«Das sind gute Leute, die brauchen wir hier»

Eine Woche lang widmete sich die TagesWoche dem Kanton Jura. Im Interview erklärt der Basler Regierungspräsident Guy Morin, wieso der Jura für ihn und die gesamte Region Basel so wichtig ist.

Ein Jurafreund, von klein auf: Guy Morin, Regierungspräsident von Basel-Stadt. (Bild: Keystone)

Welcher Kanton für den Berner Jura der beste ist, mag der Basler Regierungspräsident Guy Morin nicht beurteilen. Umso lieber schwärmt er aber über seine alte Liebe – die Höhen des Juras. Und die Zusammenarbeit von Basel-Stadt mit dem Kanton Jura.

Herr Morin, welche Beziehung haben Sie zum Jura?

Ich bin im Kanton Neuenburg aufgewachsen. Von dort aus gingen wir selbstverständlich häufig in den Jura wandern. Und auch den 1. August haben wir immer auf den Jurahöhen gefeiert.

Machten Sie das gerne – mit den Eltern im Jura wandern? Das begeistert ja nicht unbedingt alle Kinder.

Mich schon. Die Landschaft ist wunderbar, nicht nur zum Wandern, sondern auch zum Langlaufen oder zum Baden, im Etang de la Gruère. Traumhaft! Umso glücklicher macht es mich auch heute noch, dass ich im Jura Verwandte und Bekannte habe, die ich mit meiner Familie regelmässig besuchen kann.

Der Jura ist schön, gewiss. Aber hat er auch wirtschaftlich etwas zu bieten? Von einer Zusammenarbeit verspricht sich Basel-Stadt ja gerade in dieser Hinsicht einiges.

Der Jura war nicht zufällig das Zentrum der Uhrenindustrie. Die Jurassier wissen, wie man sorgfältig arbeitet und etwas zustandebringt.

Gut, aber die hohe Zeit der jurassischen Uhrmacherkunst liegt ja auch schon eine Weile zurück.

Stimmt. Das ändert aber nichts daran, dass der Jura auch heute noch extrem wichtig ist für die Region Basel. Dieser Kanton ist für uns das Bindeglied zur Westschweiz. Und er ist stark auf Basel ausgerichtet. Dank der S-Bahn und der H 18 gibt es einige Jurassier, die in Basel arbeiten. Das sind gute Leute, die brauchen wir hier.

«Die Jurassier sind sehr offen. Das liegt in ihrer Kultur.»

Und warum ist der Jura sonst noch wichtig für uns?

Ganz im Gegensatz zu Basel gibt es im Jura sehr viel freien Platz für neue Unternehmen wie auch für Menschen, die dort leben möchten. Entsprechend offen ist auch die jurassische Regierung Basel gegenüber. Das ist schon ein sehr spezielles Verhältnis mit diesen Regierungsräten.

Mit den Baselbietern tun Sie sich ja manchmal nicht ganz so leicht. Sind die Jurassier einfacher?

Sagen wir es so: Die Jurassier sind sehr offen. Das liegt in ihrer Kultur. Sie leben ganz bewusst in mehreren Kulturen, an der Grenze der Romandie zur Deutschschweiz und der Sprachgrenze, in der Bilingualität.

Dennoch: In den grossen Basler Pharmaunternehmen spricht man Englisch, nicht Französisch.

Das ist vielleicht schon so. Es wäre aber grundfalsch, wenn Englisch Französisch in einem Wettbewerb der Sprachen verdrängen würde. Wir Deutschschweizer brauchen das Französisch genau gleich wie die Westschweizer Deutsch, damit wir uns richtig verstehen. Wenn wir diese Fähigkeit verlieren, verlieren wir auch ein Stück unserer eigenen Kultur.

Übertreiben Sie jetzt nicht ein wenig?

Überhaupt nicht. Der Jura war früher ein Teil des Bistums Basel, und im Mittelalter unterhielt unsere Stadt auch mit Mulhouse beste Beziehungen. Im Regierungsratssaal hängt darum seit dem 16. Jahrhundert das Mülhauser Wappen an der Decke. Das alles hat eine grosse Tradition. Kein Wunder, sagt man in der Romandie auch heute noch, dass Basel die frankophilste Stadt der Deutschschweiz sei.

«Ich würde den Röstigraben jetzt ganz generell nicht tiefer machen, als er ist.»

Vielleicht auch, weil Basel-Stadt und die Romandie bei eidgenössischen Abstimmungen regelmässig gleich abstimmen – und gemeinsam verlieren?

Pfffff. Ich würde den Röstigraben jetzt ganz generell nicht tiefer machen, als er ist. Es gibt ja auch Politologen, die sagen, der entscheidende Gegensatz in der Schweiz sei der zwischen Stadt und Agglomeration. Ich persönlich würde aber auch das nicht überbewerten. Ich sage: Es geht nur gemeinsam. Die Stadt braucht das Land und umgekehrt. Das gilt ganz speziell auch für Basel und den Jura.

Und die Menschen? Waren sie sich früher nicht sehr viel näher als heute? Vor ein paar Jahren gab es noch einige Deutschschweizer, die ein Welschlandjahr absolvierten…

…und heute geht man in die USA, nach Kanada oder Australien. Die Mobilität hat sich extrem erhöht, klar, aber das heisst nicht, dass man die Nachbarn vernachlässigen darf. Die Zukunft heisst Trilingualität. Auch meine Tochter schliesst ihr Studium auf Deutsch, Französisch und Englisch ab. Wer andere Sprachen kennenlernt und damit auch andere Kulturen, der profitiert nicht nur persönlich extrem. Der hat auch in der Wirtschaft die besten Perspektiven.

«Die SBB dürfen nicht immer alles nur auf die Verbindung zwischen Ost und West ausrichten.»

Ist die Realität nicht eine andere? Die SBB dünnt die Verbindungen zwischen Basel, Delémont, Biel, Lausanne und Genf spürbar aus. Ist das nicht schon fast ein symbolischer Akt?

Das macht mir auch Sorgen, klar. Es kann nicht sein, dass diese wichtige Linie geschwächt wird. Die SBB dürfen nicht immer alles nur auf die Verbindung zwischen Ost und West ausrichten. Darum bin ich froh, dass die Parlamente der beiden Basel in dieser Hinsicht weiter Druck machen. Immerhin gab es vom Bund ja auch schon positive Signale: dass nach dem Ausbau des Bahnhofs in Lausanne und der Strecke nach Renens wieder mehr Züge auf der ganzen Linie verkehren.

Basel-Stadt präsentierte sich zusammen mit dem Jura schon am Comptoir Suisse und an der Olma. Im nächsten Jahr folgt nun ein Auftritt am Marché Concours. Passt eine Stadt wie Basel, die sonst gerne in Kapitalen wie Moskau und Schanghai für sich wirbt, auch in einen Ort wie  in Saignelégier?

Das passt bestens. Wir müssen dort ja auch nicht plötzlich so tun, als wären wir ein Bauern- und Rosskanton, und mit allen – schätzungsweise – 20 Pferden aufmarschieren, die unser Kanton hergibt. Das habe ich auch meinen Mitarbeitern so gesagt: Wir geben uns dort einfach so, wie wir sind. Man wird sich schon sympathisch sein.

Die eine oder andere Chaise sollten sie von der Fasnacht her aber schon noch auftreiben können.

Gute Idee. Vielleicht könnten wir ja auch als «Junteressli» auftreten.

Interessant. Aber jetzt mal ehrlich: Was bringen diese gemeinsamen Feste, ausser ein paar lustige Stunden für die Regierungsräte?

Diese Zusammentreffen sind eine ganz wichtige Tradition der Schweiz. Sie zeigen den Zusammenhalt über alle Kantons- und Sprachgrenzen hinweg und festigen ihn auch. Und selbstverständlich sind sie auch vom menschlichen Aspekt her wichtig: Sie bringen die Menschen näher und fördern das gegenseitige kulturelle Verständnis.

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