Bombino: «Es gibt ja viel mehr Wasser, als ich gedacht habe!»

Der Gitarrist Omara «Bombino» Moctar spielte gestern auf dem Floss. Wir haben die Gelegenheit genutzt und mit dem Tuareg-Musiker über Afrika und Europa, über Verfolgung und Freiheit gesprochen. Und über den Grund, warum seine Kunst noch vor wenigen Jahren verboten war in seinem Heimatland Niger.

Der Mann aus der Wüste zu Gast am Rhein: Bombino.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Der Gitarrist Omara «Bombino» Moctar spielte am Dienstag auf dem Floss. Wir haben die Gelegenheit genutzt und mit dem Tuareg-Musiker über Afrika und Europa, über Verfolgung und Freiheit gesprochen. Und über den Grund, warum seine Kunst noch vor wenigen Jahren verboten war in seinem Heimatland Niger.

Er kommt aus Niger, er gehört zum Tuareg-Volk, diesen Nomaden Afrikas – und seine grosse Reise führte ihn am Montag erstmals nach Basel: Omara Moctar alias Bombino – Sänger, Songwriter, Gitarrist aus der trockenen Wüste, für einmal auf dem Wasser, «im Fluss».

Sein Konzert tröpfelt anfänglich etwas undifferenziert ans Ufer, auch, weil der Soundmix zu Beginn nicht vollkommen ist, das Schlagzeug zu dominant, die führende Gitarre zu hintergründig. Nach 20 Minuten aber erzeugt sein Set, seine Mischung aus Afrobeat, Disco, Rock, Reggae und Blues einen Sog, der immer stärker mitreisst. Als wäre da ein Derwisch an der E-Gitarre, der hypnotische Momente anstrebt. Tatsächlich lassen sich aus der Art seines Spiels sufistische Elemente herauslesen, kombiniert mit dem Feuer der westlichen Rockmusik.  

Bombinos Biografie ist eindrücklich: Tuareg, Gitarrist, Autodidakt, Rebell, Flüchtling, Exportschlager. Heute ist der 35-jährige Musiker international erfolgreich. Das manifestiert sich in kleinen Dingen wie der Tatsache, dass unsere Interviewanfrage vom Floss-Büro ans Tourmanagement weitergeleitet und dort erst genehmigt wird, nachdem dieses wiederum Rücksprache mit dem internationalen Künstlermanagement gehalten hat. Dabei schrumpfen die 30 gewünschten auf 15 genehmigte Minuten. Gestern England, morgen Italien… der Mann hat ein dichtes Programm, der Mann wird protegiert. 

Von der Wüste in die Industrie

Wir verstehen: Er ist Teil einer Maschinerie geworden, Teil einer Industrie, spätestens seit er 2013 mit dem Grammy-Preisträger Dan Auerbach (The Black Keys) das Album «Nomad» aufnahm. Seither wird er als Vorzeige-Weltmusiker herumgereicht, als talentierter Exot, von Profis, die im Wüstensound auch einen fruchtbaren Boden fürs Geschäft sehen.

Davor hatte Omara Moctar 15 Jahre lang einfach Gitarre gespielt, seine Musik gemacht, entwickelt. Doch wo eine gute Geschichte ist, ist auch eine mögliche Vermarktung. Nachdem ihn der Filmemacher Ron Wyman bei seinen Recherchen für einen Tuareg-Dokfilm entdeckt hatte, rückte er ihn ins Zentrum seines Films «Agadez, the Music and the Rebellion». Machte ihn so bekannt und bewarb zugleich die Musik und seinen Film. Das ist jetzt vier Jahre her. Zeit, sich mit Bombino, der sich gerade einen Joint dreht, eine Viertelstunde zu unterhalten.

Bombino, seit einigen Jahren sind Sie in der westlichen Welt ein gefragter Mann: Leben Sie noch immer in Afrika oder – wie viele erfolgreiche Musiker Ihres Kontinents – bereits in Frankreich?

Nein, ich lebe noch immer im Niger. Aber nicht mehr in Agadez, sondern in Niamey, der Hauptstadt. Das macht es einfacher zu reisen, da die internationalen Flugverbindungen bedeutend besser sind.

Fehlt Ihnen die Wüste nicht?

Doch, schon. Ich tröste mich damit, dass ich noch immer Nomade bin, einfach in einem grösseren Umfang als früher. Das ist auch positiv, dieses Verreisen aus Afrika, neue Länder sehen und kennenlernen. Denn das hilft, den Horizont zu erweitern und die Welt insgesamt besser zu verstehen.

Inwiefern?

Das beginnt mit Erkenntnissen, die Sie jetzt vielleicht erstaunen werden, weil sie für Sie so normal sind. Aber bei uns in der Wüste wächst man mit dem Gedanken auf, dass Wasser rar ist auf der Welt. Bis, ja, bis man nach Europa kommt und feststellt: Eigentlich hat es ja sehr viel davon.

In Basel spielen Sie sogar auf dem Wasser. Eine Premiere?

Nein, das nicht. Aber noch immer eine bemerkenswerte Erfahrung. 

Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass Ihr letztes Album von Dan Auerbach produziert worden ist, dem Sänger der US-amerikanischen Rockband The Black Keys. Wie haben Sie sich kennengelernt?

Er hat offenbar schon früher, vor einigen Jahren von mir gehört, durch ein Video im Internet. Doch waren die Distanzen zu gross für ein Treffen. Nach der Veröffentlichung von «Agadez» 2011 öffneten sich für mich aber neue Türen, ich reiste nach New York und wir lernten uns kennen.  

Stimmt es, dass Auerbach kein Französisch spricht und Sie kein Englisch, weshalb Sie beide sich mit Händen und Füssen verständigen mussten?

Ja, das stimmt. Wobei es ein bisschen übertrieben ist. Mein Manager hat übersetzt, wir konnten uns also schon auch ein bisschen verbal austauschen … Das Ganze führte einige Monate später dazu, dass wir uns in einem Studio in Nashville wiederfanden und in zwei Wochen das Album «Nomad» aufnahmen. Mir hat das persönlich sehr viel gebracht, es hat mich ermutigt, meinen Weg weiterzugehen.

Westliche Musik haben Sie schon zuvor entdeckt, Jimi Hendrix etwa haben Sie schon früher als eines Ihrer Vorbilder genannt. Wie haben Sie zu seiner Musik gefunden?

Durch Freunde, auf meinen vielen Reisen in den Jahren zuvor, nach Mali, Algerien und Libyen. Als Tuareg hat man unzählige Cousins in den umliegenden Ländern – die Grenzen in der Wüste wurden ja vor 50 Jahren von den Franzosen gezogen, für uns existieren sie eigentlich nicht. Auf den Reisen haben mir Freunde und Verwandte Videos von Gitarristen wie Jimi Hendrix oder Dire Straits gezeigt, die mich inspiriert und von denen ich Auftritte an- und Tricks abgeschaut habe.

Wie müssen wir uns das vorstellen? Hatten Sie Internet in der Wüste?

Nein, damals noch nicht. Wir haben uns Videokassetten angeschaut. Wissen Sie, warum diese heute noch immer weit verbreitet sind bei uns in Afrika?

Nein, sagen Sie es uns!

Weil die Kassetten beständiger sind als die Discs, die vom Staub und Sand viel schneller beschädigt werden. CDs und DVDs gehen bei uns viel schneller kaputt.

Und heute gibts auch bei Ihnen alles online?

Schon, nur ist das Internet viel kostspieliger geworden, auch unzuverlässiger, seit das Gaddhafi-Regime gestürzt worden ist. Libyen hatte das Internet-Netz massgeblich finanziert, war für die Verbindungskosten in der Wüste aufgekommen. Seit dem Umsturz dort hat sich dies für uns Tuareg verschlechtert, Zugang zum Internet ist sehr viel teurer geworden.  

In Ihrer Heimat hatten Sie zuvor eine Zeit lang Berufsverbot gehabt. Warum war das Gitarrespielen verboten?

Wer im Niger Gitarre spielt, ist in der Regel ein Tuareg. Wer im Niger rebelliert, ebenfalls. So sah das die Regierung, die damals an der Macht war. Für diese waren wir Tuaregs ein grosser Störfaktor – weil wir unzufrieden waren und weil wir uns zudem im rohstoffreichen Norden bewegen, wo Uran und Gold abgebaut werden. In unserer Region liegt also viel Geld, an dem die Regierung mitverdient hat. Wasser aber ist knapp, Spitäler gibt es keine, die Gesundheitsversorgung ist schlecht, Dürre macht uns das Leben schwer. Und das Geld für Rohstoffe wie Uranium geht an uns vorbei. Das führt zu Unzufriedenheit und alle zehn Jahre zu einer Rebellion, einem Aufstand. Die Gitarre diente dabei als Symbol für die Proteste, als Symbol für Waffen. Sich zu bekriegen bringt nichts, das ist jedenfalls meine Erkenntnis. Aber die Musik kann die Leute bewegen. Das hat auch die Regierung so gesehen, weshalb sie unsere Musik verboten hat. Kennen Sie das afrikanische Sprichwort: Du wäschst dich bereits am Abend vor dem Schlafengehen, damit du dich nicht am Morgen waschen musst?

Nein! Will heissen?

Dass man nicht wissen kann, was der nächste Tag bringt. Vielleicht einen kalten Wind, vielleicht auch eine Revolution.

Bei den Revolten 2007 wurden auch zwei befreundete Musiker getötet. Wie das?

Die Freunde waren aktiv in der Bewegung der Nigrer für Gerechtigkeit. Sie wollten kämpfen, die Regierung umstürzen. Und wurden von der Armee aufgegriffen und getötet. Das ist sehr traurig. Ich ging ins Exil für einige Monate.

Wie ist die Situation heute im Niger?

Ruhig. 

Im Nachbarstaat Mali versuchten Salafisten noch vor zwei Jahren mit Gewalt, Land und Bevölkerung zu erobern. Droht diese Gefahr auch im Niger?

Nein. Wir Nomaden lieben die Freiheit, die uns die Wüste gegeben hat. Unser Volk will seine Kultur bewahren, wir unterdrücken die Frauen nicht, wir leben frei und wollen das nicht aufgeben. Freiheit und Zeit sind zwei immens wichtige Faktoren im Leben von uns Tuaregs. Die Zeit geht nicht voran, wir nehmen sie uns so sehr, dass wir ihr schon fast wieder voraus sind. Aber wir richten uns nicht nach ihr – ganz im Gegensatz zum Leben hier in Europa, wie mir scheint…

Und als hätte sein Tourmanager darauf gewartet, winkt uns dieser dankend zu. Zeit für den nächsten Programmpunkt im Berufsleben von Bombino, dem singenden Tuareg.   

Nächster Artikel