Es gibt ein simples Mittel gegen die Last des Allzeit-Erreichbar-Seins und Nichts-Verpassen-Dürfens: eine Pause machen.
Ein Leben ohne Facebook, WhatsApp, Instagram, Twitter? Für die meisten Jungen ist dies absolut undenkbar. Eltern und Lehrer, die ernsthaft Internet- oder Handyverbote durchsetzen wollen, entlarven sich nicht nur als hoffnungslose Ewiggestrige, sie sind auch erzieherisch auf dem Holzweg.
Fast 100 Prozent der Teenager in hiesigen Gefilden haben laut Experten praktisch überall Zugang zum Internet, sei es über PCs, Laptops, iPads oder Smartphones. Bereits die ganz Jungen sind vernetzt. Kürzlich erzählte mir eine Kollege, dass sein Sohn der Letzte der Klasse gewesen sei, der ein iPhone erhalten habe. Der Bub ist Achtklässler.
Im Umgang mit den «digital natives» im Kinderzimmer sind viele Eltern überfordert. Vor allem, wenn der Nachwuchs Anzeichen von Suchtverhalten aufweist. Oder wenn es zu Cybermobbing kommt, der Sprössling in seiner WhatsApp-Gruppe diskriminiert wird oder selber zum Täter geworden ist. Mittlerweile, wissen Lehrer zu berichten, sei der richtige Umgang mit Computern und Smartphones an Elternabenden mindestens ein so akutes Thema wie Noten oder Beförderungen.
Jedes dritte Kind leidet darunter, dass sich seine Eltern lieber mit dem Smartphone beschäftigen als mit der Erziehung.
Sicher ist: Alle Versuche, die Kinder von den neuen Medien fernzuhalten, sind zum Scheitern verurteilt. Sie finden stets einen Weg, die Verbote zu umgehen. Besser sei es, ihnen beizubringen, wie man vernünftig mit Online-Medien umgehe, sagt der Basler Suchtexperte Renanto Poespodihardjo: «Eltern müssen ihren Kindern helfen, in der virtuellen Welt selbst Verantwortung zu übernehmen.»
Und vielleicht sollten sie selber auch ein wenig mehr Vernunft im Umgang mit Kommunikationsmitteln an den Tag legen. Laut einer schwedischen Studie leidet jedes dritte Kind darunter, dass sich seine Eltern lieber ohne Unterlass mit Smartphones und Tablets beschäftigen als mit der Erziehung.
Es gibt ein simples Mittel gegen die Last des Allzeit-Erreichbar-Seins, des Alles-Wissen-Müssens, des Nichts-Verpassen-Dürfens: einfach mal kurz abschalten.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 06.12.13