicht auch ein irreales. Denn es ist unvorstellbar, dass die heutige Bevölkerung einem Kredit in mehrfacher Millionenhöhe für zwei Kunstwerke zustimmen würde. Was hat sich geändert in der Gesellschaft, dass so viel kollektiver Enthusiasmus und Gemeinsinn unvorstellbar geworden sind?

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 18.01.13

Nächster Artikel