Die Basler Stiftung Abendrot, die schon mehrere alternative Wohnprojekte realisiert hat, ist für die Besetzer eines Industrieareals in Zürich zum Feindbild geworden. Die Stiftung will auf dem Areal günstigen Wohnraum für Studenten und Pflegepersonal schaffen.
Beim Thema Häuserkampf gibt es normalerweise nur Gut und Böse. Je nach politischem Standpunkt sind die Besetzer kriminelle Chaoten und die Bauherren rechtschaffene Bürger; auf der anderen Seite betrachtet man die Besetzer als die Guten, die gegen profitgierige Spekulanten, also die Bösen, kämpfen.
Doch im Fall des besetzten Binzareals in Zürich ist die Sache plötzlich kompliziert. Denn dort will die Basler Stiftung Abendrot bauen, die Pensionskasse, deren Anlagepolitik «nicht nur Bonität und Rentabilität, sondern auch gesellschaftliche und ökologische Kriterien in den Vordergrund stellt». Nach diesen ethischen Grundsätzen ist denn auch die Immobilienstrategie der Stiftung Abendrot ausgerichtet.
Einen Namen gemacht hat sie sich vor allem durch den Aufkauf von Industriebrachen, die dann in Wohn- und Kreativ-Siedlungen umgewandelt wurden. So ist zum Beispiel das Basler Quartierzentrum Gundeldingerfeld ein Projekt der Stiftung Abendrot. Diese Bauherrschaft gehört also aus Sicht der Linken eindeutig zu den Guten, das macht die übliche Schubladisierung verzwickt. Wer sind denn nun die Guten, wer die Bösen? Wir haben den Geschäftsführer der Stiftung Abendrot, Hans-Ulrich Stauffer, zum Zürcher Projekt befragt.
Herr Stauffer, Sie gehören zu den Gründern der Stiftung Abendrot, der Pensionskasse, deren Anlagetätigkeit sich der Nachhaltigkeit und der Gerechtigkeit verschrieben hat. Und nun ist die Stiftung zum Feindbild der «Familie Schoch», den Besetzern des Binzareals in Zürich, geworden, weil die Stiftung dort eine Überbauung plant. Ist die Stiftung gerade dabei, Ihre Werte zu verraten?
Keineswegs. Ausgangspunkt des Ganzen ist, dass der Kanton Zürich als Eigentümer des Areals einen Wettbewerb ausgeschrieben hat – für ein Projekt, das eine gewisse soziale Komponente enthalten sollte. Wir haben uns mit dem Vorschlag beworben, dort 360 Studios für Studenten und das Pflegepersonal des Universitätsspitals zu errichten, und den Zuschlag erhalten. Unser Projekt beinhaltet auch die Verpflichtung, den Mietzins innerhalb des Preisrahmens von 500 Franken für ein möbliertes Studio zu halten. Wir denken, es ist ein vernüftiges Projekt, für dieses Zielpublikum im Umfeld grosser Wohnungsnot und hoher Mietzinse günstigen Wohnraum zu schaffen.
Bei den bisherigen Projekten wie dem Gundeldingerfeld oder dem ehemaligen Sulzer-Areal in Winterthur wurden die Zwischennutzer jeweils in der Planung miteinbezogen. Die Binz-Besetzer jedoch monieren, dass sie von der Stiftung aussen vor gelassen worden seien. Was stimmt denn nun?
Was die Besetzer behaupten ist schlicht falsch, sie zeigten sich nicht dialogbereit. Wir haben etwa vor einem Jahr eine gemeinsame Sitzung mit ihnen einberufen. Sie aber wollten nur teilnehmen, wenn gewisse Personen davon ausgeschlossen würden; mit denen würden sie nicht reden, sagten sie. Weil wir nicht darauf eingingen, lehnten sie das Gespräch ab.
Besonders verwerflich findet die «Familie Schoch», dass die Stiftung Abendrot gemeinsame Sache mit dem Unternehmer Werner Hofmann, einem SVP-Mitglied, mache. Was sagen Sie dazu?
Herr Hofmann suchte über eine andere Person den Kontakt zu uns. Dass er Mitglied bei der SVP ist, mag der Konstruktion eines Feindbilds dienen, hat für uns aber keine Bedeutung. Wir messen ihn an seinen Taten. Und ich muss sagen, dass er Studenten als Zwischennutzer im Hotel Atlantis eine Unterkunft bot, finde ich eine gute Sache. Hofmann ist heute nicht mehr involviert im Projekt. Er trat als Vermittler auf, der für seine Projektidee eine Bauherrin suchte und in uns gefunden hat.
Im «Tages-Anzeiger» wird Hans-Georg Heimann von der Basler Kontaktstelle für Arbeitslose, die bei der Stiftung versichert ist, mit den Worten zitiert, es passe nicht zu der Stiftung, alternative Lebensformen zu verdrängen. Gibt es noch mehr Kritik von Seiten der Versicherten?
Die Binzleute haben im letzten Herbst in einer Aktion alle bei uns versicherten Betriebe, die auf unserer Homepage aufgeführt sind, angeschrieben und sie zum Protest aufgefordert. Wir erhielten daraufhin genau zwei Briefe und drei Postkarten, bei zweien davon waren die Absender nicht identifizierbar. Die dritte Postkarte stammt, soweit ich mich erinnere, von Hans-Georg Heimann. Ihm und den beiden Briefschreibern haben wir geantwortet, ausserdem haben wir auf unserer Homepage eine Stellungnahme publiziert. Aber mehr Reaktionen haben wir nicht erhalten.
Letztes Jahr wurde die Stiftung von Leuten kritisiert, denen sie auf dem von ihr neu erworbenen Rietschiareal im Gundeli eine Zwischennutzung in Aussicht stellte, dann aber wieder absagte. Was ist an dieser Geschichte dran?
Ach, die ist längst erledigt. Da war auch nicht soviel dran, wie der Artikel in Ihrer Zeitung suggerierte. Der Grund, weswegen wir uns von den Plänen einer Zwischennutzung zurückzogen, ist schnell erklärt: Wir hätten gemäss Baudepartement soviele bauliche Auflagen erfüllen müssen – beispielsweise Fluchtwege einbauen –, dass die Hürden für eine Zwischennutzung einfach zu gross waren. Und natürlich zu teuer. Es ist aber verständlich, dass diejenigen, die von einer möglichen Zwischennutzung erfahren und bereits Pläne und Ideen geschmiedet hatten, enttäuscht waren.
Ist der Rückzug aus dem Zürcher Binz-Projekt eine Option für die Stiftung?
Um es noch einmal klar zu sagen: Besitzer des Areals ist und bleibt der Kanton Zürich, wir würden mit ihm einen Baurechtsvertrag eingehen. Dieser Vertrag ist noch nicht unterschrieben. Und falls der Kanton Zürich zum Schluss kommen sollte, die Zwischennutzung mit der «Familie Schoch» sei gut und solle weitergeführt werden, akzeptieren wir diesen Entscheid. Das haben wir von Anfang an so auf unserer Homepage kommuniziert.