«Die Architektur ist die Voraussetzung»

Ines Goldbach ist seit dem 1. August Direktorin des Kunsthauses Baselland. Im Interview erzählt sie, weshalb sie stärker auf Vermittlung setzen will und was sie von einem Umzug auf den Dreispitz erwartet.

Ines Goldbach tritt ihren Posten als Direktorin des Kunsthauses Baselland mit vielen Ideen an. (Bild: Nils Fisch)

Ines Goldbach ist seit dem 1. August Direktorin des Kunsthauses Baselland. Im Interview erzählt sie, weshalb sie stärker auf Vermittlung setzen will und was sie von einem Umzug auf den Dreispitz erwartet.

Noch befindet sich in den Räumen des Kunsthauses Baselland die letzte kuratierte Ausstellung der ehemaligen Direktorin Sabine Schaschl. Mittendrin sitzt jedoch Ines Goldbach, die neue Direktorin, die am 1. August ihre Stelle angetreten hat. Ab Oktober muss sie das Programm gestalten – eine sehr kurze Zeitspanne im Museumsbusiness.

Frau Goldbach, viel Zeit zum Eingewöhnen haben Sie nicht…

Nein, ich wusste ja aber schon im Frühling, als man mir die Stelle zusprach, dass der Ausstellungskalender ab Ende September leer ist – zumindest bis Ende November, wenn die Regionale anfängt.

Haben Sie es denn geschafft, in der kurzen Zeit eine Ausstellung für die Wochen dazwischen auf die Beine zu stellen?

Ja, zum Glück! Ich fand es ganz wichtig, dass ich mit etwas starte, was mir entspricht. Die Frage war: Was will ich mit diesem Instrument Kunsthaus machen? Was könnte meine Linie sein?

Und die Antwort darauf ist?

Ich will mit dem Ort, mit der Architektur, die ja die Voraussetzung ist, arbeiten. Ich möchte die Künstler dazu animieren, spezifisch etwas für diesen Ort zu schaffen. Das wäre mein Wunsch, dass – neben dem, dass man Kunst erfahren kann – es ein Ort ist, wo Kunst entstehen kann. Es ist mir zudem wichtig, mit dem Ort Basel-Baselland zu arbeiten. Aus diesem zweiten Gedanken heraus bin ich nun gestartet: Würde ich in einem Museum beginnen, dann würde ich wohl etwas mit der Sammlung machen. Hier aber haben wir keine «echte» Sammlung, doch es gibt eine kantonale Videosammlung: dotMov.bl. Und diese Sammlung möchte ich nun sichtbar machen.

Daher der Ausstellungstitel «Making Visible»?

Genau. Das eine ist, dass wir diese Werke von Pionieren der Schweizer Videokunst haben, das andere, dass man diese nicht wirklich erfahren kann. Zwar kann man sich die Videos an der Medienstation hier bei uns im Haus auf dem Computerbildschirm angucken, aber ein Teil der Werke funktioniert auf dem Flatscreen nicht, sondern sie brauchen die alten Röhrenbildschirme, weil die Werke dadurch etwas Skulpturales erhalten. Oder es handelt sich um Mehrfachprojektionen oder ähnliches. Das adäquate Sichtbarmachen solcher Arbeiten soll deshalb nun im Vordergrund der Ausstellung stehen.

«Eine Ausstellung erlebt man ja meist einfach so im Durchgehen. Ich möchte aber, dass die Leute sich länger und stärker damit auseinandersetzen können.»

Sie können ja aber nur einen kleinen Teil der Sammlung zeigen. Bleibt der grosse Rest im Computer verborgen?

Tatsächlich fristet der dotMov-Computer in der Medienecke ein einsames Dasein. Das möchte ich gerne ändern, ja. Es gibt zum Beispiel die Überlegung, dass ich mein Büro aufgebe und wir die Wand zum Sekretariat durchbrechen. Dann soll in meinem Ex-Büro die Bibliothek einziehen, mehr Raum für dotMov entstehen – und mehr Durchlässigkeit. Es ist mir wichtig, dass diese Werke mehr Beachtung erhalten und ihre Erfahrung verbessert werden kann.

Ist Ihnen Vermittlung allgemein wichtig?

Sehr. Man hat ja einen sehr grossen Aufwand, wenn man eine Ausstellung konzipiert und aufbaut, und am Schluss steht die da und sieht fertig aus. Eigentlich aber beginnt die Arbeit erst dann. Eine Ausstellung erlebt man ja meist einfach so im Durchgehen. Ich möchte aber, dass die Leute sich länger und stärker damit auseinandersetzen können. Hierfür habe ich bereits eine Reihe von unterschiedlichen Ideen und konkreten Projekten. Sicher werde ich auf die klassischen Vermittlungsangebote wie Führungen setzen, aber auch für Kinder und Schulen möchte ich das Angebot verbessern. Oder auch Kreativworkshops durchführen. Da wünsche ich mir, dass Künstler aus der Region diese durchführen – sie können vielleicht Kreativität noch ein bisschen anders vermitteln.

Die regionale Kunstszene wird also aktiv eingebunden in Ihr Konzept – auch in das der Ausstellungen?

Sicher. Wir haben ja auch einen Kulturauftrag, da ist es sehr wichtig, dass das regionale Schaffen hier seinen Platz findet. Und man muss den ganz jungen Künstlern eine Chance geben. Zudem kann man sich ja heutzutage auch fragen, was regional, national, international überhaupt heisst: ein aus Basel stammender Künstler wohnt in New York, die Zürcherin dafür in Basel. Was ist nun regional?

«Die Räume hier haben eine Ehrlichkeit. Und viel Potenzial.»

Wird es denn bestimmte Gefässe für die regionale Kunst geben?

Ich hab mir schon überlegt, ob ich zum Beispiel bestimmte Räume festlege – wie das bis anhin auch der Fall war. Aber ich finde es wichtig, zuerst zu überlegen, wen ich einladen möchte und warum, und dann, welchen Raum dieser Künstler dafür braucht. Man darf ja auch nicht vergessen, dass viele Künstler ganz stark mit dem Raum arbeiten. Der Raum ist also nicht nur eine Hülle, sondern die Voraussetzung für etwas. Er kann auch eine Herausforderung sein, die Einfluss auf die Arbeit nimmt und neue Möglichkeiten eröffnet – jene des Scheiterns inbegriffen.

Sehen Sie selbst als Kuratorin die räumliche Aufteilung des Kunsthauses als Herausforderung?

Mich reizt sie eher. Die Räume hier sind natürlich sehr unterschiedlich. Sie haben keine einfache Struktur. Doch sie haben als alte Fabrikräume auch eine dienende Funktion, das finde ich an ihnen unheimlich charmant. Sie haben eine Ehrlichkeit. Und viel Potenzial.

Diese Räume jedoch sollen in nicht allzu ferner Zeit in Richtung Dreispitz verlassen werden.

Wir haben den grossen Wunsch, dass das bald klappt, ja. Aber es gibt noch nichts Spruchreifes dazu zu vermelden (Mehr dazu im Artikel «Die Besucher im Fokus»).

Wie nehmen Sie die Pläne für den Kunstcampus auf dem Dreispitz wahr?

Ich hab das Projekt schon länger mitverfolgt, und es ist eine sehr spannende Überlegung, wie man etwas am besten bündelt: Was sind Vor-, was sind Nachteile. Sehr attraktiv für uns finde ich zum Beispiel, dass die Hochschule für Kunst und Gestaltung dort einzieht. Den Austausch, der so entstehen kann, finde ich sehr reizvoll. Das Wichtigste aber, wenn wir diesen Schritt machen wollen, ist, dass die Räume stimmig sind. Weil wie gesagt der Raum Voraussetzung ist, dass etwas entstehen kann. Wenn ich schlechte Räume habe, kann – platt gesagt – das beste Werk nicht zur Entfaltung kommen. Wir wollen also nicht leichtsinnig entscheiden.

Sie sind Deutsche, waren zuletzt in Schaffhausen tätig, wohnen im Moment noch in Zürich – wie ist Ihr Verhältnis zu Basel und zur regionalen Kunstszene denn?

Ich habe ja auch lange in Freiburg im Breisgau gewohnt, dort unter anderem studiert und war am Institut für Kunstgeschichte auch als Dozentin tätig. Ich kenne die Region deshalb recht gut. Basel ist mir schon sehr nahe, weil ich oft hier war, auch mit meinen Studenten, und mir beständig viel angesehen habe. Jetzt darf ich mittendrin sein und freue mich daher auf viele neue Entdeckungen.

Hilft Ihnen Ihr frischer Blick auch bei der Planung der «Regionalen», die aktuell ansteht?

Ich habe mich jetzt tatsächlich gerade zwei Tage lang zusammen mit der Künstlerin Dunja Herzog, die mir bei der Ausstellung hilft, durch rund 600 Dossiers gelesen. Aber man muss ja mit all dem in Berührung kommen, man muss sich da reinstürzen. Das ist auch unheimlich spannend. Und es braucht viel Offenheit. Die Dossiers sind mir aber wichtig, denn so wie ich das Konzept der «Regionalen» verstehe, soll es ja auch so sein, dass man Entdeckungen machen kann. Dass man als Ausstellungsmacher auch ganz Jungen eine Chance gibt, sich der Öffentlichkeit auszusetzen.

«Es gibt ja immer Vorgänger, und ich denke nicht in Richtung Konkurrenz oder Abgrenzung.»

Ganz grundsätzlich und nicht nur auf die «Regionale» bezogen: Wie entscheiden Sie, was Sie ausstellen wollen?

Man bringt immer Vorlieben mit. Aber ich würde mir von mir wünschen, dass ich die Offenheit behalte, und dass alle anderen dieselbe Offenheit mitbringen. Es wird mir sicher sehr wichtig sein, mir zu überlegen, wieso es Sinn macht, diesen oder jenen Künstler zu zeigen. Ich hoffe, dass ich immer gute Kunst zeigen werde – gute Kunst in dem Sinne, dass die Besucher etwas daraus ziehen können. Oder dass sie sagen: das hat mich überrascht und meinen Blick vielleicht etwas verändert…

Empfinden Sie es eigentlich als schwierig, das Erbe von Sabine Schaschl, die das Kunsthaus so stark geprägt hat, anzutreten?

Schwierig würde ich nicht sagen. Es ist toll, wo das Haus dank Sabine Schaschl und ihrem Team heute steht. Und das Tolle ist, dass man darauf nun aufbauen kann. Natürlich muss man zu allererst das Niveau halten. Doch diese gute Basis gibt einem auch die Chance, sich auf anderes konzentrieren zu können, wie eben nun u.a. auf den Bereich Vermittlung. Das ist wunderbar. Es gibt ja immer Vorgänger, und ich denke nicht in Richtung Konkurrenz oder Abgrenzung. Man sollte sich also nicht überlegen, was da war und was man besser machen sollte, sondern wohin man möchte – eben nach vorne.

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