Und schon tickt die nächste Zeitbombe

Tiefe Steuern, wenig Transparenz: Unser Land ist ein Paradies für Rohstoffhändler. Ihr Geschäft ist so umstritten wie lukrativ. Der Schweiz droht bald neuer Ärger.

Tiefe Steuern, wenig Transparenz: Unser Land ist ein Paradies für Rohstoffhändler. Ihr Geschäft ist so umstritten wie lukrativ. Der Schweiz droht bald neuer Ärger.

Nach dem Ärger mit dem Bankgeheimnis droht der Schweiz neues Un­ge­mach. Wie­der ist die hie­­­sige Steuerpraxis Stein des An­­stos­ses. Wieder geht es um viel Geld, das im Ausland am Fiskus vorbei­geschleust wird. Und wieder ist eine Branche involviert, die namhaft zum Reichtum unseres Landes beiträgt: der Roh­stoffhandel.

Rund ein Viertel des globalen Handels mit Öl, Kaffee, Baumwolle oder seltenen Metallen wird von der Schweiz aus abge­wickelt. Ein Geschäft, das sich nicht nur für die Multis lohnt, die von Steuerdeals pro­­­fi­tieren, sondern auch für unser Land. Allein im letzten Jahr betrugen die Verkaufserlöse für Rohstoffe, die von der Schweiz aus im Ausland gehandelt wurden, über 760 Mil­liar­den Franken; die Branche trägt mit einer Wertschöpfung von über drei Prozent markant zur hiesigen Wirt­schafts­leistung bei und übertrifft damit sogar den Tourismus und den Maschinenbau.

Das Geschäft, das vor allem in den Steueroasen Genf und Zug blüht, ist der EU schon lange ein Dorn im Auge. Seit Jah­ren droht Brüssel mit Massnahmen gegen die hiesigen Holdingsteuer­gesetze, durch welche dem Ausland Fiskal­einnahmen in Milliardenhöhe ent­gehen. Doch es geht um mehr als Geld. Um­stritten sind auch die Geschäftspraktiken der Firmen, die oft direkt an der Rohstoff­gewinnung beteiligt sind. Entwick­lungs­hilfe­orga­ni­­sationen werfen den Multis Kor­rup­tion, Menschenrechts­verlet­zungen und Umweltzerstörung in Drittweltländern vor.

Inzwischen wächst der Druck auch in Bundesbern. Verschiedene politische Vor­stösse fordern mehr Transparenz im Roh­stoff­sektor. Und auch der Bundesrat inte­res­siert sich für die Prak­tiken der Branche. Ein Ex­per­tengutachten steht kurz vor dem Ab­­schluss; was laut Insidern noch fehlt, sind Empfeh­lun­gen an den Bundesrat, ob sich schärfere Vor­schrif­ten aufdrängen oder nicht.

Für Kritiker wie den ehemaligen Tessiner FDP-Ständerat Dick Marty ist die Antwort klar Ja: «Ich habe das Gefühl, wir sitzen auf einer Zeitbombe.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 19.10.12

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