Johann Wanner: Ein Name, ein Synonym. der Ur-Basler vom Spalenberg verkörpert Weihnachten, wie es ausser ihm nur Rudolf das Rentier, oder vielleicht der Santiglaus persönlich können. Und das nicht nur in Basel, nein, auf der ganzen Welt.
Was hat er schon alles hören dürfen. «Father Christmas» nannte ihn die «Los Angeles Times», auch «Zar der Kugeln» oder «Modeschöpfer für den Weihnachtsbaum» wurde er schon geheissen. Derlei Bezeichnungen polieren Zepter und Krone des Weihnachtskönigs Johann Wanner, sobald die aufkeimende Besinnlichkeit gegen Ende des Jahres einen medialen Aufhänger braucht.
Gentleman mit Hang zur Phrase
Johann Wanner: ein Name, ein Programm. Mit Besinnlichkeit kennt sich Wanner aus, das ist sein Metier. In seinem Laden kann es durchaus vorkommen, dass die Beleuchtung heruntergedimmt wird, damit «die Augen schöner glänzen.» Er selbst weist gerne darauf hin, dass er für sich selbst immer den hässlichsten Baum aussucht, so wie er früher immer die älteste Dame zuerst zum Tanz aufgefordert habe.
Derlei Anekdoten gehören zum Repertoire des Johann Wanner wie das Lametta an seinen Bäumen. Johann Wanner spricht gerne in Sinnbildern, seine Sätze klingen manchmal wie druckreife Metaphern.
Aber wer den Weihnachtsbaum des Papstes schmücken darf, der ist nicht einfach nur ein herzensguter Baumkomponist, sondern auch erfolgreicher Businessman. Darüber kann auch die von ihm bevorzugte Rede von der «Kinderinsel Weihnacht» und dem «Duft von Reisig und Zimt» nicht hinwegtäuschen. TV-Beiträge über Wanner zeigen ihn gerne, wie er seinem Rolls Royce Jahrgang 1991 entsteigt und seinen Laden betritt. Auf dem Nummernschild steht wahlweise X-Mas oder sein Name geschrieben.
Der Rolls, so verrät er uns, ist eines seiner Lieblingsstücke, er besitzt ausserdem noch eine Harley und sieben Fahrräder. Wir trafen Johann Wanner inmitten des Weihnachtsschlussverkaufs und unterhielten uns mit ihm über so weihnachtsuntypische Dinge wie das Business mit der Besinnlichkeit.
Johann Wanner, Sie stammen aus einer streng katholischen Familie. Nach Ihren ersten Verkaufserfahrungen als Antiquitätenhändler entdeckten Sie das wirtschaftliche Potenzial der Weihnacht. Gab es da von Seiten der Eltern keinen Widerstand?
Nein, da gab es keine Ressentiments. Meine Spezialität ist allerdings der Baumschmuck, und diese Tradition reicht weit zurück, noch vor die Zeit der Geburt des Christkinds. Es ist also ein heidnischer Brauch.
Wirklich christlich dagegen ist die Krippentradition. Ich verkaufe auch einige Krippen, aber die gehören zur Ausnahme. Und beim Schmücken mit Krippen tue ich mich schwer, mit dem Christkind spielt man nicht.
Sie verkaufen Dinge, die zum einen schön anzusehen sind und darüber hinaus immaterielle Werte wie Besinnlichkeit oder Zeit mit der Familie symbolisieren. Ist es einfach, mit Weihnachten Geld zu verdienen?
Es gibt einfachere Arten Geld zu verdienen. Ich habe mit 22 Jahren aufgehört zu arbeiten und damit meine ich die Arbeit, die ich nicht gerne getan habe. Seither mache ich das, was ich gut kann, das ist mein Erfolgsrezept. Aber natürlich braucht es auch die Kundschaft, damit man Geld verdient. Ich hatte Glück. Wenn jemand das nicht gut findet – tant pis.
Es gibt ja auch keinen Grund, das Weihnachtsfest nicht gut zu finden.
Das stimmt so nicht. Es kann viele Gründe geben, Weihnachten nicht gut zu finden. Nicht alle haben das Glück auf einer Kinderinsel zu leben so wie ich. Sei es, dass sie keine guten Kindheitserinnerungen haben, oder dass ihnen die Freude an diesem Fest im Erwachsenenleben abhanden gekommen ist.
Gibt es einen Unterschied zwischen Weihnachten und anderen kommerzialisierten Feiertagen wie Ostern, Halloween oder dem 6. Januar, den drei Königen?
Für die christliche Tradition ist Ostern noch wichtiger als Weihnachten. Aber für mich haben beide Feste dieselbe Bedeutung. Eine Periode geht dann zu Ende, eine andere beginnt. Mit Halloween habe ich allerdings nichts am Hut, mir reicht es täglich die Zeitung zu lesen. Das ist für mich genug Halloween.
Weihnachten gilt traditionellerweise als Fest der Demut und Innerlichkeit, gleichzeitig wird der öffentliche Raum gegen Ende des Jahres geradezu überschwemmt mit Glanz und Glamour. Ein Widerspruch?
Vieles von dem was heute als Weihnachtsschmuck deklariert wird, ist für mich absolut bedeutungs- und emotionslos. Ich kann dem nichts an Wärme abgewinnen. Das hat auch mit der neuen Technik zu tun, LED-Lämpchen in einer Dekoration verbreiten den Charme einer Bahnhofstoilette.
Sie schmücken die Bäume berühmter Leute. Werden Sie sauer, wenn man Ihnen ins Handwerk reinredet?
Ich gebe mir immer Mühe, dass der Baum zu seinem Besitzer passt. Dass man mir reinredet, kenne ich eigentlich nicht. Meine Dekorateure sind manchmal unglücklich, wenn sie eigeladen werden, eine Tanne zu schmücken und sie vor Ort bereits von einem Team erwartet werden, das dann alles besser weiss.
Werden Sie oft nur aufgrund Ihres Namens engagiert?
Ich habe gemerkt, dass der Name Wanner mittlerweile tatsächlich mehr Marktwert hat als die ganzen Waren hier im Laden zusammen. Kaufhäuser oder Hotels stellen gerne einen Wanner-Baum an die Front und der Hintergrund wird mit Fabrikware ausgeschmückt. Aber das machen wir gerne mit.
Natürlich werden wir auch kopiert, machmal besser, manchmal schlechter. Als es noch keine Handykameras gab, hielten «spezielle Kunden» manchmal ihre Kamera in der Tasche versteckt, um unsere Designs zu fotografieren.
Sie investieren selber viel in den Namen Wanner, machen Ihnen die Auftritte in TV-Studios mittlerweile mehr Spass, als Bäume zu schmücken?
Das ist natürlich etwas anderes, aber ich geniesse das schon. Am Strand an der Sonne zu liegen oder in die Sauna zu gehen hat den selben Effekt: Es tut einem gut.
Am persönlichen Baum Johann Wanners dürfen zwei Objekte nicht fehlen: ein Teufel und eine Gurke. Was hat es damit auf sich?
Der Teufel erinnert an das Dunkle, vielleicht sogar das Böse, das uns umgibt und das vielleicht sogar in uns steckt. Dem muss man ins Auge sehen und das darf man nicht verleugnen. Die Gurke ist eine Familientradition, sie wandert von Generation zu Generation immer weiter.
Wer übernimmt diesen weihnächtlichen Staffelstab nach Ihnen?
Die Gurke bekommt irgendwann mein Sohn. Er wird das Geschäft aber nicht übernehmen, er ist Martial-Arts-Kämpfer und PR-Chef einer Firma in Zürich.
In dem Moment öffnet sich die Türe zum Geschäft. Ein Kunde erkundigt sich auf Englisch nach der Bedeutung der im Boden eingelassenen Platten am Spalenberg. Das sei der Basler «Walk of Fame», erklärt Wanner. Der Kunde will wissen, wann er, Johann Wanner, denn auch eine Platte bekommt, doch der Befragte winkt ab. «Darüber spekuliere ich nicht.»
Vor der Fassade seines Geschäfts interessiere ihn ohnehin anderes, als eine Platte im Boden. Wanner beugt sich vor dem Schaufenster herunter. «Sehen Sie», sagt er, «mit diesen Rückständen betreiben wir Marktwirtschaft.» Auf Kinderhöhe kleben Nasen- und Fingerabdrücke an der Scheibe, sie dienen Wanner als untrügliche Indizien darauf, was bei den kleinsten Kunden am besten ankommt.
Es ist dies eine sinnbildliche Lektion eines Geschäftsmanns, der ein überzeugendes Konzept dafür gefunden hat, marktwirtschaftliches Kalkül mit einer Ökonomie der Freude zu verbinden.