Kaum irgendwo konzentriert sich alles Geld auf einem Haufen wie in Basel. Das wird stillschweigend akzeptiert. Dabei wäre eine Diskussion über die Vermögensverteilung an der Zeit.
Ein guter Freund von mir – wir sind gleich alt, er arbeitet gleich viel – erhält jedes Jahr vor Weihnachten einen Bonus. Einen in der Höhe des eineinhalbfachen meines Jahresgehalts.
Wer in der Schweiz Einkommens- oder Vermögensvergleiche anstellt, der kriegt umgehend die Neidkeule zu spüren. Dabei hat die Feststellung einer Ungleichheit nichts mit Neid zu tun. Aber die Reaktion derer, die die Feststellung hören, lässt aufhorchen.
Der Soziologe Ganga Jey Aratnam von der Uni Basel beschreibt das Phänomen in unserem Interview so: Man könne hierzulande genauso gut über seine sexuellen Vorlieben wie über sein Einkommen und sein Vermögen reden – die Reaktionen seien die gleichen. Er hat recht: Der schnöde Mammon ist DAS Tabuthema.
Bauern und Armee
Doch dieses Thema ist zu wichtig, um nicht offen darüber zu sprechen. Oder die Debatte denjenigen zu überlassen, die – aufgrund welcher Absichten auch immer – nicht darüber reden möchten.
Bei der ungleichen Verteilung der Vermögen ist die Schweiz spitze. Kaum irgendwo haben weniger Menschen so viel, konzentriert sich alles Geld auf einem Haufen. Ganz besonders ausgeprägt ist das in Basel-Stadt. So lange es genügend vielen Menschen gut genug geht, wird das akzeptiert. Sprich: So lange es sich auch mit vergleichsweise wenig Geld gut leben lässt, so lange es genug Arbeitsplätze und einen tragfähigen Sozialstaat gibt.
Deshalb kann die bürgerliche Mehrheit im Schweizer Parlament in der aktuellen Legislaturperiode vom Tabu profitieren: Problemlos bringt sie Steuergeschenke an Reiche und Unternehmen, AHV-Kürzungen und Pensionskassen-Flutungen durch. Dazu gibts Geld für Bauern und Armee statt für arbeitende Bürger und Arme. Erst in ein paar Jahren wird sich zeigen, dass das Parlament mit dieser Politik wesentlich zur Enttabuisierung des Themas Ungleichheit in der Schweiz beiträgt. Unabsichtlich.