Grundeinkommen spaltet auch die Linke

Lohn ohne Arbeit. Das tönt wie eine Verheissung. Die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens nennen es eine Utopie. Mit gutem Grund, denn das Modell ist noch nicht ausgereift.

Lohn ohne Arbeit. Das tönt wie eine Verheissung. Die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens nennen es eine Utopie. Mit gutem Grund, denn das Modell ist noch nicht ausgereift.

Die Initiative «für ein bedingungsloses Grundeinkommen» wurde im April 2012 lanciert und fordert, dass der Bund der ganzen Bevölkerung ein Grundeinkommen garantiert. Dieses soll jedem und jeder Einzelnen ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen. Wie hoch es sein und wie es finanziert werden soll, müssen National- und Ständerat bestimmen.

Kann man eine solche Forderung ernst nehmen? Nein, sagt man da spontan. Es kann doch nicht sein, dass der Staat allen eine Rente fürs Nichtstun auszahlt.

Doch, erwidern andere. Der Staat bemüht sich schon heute mit seinen Sozialleistungen darum, dass möglichst alle eine gesicherte Existenz haben. Gleichzeitig gibt es so viel Arbeit im sozialen, familiären und kreativen Bereich, die nicht entlöhnt wird. Mit etwas finanziellem Mehraufwand liesse sich das Grundeinkommen einführen, und das Problem unbezahlter Arbeit wäre keines mehr.

Das Thema elektrisiert, denn es ist klar, dass die heutige Wirtschaftsordnung ungerecht ist. Die Arbeit ist ungleich verteilt – einige müssen unverhältnismässig viel arbeiten, um ihren Job halten zu können. Andere haben keine Arbeit. Einige verdienen Riesensummen, andere können sich mit dem Entgelt für ihr Chrampfen allenfalls das Nötigste leisten (siehe Seite 25).

Jetzt, nachdem ein Drittel der Sammelfrist für die Unterschriften vergangen ist, nehmen wir das Thema wieder auf. Wir haben mit zwei Persönlichkeiten gesprochen – mit dem Berner Gewerkschafter Corrado Pardini und dem ehemaligen Bundesratssprecher Oswald Sigg. Beide sind gestandene Linke und sich in vielem einig, aber in der Frage des Grundeinkommens überhaupt nicht. Für den einen definiert sich der Mensch über die Arbeit, die gerechter verteilt und entlöhnt werden muss. Der andere glaubt an die Utopie. Darum stört es ihn auch nicht, dass selbst unter den Initianten unklar ist, wie das Grundeinkommen finanziert werden soll – ob mit höherer Mehrwertsteuer oder mit einer Reichtumssteuer.

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 12.10.12

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