Der FC Basel ist gut und hat Klasse – Adi Hütter, der Trainer der Young Boys, geniert sich nicht, das zu sagen. Heute will er mit seiner Mannschaft nichts desto trotz dem Tabellenführer der Super League die erste Niederlage beibringen. Im Interview mit der TagesWoche erklärt der 46-jährige Österreicher, warum YB schon wieder so weit hinter Basel liegt und warum Guillaume Hoarau unersetzlich ist.
Adi Hütter, nehmen wir an, am Samstag kommt jemand, der mit dem Schweizer Fussball nicht so vertraut ist, zum Gipfeltreffen zwischen dem Zweiten und dem Tabellenführer ins Stade de Suisse. Wie erklären Sie dem, dass der FC Basel nach 16 Runden schon wieder mit 15 Punkten Vorsprung führt?
Das direkte Duell haben wir verloren, da sind schon mal drei Punkte weg. Und dann denke ich an viele Unentschieden, wo wir dir bessere Mannschaft waren, wo wir klar gewinnen müssten. Uns hat in der Phase, als Guillaume Hoarau ausgefallen ist, ein Spieler gefehlt, der die entscheidenden Tore macht. Und wir hatten zu Beginn die Champions-League-Qualifikation mit hochintensiven Spielen gegen Schachtjor Donezk und Mönchengladbach und eine Phase mit Unruhe im Verein, während Basel gemütlich in die Saison starten konnte.
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Wie haben sich diese Unruhen im Verein und die Personalrochaden ausgewirkt?
Es soll keine Ausrede sein, aber wir haben eine schwierige Zeit im Verein hinter uns, und es ist nicht so, dass das spurlos an uns allen vorübergegangen ist. Ich muss der Mannschaft ein Kompliment machen, wie sie das Ganze überdauert hat. Sie hat sich auch in dieser schwierigen Phase sehr ordentlich präsentiert.
Erwarten Sie nun ein Signal von Ihrer Mannschaft?
Welches Signal? Für mich? Wir müssen zwei Sachen unterscheiden: Basel hat von 16 Spielen 14 gewonnen und zwei unentschieden gespielt. Das spricht Bände. Auf der anderen Seite sind wir seit zehn Spielen ungeschlagen, von den letzten 15 Spielen haben wir nur ein einziges verloren. Wir sind grundsätzlich ordentlich unterwegs, aber man muss die Klasse von Basel anerkennen. Wenn wir ein Zeichen setzen, dann für uns. Wir wollen die Gelegenheit nutzen und werden alles daran setzen, die ersten zu sein, die den FC Basel schlagen.
Aber er ist verletzungsanfällig und wird im März 33 Jahre alt.
Er ist physisch stark, aber das Alter ist sicher ein Thema und der Kunstrasen nicht das Idealste für ihn. Als ich vor einem Jahr zu YB gekommen bin, musste er operiert werden und ich habe mir Sorgen gemacht um ihn. Dann kam er zurück, hat in 18 Spielen 17 Tore gemacht, und wir haben am Ende in der Rückrunde einen Punkt mehr geholt als Basel. Es ist einfach schade, dass er wieder zwei Monate ausgefallen ist. In dieser Zeit haben wir in fünf Spielen neun Punkte verloren. Mit ihm wäre der Abstand nicht ganz so gross geworden, davon bin ich überzeugt. Wenn wir dann gegen Basel gewinnen, reden wir noch von vier Punkten. Aber jetzt, mit den 15 Punkten Vorsprung, hat es Basel schön.
Ist es nur eine mentale Frage, um mit Basel auf Augenhöhe zu spielen, oder was müssen Sie Ihrer Mannschaft am Samstag mit auf den Weg geben?
Wir haben ja schon bewiesen, dass wir daheim gegen Basel gewinnen können. Seit ich in Bern bin, sind wir in allen Begegnungen mit dem FCB nie die schlechtere Mannschaft gewesen. Aber Basel hat zum richtigen Zeitpunkt das Tor gemacht. Das 3:0 in der Vorrunde ist zu hoch, denn in der ersten Halbzeit habe ich damals fast nur YB gesehen. Meiner Meinung nach sind wir absolut auf Augenhöhe.
Woran liegt es denn, dass YB sein Spiel nicht über 90 Minuten durchziehen kann?
Weil uns das Tor fehlt. Wir haben es bisher noch nie geschafft, in Basel 1:0 in Führung zu gehen. Dann müsste man mal sehen was passiert. Aber natürlich hat Basel Qualität, sie stehen gut, sie verteidigen relativ sicher in Zone 2, haben ein gutes Umschaltspiel. Und sie haben individuelle Klasse, wie man in Sion wieder gesehen hat, wo sie aus wenig viel machen.
Und hinterher wird mal wieder über den Basel-Bonus debattiert.
Dazu haben sich schon so viele Menschen geäussert, da braucht es meinen Senf nicht dazu.
Wundert es Sie, dass in Basel bei aller Dominanz dennoch über den Trainer diskutiert wird?
Damit beschäftige ich mich nicht, das ist nicht mein Thema und steht mir auch nicht zu. Mich interessieren nur die Fakten: 16 Spiele, 14 Siege, zwei Unentschieden, ganz klar Tabellenführer. Und international ist es für Basel ganz bestimmt keine einfache Champions-League-Gruppe gewesen. Ich finde, dass Urs Fischer ein toller Trainer und ein guter Typ ist – mehr kann ich dazu nicht sagen.
Urs Fischer hat zum 4:3 von YB gegen Sion und dem wilden Spielverlauf sinngemäss gemeint, da könne man auch ins Casino gehen. Wie ist es Ihnen am Spielfeldrand ergangen?
Erst mal habe ich Freude gehabt, dass wir gewonnen haben. Und wir haben viele Menschen begeistert mit diesem Spiel. Natürlich kann man Fussball unterschiedlich betrachten: Es gibt die Sichtweise der Spieler, des Trainers, die der Fans. Wir sind dazu da, vor 23’000 Zuschauern nicht ein Null-zu-Null runterzukratzen oder ein Eins-zu-Null mit zwei Torchancen. Ich habe lieber ein 4:3 und ein Spektakel als ein 1:0. Aber am Ende des Tages geht es trotzdem um den Sieg.
Und wie wird eine solche Partie aufgearbeitet? Lob für die vier Tore oder werden die Fehler bei den drei Gegentoren thematisiert?
Beides, beides! Beim Stand von 2:3 haben wir Glück, dass wir nicht das vierte bekommen. Und am Ende hätten wir auch noch höher gewinnen können. Natürlich ist nicht alles gut gewesen, aber die Mentalität der Mannschaft, dieses Spiel gewinnen zu wollen, das hat mir Spass gemacht. Und dafür habe ich sie gelobt.
«Wer spielt denn mit der jüngsten Mannschaft in der Liga? Das ist YB. Darauf sind wir stolz.»
Die Zwischenbilanz für Sie und die Saison der Young Boys fällt nicht ganz so euphorisch aus.
Im Europacup sind wir ausgeschieden, das tut uns weh. Dafür überwintern wir nach fünf Jahren mal wieder im Cup. Und in der Meisterschaft sind wir, für die vielen Spiele, die wir hatten und die vielen Verletzungen, trotz allem ordentlich unterwegs. Und wer spielt denn mit der jüngsten Mannschaft in der Liga? Das ist YB. Gegen den FCB kommt vielleicht Michel Aebischer mit seinen 19 Jahren zum Einsatz. Darauf sind wir schon stolz, es ist unsere Philosophie, immer mit zwei, drei, vier Jungen zu spielen.
Kann man so gegen den FC Basel gewinnen geschweige denn ihn in der Tabelle hinter sich lassen?
Warum nicht? Ich glaube daran. Weil wir speziell daheim einen sehr guten Fussball spielen und die Leute begeistern. In den letzten fünf Heimspielen haben sie 17 Tore von uns gesehen, im Schnitt machen wir fast vier Tore pro Spiel. Noch mal: Natürlich sind die Basler gut, das darf man ruhig sagen und da geniere ich mich auch nicht. Doch wir sind auch auf einem guten Weg, wir haben uns gesteigert – aber der der Abstand ist immer noch gleich gross. Das stinkt mir, ehrlich gesagt, schon.
Aus Hohenems im Vorarlberg stammend hat Adolf «Adi» Hütter in Österreich für den Grazer AK, LASK Linz, Altach, den SV Austria Salzburg (drei Mal Meister, Uefa-Cup-Final 1994 gegen Inter Mailand) und Karpfenberg gespielt sowie von 1994 bis 1997 14 Länderspiele bestritten, ehe er mit 36 Jahren bei den «Red Bull Junioren» in Salzburg für eine Saison den erfahrenen Part spielte – unter Trainer Thorsten Fink. Als Trainer des SV Grödig absolvierte Hütter 2012 eine Praktikumswoche beim FC Basel unter dem damaligen Chefcoach Heiko Vogel.
2014/15 führte Hütter Salzburg zum Meistertitel, verliess den vom Red-Bull-Konzern gesteuerten Club aber nach nur einem Jahr wieder – auch, weil er sich, wie er sagt, nicht als reinen Ausbildungstrainer begreift. Im September 2015 verpflichteten die Young Boys Hütter als Nachfolger von Ueli Forte. Mit dem aktuellen Co-Trainer des FC Basel, Markus Hoffmann, verbindet den 46-jährigen Hütter eine Freundschaft – und sie wohnen in der Nähe von Salzburg kaum einen Kilometer Luftlinie auseinander. (cok)