Johannes Willi spielt selbst kein Instrument. Trotzdem hat der Basler Künstler nun 49 Stück gebaut – mit Materialien aus dem Baumarkt und einer Wikipedia-Anleitung. Darauf spielen diesen Samstag die Musiker der Lucerne Festival Academy.
Mit dem Wettbewerb «Soundzz.z.zzz…z» fördern das Lucerne Festival und das Kunstmuseum Luzern gemeinsam die Verbindung zwischen visuellem Ausdruck und Klang: Junge Künstler sind jährlich aufgefordert, zum Festivalthema ein Projekt zu entwickeln. Heuer lautet das Motto Humor, und der Gewinner ist der 32-jährige Basler Johannes Willi.
Für seine Arbeit «Beethovens Fünfte Sinfonie» baute er mit Baumarkt-Material nach Gutdünken und ohne Vorwissen die Instrumente, die ein Orchester für die Aufführung der «Schicksalssinfonie» braucht. All die Geigen, Trompeten und Pauken sind seit zwei Wochen im Kunstmuseum Luzern zu bestaunen. Als Höhepunkt bringen die Musikerinnen und Musiker der Festival-Akademie den Klassiker am 29. August im grossen Konzertsaal des KKL Luzern auf die Bühne. Welche Tücken diese Kooperation birgt, wollen wir vom jungen Basler Künstler im Gespräch wissen.
Johannes Willi, wussten Sie, dass 1808 die Uraufführung der «Fünften Sinfonie» für Beethoven sehr unerfreulich verlaufen ist, weil die Musiker nicht genügend geübt hatten?
Nein, das wusste ich nicht. Ich finde es aber super, denn genau das wird in Luzern wieder passieren.
Beethoven wäre wieder enttäuscht?
Nein. Die Musiker werden wieder an ihre Grenzen stossen.
Wie haben Sie das Orchester denn vorbereitet?
Vor zwei Monaten habe ich erstmals den Dirigenten in meinem Atelier getroffen. Zusammen mit Vertretern des Festivals und des Kunstmuseums wollten wir austauschen, was wir uns unter dem Projekt jeweils vorstellen. Da habe ich gemerkt, dass die Arbeit viel intensiver wird, als ich mir das vorgestellt habe. Ich realisierte, dass sie nicht damit getan ist, dass ich fünfzig Instrumente baue und sie den Musikern zur Verfügung stelle.
Wann wurde Ihnen das klar?
Sehr bald. Der Dirigent sagte als Erstes: «Das geht nicht!» Es sei ja ein lustiges Projekt, und er würde eigentlich gerne mitmachen. Im Konzert aber sei der Gag nach zwei Minuten durch, und ab dann wärs einfach nur noch doof. Vor diesem Szenario wollte er uns schützen. Nach zwei Monaten Instrumentebauen stand ich also vor einer neuen Arbeit: dem Dialog mit dem Dirigenten. Ich wollte, dass er meine Idee versteht.
Gleichzeitig arbeiten Sie im Rahmen eines altehrwürdigen Musik-Festivals mit der hauseigenen Akademie im weltberühmten Konzertsaal unter der Beobachtung des nationalen Fernsehens.
Als Künstler kann ich mir die Freiheit nehmen, nichts zu erklären und keine Fragen zu beantworten – ich kommuniziere mit meinem Kunstmedium. Andererseits gehört die Öffentlichkeit zu diesem Projekt, und es ist schön, wenn die Menschen sich dafür interessieren. Viele Gedanken mache ich mir aber nicht. Den Umgang mit der Öffentlichkeit habe ich schon vor zehn Jahren gelernt, als ich bei «Viva» moderiert habe. Diese Erfahrung prägte mich. Und meine künstlerische Arbeit beinhaltet immer Öffentlichkeit.
Können Sie noch ein Beispiel machen?
Einmal habe ich für eine Minipic-Kampagne gemodelt und wurde anschliessend überhäuft von begeisterten Reaktionen von Freunden und Bekannten, die mich auf den Plakaten gesehen haben. Da wurde mir so richtig bewusst, wie wichtig uns Menschen mediale Öffentlichkeit ist. Darum habe ich die Werbeplakate gerahmt und ausgestellt.
Die Minipic-Werbung.
Was hat Sie zu der Arbeit in Luzern inspiriert?
Das weiss ich nicht mehr. Mich interessiert schon lange das Spannungsfeld zwischen Dilettant und Profi, zwischen handwerklichem Können und künstlerischer Praxis. Ich wollte schon lange Instrumente für ein Orchester bauen – die Idee war nicht neu.
Rein optisch geben die Instrumente einiges her. Wie haben Sie sich Ihr dilettantisches Können angeeignet?
Ausser einem minimen handwerklichen Vorwissen habe ich nichts mitgebracht, ich spiele auch kein Instrument. Vom Orchester erhielt ich die Liste der Instrumente, die ich bauen sollte: 49 Stück. Vier Monate hatte ich dafür Zeit. Erst ging ich in den Kunstbetrieb im Walzwerk in Münchenstein, merkte aber schnell, dass ich hier nicht fündig würde. Der Kerl hat mich hinter das Haus geschickt: Dort seien ein paar junge Handwerker, die mir vielleicht weiterhelfen könnten. Daraus entstand eine schöne Zusammenarbeit. Die zielgerichtete Herangehensweise der Handwerker inspirierte mich sehr. Angefangen hab ich mit der Geige – die schien mir am ehesten machbar. Auf Wikipedia stand, wie lang sie ist, mit dem Foto hab ich die Dimensionen eingeschätzt. Wikipedia und ein Foto, mehr nicht. Ich wollte von der Oberfläche auf das Innere schliessen – das mir oberflächlich Bekannte aufbauen lernen. Der Dialog zwischen Künstler und Handwerker war eine Bereicherung für beide Seiten. Genau das erhoffe ich mir jetzt auch hinsichtlich des Konzertes in Luzern: dass alle Beteiligten sich gegenseitig den Raum geben, in dem Neues entstehen kann.
Und was machen Sie nach Luzern?
Ich will weiter Dinge tun, die ich noch nie getan habe und von denen ich nicht weiss, ob sie funktionieren. Ich will mich immer wieder in Situationen bringen, in denen ich keine Ahnung habe, was passiert. Das reizt mich an meinem Leben. Sonst könnte ich es mir sehr gemütlich einrichten hier in der Schweiz.
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Ausstellung im Kunstmuseum Luzern, bis 13. September 2015.
Performance «Beethovens Fünfte Sinfonie», KKL Konzertsaal, Samstag, 29. August, 11 Uhr. Eintritt frei.
Johannes Willi ist nicht der einzige Basler, der aktuell in Luzern ausstellt. Im Kunstmuseum Luzern findet man zudem gerade Werke von Clare Kenny, Edit Oderbolz und Esther Meier. Noch bis zum 11. Oktober. Und im Kunstraum sic! stellt der nomadische Basler Offspace deuxpiece Werke von Louise Guerra aus. Vernissage ist am Samstag, 29. August, 11–18 Uhr, danach läuft die Ausstellung bis 13. Oktober.