«Der Turm ist wie eine Faust aufs Auge»

Die Geister scheiden sich am Claraturm. Für Andreas Bernauer, der das Referendum dagegen ergriffen hat, dient das Projekt allein der Spekulation. Ganz anders sieht es Dani Jansen vom Pro-Komitee. Ein Streitgespräch mit Klagedrohung.

Dani Jansen setzt sich für das Projekt der UBS ein, Andreas Bernauer wehrt sich vehement dagegen. (Bild: Nils Fisch)

Die Geister scheiden sich am Claraturm. Für Andreas Bernauer, der das Referendum dagegen ergriffen hat, dient das Projekt allein der Spekulation. Ganz anders sieht es Dani Jansen vom Pro-Komitee. Ein Streitgespräch mit Klagedrohung.

Am 24. November entscheidet das Basler Stimmvolk darüber, ob in unmittelbarer Nähe zum Messeplatz der Claraturm entstehen soll. Konkret geht um den Bebauungsplan, der für den 96 Meter hohen Turm notwendig ist. Gegen den Grossratsbeschluss vom Juni 2013 hat Andreas Bernauer, Besitzer der Piano-Bar, das Referendum ergriffen. Der Abstimmungskampf ist derzeit im vollen Gange und wird mit harten Bandagen geführt. So wirft das Pro-Komitee den Gegnern unter anderem vor, falsche Visualisierungen zu verbreiten.

Höchst emotional ging es auch in der Piano-Bar vor kurzem zu und her, als sich Andreas Bernauer und Dani Jansen zum Streigespräch trafen. Verkehrter konnte die Welt an diesem Morgen gar nicht sein. Auf der einen Seite Bernauer mit Blazer und geschniegelter Frisur, der gegen die «böse UBS» wettert. Auf der anderen Seite Jansen, Betriebsleiter der Aktienmühle und ehemaliger SP-Grossrat im Pulli und Käppchen, der das Projekt vehement verteidigt. Die beiden Herren schenkten sich nichts, auch mit einer Klage wurde gedroht.

Herr Bernauer, wieso wehren Sie sich derart hartnäckig gegen den Claraturm, wollen Sie Ihre Bar bewahren?

Bernauer: Meine Bar könnte ich irgendwo aufmachen. Sie ist nicht historisch, das Ensemble aber schon. Der Turm passt nicht hierher und das Projekt dient nur der Spekulation. Zudem wurde die Bevölkerung nicht wirklich von der UBS über das Projekt informiert – man wollte den Ball bewusst flach halten.

Jansen: Seit 2007 gibt es dieses Projekt, das mehrmals den Medien vorgestellt wurde. Die Mieter in den Warteck-Häusern hatten nur befristete Verträge. Man wusste sehr wohl, was an diesem Ort geschehen soll. Und der Turm würde sich gut in dieses Umfeld einfügen. Vor allem jetzt, wo der Messeneubau steht. Denn der Turm würde den Messeriegel ein Stück aufheben.

Bernauer: Der Turm ist wie eine Faust aufs Auge! Die Historik geht dadurch verloren. Wenn ich mit Historikern rede, haben sie wegen des Abbruchs Tränen in den Augen, weil sie es schade finden. Herr Riccardo Boscardin von der UBS hätte dies nicht, wenn er den Turm nicht bauen könnte. Für ihn ist das Projekt eh nur ein weiteres Spielfeld. Als der Badische Bahnhof vor 100 Jahren von diesem Ort wegzog, wollte man das Gebiet öffnen. Nun macht man aber mit dem Turm das Gegenteil davon.

«Meine Bar könnte ich irgendwo aufmachen. Sie ist nicht historisch, das Ensemble aber schon.»

Die Warteck-Häuser entstanden 1860 und wären deshalb doch erhaltenswert, Herr Jansen?

Jansen: Ich bin klar dafür, dass das Historische in der Stadt bewahrt wird. Aber der Badische Bahnhof ist schon seit 100 Jahren nicht mehr an diesem Ort. Man muss mit der Zeit gehen. Nostalgie ist hier fehl am Platz. Der Turm würde die Geschichte Basels nicht zunichte machen, wie Herr Bernauer immer wieder behauptet. Die Basler Geschichte lässt sich nicht an dieser Ecke festmachen. Es gibt geschichtsträchtigere Orte in dieser Stadt. Diese Behauptung ist total an den Haaren herbeigezogen – wie viele Argumente von Ihnen, Herr Bernauer. Sehen Sie sich doch um und sagen Sie mir, was von der Geschichte Basels hier noch übrig bleibt.

Bernauer: Nur weil jetzt der Messeneubau hier steht, heisst das noch lange nicht, dass wir per se mit Neubauten weitermachen müssen. Das Messezentrum wird total belächelt – und wir bauen trotzdem so markant weiter? Das ist doch blauäugig und schade für unsere Nachkommen. Wenn wir diesen historischen Fleck aufbrechen, könnten wir auch gleich auf dem Münsterplatz einen Turm bauen.

Jansen: (verdreht die Augen)

Im Claraturm würden 170 Wohnungen entstehen, im Gegenzug verschwinden aber 40 günstige Wohnungen. Somit geht noch mehr bezahlbarer Wohnraum in Basel verloren.

Jansen: Die Wohnungen sind in gewissen Häusern in einem miserablen Zustand. Etwa 30 Prozent davon sind Ein- bis Zweizimmerwohnungen, die nicht mal eine Küche haben. Das waren früher Angestelltenzimmer für das Restaurantpersonal. Heute braucht das niemand mehr. Man kann deshalb nicht wirklich von Wohnungen sprechen. Die 170 Wohnungen im Claraturm hingegen würden den angespannten Wohnungsmarkt in Basel entlasten.

Bernauer: Diese 170 Wohnungen sind doch ein Tropfen auf den heissen Stein. Das sind nicht Wohnungen, die wir brauchen. Das werden schlussendlich Wohnungen für Messeaussteller oder Roche-Angestellte sein. Und die Historik muss darunter leiden. Ausserdem stimmt es nicht, dass diese Wohnungen in einem miserablen Zustand sind. Der Grundriss der Wohnungen ist wunderbar. Und wenn man die Liegenschaften jahrzehntelang wie eine Zitrone auspresst und nicht mehr investiert, ist es doch klar, dass gewisse Sachen marode sind. Dass die Ableitungen heute verrostet sind, erstaunt nicht, wenn man 15 Jahre nichts macht. Man kann die Wohnungen alle sanieren, man muss es nur wollen und ein bisschen investieren. Das sind schöne Altbauwohnungen, die wie warme Brötchen weggehen würden.

Das Kleinbasel ist das am dichtesten besiedelte Quartier der Schweiz. Auch Projekte wie die Landhof-Überbauung wurden abgelehnt. Macht es denn Sinn, hier noch mehr zu verdichten?

Jansen: Mir ist bewusst, dass das Quartier dichtbesiedelt ist und es hier nicht mehr viel Platz gibt. Dennoch bin ich der Meinung, dass es eine Verdichtung an dieser Ecke erträgt. Zudem würde der Turm den Messeplatz, auf dem nur während den Messen etwas los ist, beleben. Wenn mehr Leute hier wohnen, wird auch der Messeplatz lebendiger. Ich will nicht sagen, dass das Gebiet unsicher ist, aber es ist schon ein dunkle Ecke.

Bernauer: (lacht laut) Das ist ein lächerliches Argument und total an den Haaren herbeigezogen. Da finde ich mein Argument mit den Kaltbetten besser: Die Wohnungen im Claraturm werden dann während der Baselworld etagenweise von Uhrenfirmen gemietet.

«Wenn mehr Leute hier wohnen, wird auch der Messeplatz lebendiger.»

Wie kommen Sie darauf?

Bernauer: Ich bekomme während der Baselworld immer wieder Anfragen von renommierten Uhrenfirmen, die mein ganzes Lokal mieten wollen. Sie würden 50’000 bis 100’000 Franken dafür zahlen. Das müssen Sie sich mal vorstellen! Ich lehnte immer ab, denn meine Beiz soll für die Bevölkerung offen sein. Ich will nicht meine Stammgäste mit solchen Aktionen vertreiben. Und wenn die Aussteller mein Lokal mieten wollen, würden sie auch die Wohnungen im Claraturm mieten wollen. Das wird passieren. 2500 Franken für eine Wohnung sind für diese Firmen doch nicht der Rede wert, sie werden viele Etagen mieten. Das ist alles reine Spekulation. Die UBS sitzt in ein fettes Nest rein. Sie investieren für 20 Jahre und verschwinden dann wieder.

Jansen: Aber Herr Bernauer, mir scheint, Sie kennen sich in der Finanzwelt nicht gerade gut aus. Spekulationen dauern nicht 20 Jahre. Bei 20 Jahren spricht man doch von einem längerfristigen Engagement. Spekuliert wurde auf dem Erlenmatt-Areal oder mit der Markthalle. Dort haben einige Firmen mit Weiterverkaufen Millionen Franken Gewinn gemacht. Aber darüber müssen wir nicht mehr diskutieren. Das Volk weiss, was Spekulation bedeutet. Und ausserdem werden die Wohnungen an Privatpersonen vermietet, nicht an Firmen. Der Eigentümer ist nicht daran interessiert, dass es kalte Betten gibt. Zudem kosten die Wohnungen im Claraturm nicht 2500 Franken, sondern 1300 bis 1700 Franken für die üblichen Grössen. Sie müssen nicht mit falschen Zahlen argumentieren. Sie verbreiten die ganze Zeit Falschmeldungen. So haben Sie Bilder herumgeschickt, die den Claraturm viel grösser darstellen als er sein wird. So führt man keinen Abstimmungskampf.

Bernauer: Unwahr ist höchstens, wenn im Ratschlag der Regierung mit keinem Wort erwähnt wird, dass das Warteck-Geviert im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbildern der Schweiz (Isos) aufgenommen wurde. Und Herr Jansen, ich glaube, Sie wissen nicht, was ich bin. Ich war mal Wirtschaftsprüfer bei Ernst+Young. Und ich habe aufgehört dort, weil ich in die ganzen Machenschaften hineingesehen habe. Ich habe gesehen, wie Bilanzen frisiert und Boni ausgeschüttet werden. Ich hab es eins zu eins gesehen und hatte genug davon. Ich bleibe dabei: Die UBS will nur Rendite machen mit dem Turm. Das ist nur Spekulation. Deshalb finde ich die 1:12-Initiative eigentlich noch interessant. Die Gewinnmaximierung von Firmen gehen mir nämlich auf den Keks. Man muss den Raubritterzügen mal Paroli bieten. Darum müssen wir auch Nein zum Claraturm sagen, weil er nur der Spekulation dient.

 

«Es ist das erste Mal, dass die UBS von linken Kreisen unterstützt wird. Heutzutage ist man Diener der UBS.»

Sie argumentieren wie ein SPler.

Bernauer: Ich bin in keiner Partei. Aber ich finde es schon lustig, dass Leute, die jetzt für die 1:12-Initiative sind und sich somit gegen die Machenschaften der modernen Raubritterzüge wehren, den Claraturm unterstützen und Spekulationen fördern. Das kann ich nicht verstehen.

Jansen: Das eine hat doch nichts mit dem anderen zu tun! Das Projekt ist sinnvoll. Punkt.

Die Warteck-Häuser werden laut der Bauherrschaft sowieso abgerissen. Das kann auch ihre angekündigte Initiative, die die Warteck-Häuser unter Schutz stellen will, wohl nicht verhindern.

Bernauer: Dass die UBS so was behauptet, finde ich eine bodenlose Frechheit und arrogant. Sie respektieren den Volkswillen nicht. Wir haben heute einen ganz anderen Stand. Denn vor zwei Jahren wurde das Gebäudeensemble ins Bundesinventar für schützenswerte Ortsbilder aufgenommen. Das hätte im Ratschlag berücksichtig werden sollen. Wir müssen deshalb schauen, wie richtig der Ratschlag noch ist. Man kann nicht einfach das Bundesinventar umgehen.

Jansen: Die UBS hat das Referendum respektiert. Sie missachtet den Volkswillen also nicht.

Bernauer: Das ist das erste Mal, dass die UBS von linken Kreisen unterstützt wird…

Jansen: Nein. Es geht nicht um die UBS. Es geht um das Projekt, Herr Bernauer! 

Bernauer: (lacht) Heutzutage ist man eben Diener der UBS.

Jansen: Ich würde mit solchen Ausdrücken aufpassen. Ich bin kein Diener der UBS. Ich wurde schon auf Facebook von Ihnen so betitelt. Und das will ich nicht mehr, sonst gibt es eine Unterlassungsklage.

Bernauer: Nur zu.

Jansen: Also zurück zum Thema: Ja, das Warteck-Ensemble befindet sich im Bundesinventar für schützenswerte Ortsbilder. Das Inventar hat aber auf Kantonsebene nur empfehlenden Charakter. Und das Appellationsgericht hat sich 2008 gegen die Schutzwürdigkeit der Häuser entschieden. Dieses Gerichtsurteil steht über den Empfehlungen des Bundes.

Bernauer: Aber man hätte diese Tatsache im Ratschlag berücksichtigen müssen.

Jansen: Nein, weil das Appellationsgericht in dieser Sache bereits entschieden hat.

«Aber Herr Bernauer, mir scheint, Sie kennen sich in der Finanzwelt nicht gerade gut aus.»

Mit Ihrer angekündigten Initiative würden Sie, bei einem allfälligen Ja zum Claraturm am 24. November, den Volkswillen missachten.

Bernauer: Es ist die UBS, die den Volksentscheid nicht akzeptiert, wenn sie sagt, sie würde die Häuser sowieso abreissen. Ich sage Ihnen: Wir werden das Projekt auch nach der Abstimmung mit allen Mitteln versuchen zu torpedieren. Wir können auch die UBS in die Knie zwingen, das spielt keine Rolle. Denn die Historik muss bestehen bleiben.

Jansen: Sie können die Initiative schon machen. Am Schluss wird sie vom Grossen Rat für ungültig erklärt. Denn man kann einen Gerichtsentscheid nicht mit einer Initiative aufheben. Bei einem Ja zum Claraturm sollten sie den Volksentscheid akzeptieren, und nicht «weitertäubele».

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