Seit einem Jahr steht Christoph Buser an der Spitze der Wirtschaftskammer Baselland. Er ist bereits dort angekommen, wo sich sein Vorgänger Hans Rudolf Gysin jahrelang befand: im Zentrum der Macht.
Er fährt standesgemäss im Audi Coupé vor, der Anzug sitzt, das Haar ist voll, das Gesicht gesund gebräunt. Christoph Buser ist angekommen. Lange schien das undenkbar, der Buser ganz oben. Alleine. Hans Rudolf Gysin, der ehemalige Direktor der Wirtschaftskammer, war eine zu dominante Figur, ein Monolith in der Baselbieter Polit-Landschaft. Aber die Geschichte kann hart sein: Nur ein Jahr nach seinem Rücktritt ist Gysin nur noch eine vage Erinnerung an eine vergangene Zeit. Die Zukunft heisst Buser. Der macht das Gleiche wie Gysin – nur offensiver. Greift die Regierung offen an, kümmert sich keinen Moment um Filz-Vorwürfe (und die gibt es genügend) und strahlt stattdessen das Selbstbewusstsein eines Mannes der Wirtschaft aus, dem nichts und niemand etwas anhaben kann.
Herr Buser, Sie haben ein erfolgreiches erstes Jahr als Direktor der Wirtschaftskammer hinter sich und dabei auch einige Mandate gesammelt. Haben Sie eigentlich noch den Überblick?
Christoph Buser: Ja.
Dann zählen Sie mal auf.
Meine Mandate? Die Verwaltungsräte? Kein Problem. Also: BaZ, Rofra, EBL, TCS und dann sind viele Mandate intern, bei Institutionen, die der Wirtschaftskammer angeschlossen sind. Die Liga der Steuerzahler beispielsweise, die Liga der Stromkunden, unser Kampagnen-Arm IWF, die Betriebs AG VBS und dann gibt es noch ein paar stillgelegte.
Die Liste ist nicht vollständig – ausgedruckt füllt sie beinahe eine A4-Seite. Kann man sich bei so vielen Verpflichtungen überhaupt noch seriös auf eine einzelne Sitzung vorbereiten?
Ja, das kann man. Alle Mandate haben indirekt miteinander zu tun und gehören zu meinem Job. Es ist eine Frage, wie man sich organisiert. Und ich bin gut aufgestellt.
Ein Privatleben haben Sie auch noch?
In der Tat. Die Wochenenden halte ich mir beispielsweise frei. Das ist ein Unterschied zu meinem Vorgänger: Herr Gysin arbeitete auch noch gerne am Wochenende.
Oder liess arbeiten.
Ja. Mit der neuen Mannschaft kann ich die meisten Angelegenheiten unter der Woche erledigen. Als Direktor der Wirtschaftskammer wird man oft abends eingeladen – da beschränke ich mich auf höchstens drei Anlässe pro Woche. Zusätzlich lasse ich mir den Morgen nicht nehmen, vor 9 Uhr gibt es keinen Termin bei mir. Dann sehe ich meine Kinder. Nur die Hobbys sind auf der Strecke geblieben – das ist der Preis.
Energiefragen, Medien, Wirtschaft – seit vergangener Woche auch noch Gesundheitspolitik: Sie sind überall drin. Unser Vorschlag: Zuerst wählen Sie ein Thema aus. Danach wir.
Dann nehme ich die Wirtschaftspolitik, die hat am meisten mit unserem Haus zu tun. Und in der Wirtschaftspolitik haben wir auch ein akutes Problem. Bisher liefern Unternehmer nur 9 Prozent des gesamten Steuerertrags im Kanton – das ist zu wenig. Wir haben verschiedene Fehlanreize in unserem System. Die Unternehmenssteuerreform III ist ein guter Anlass, das Steuergesetz an die Hand zu nehmen. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass sich mehr Firmen im Baselbiet ansiedeln. Wir brauchen strategische Entwicklungsgebiete, und zwar baureife! Die Wirtschaftsoffensive zielt in diese Richtung, und ich bin froh, kommt sie jetzt in die Gänge. Langsam zwar, aber es tut sich etwas.
Sie haben Baudirektorin Sabine Pegoraro, die auch Ihre Parteifreundin ist, für ihr zögerliches Verhalten beim Entwicklungsgebiet Salina Raurica harsch kritisiert. Reden Sie seither noch miteinander?
Unser Verhältnis hat sich nicht geändert. Sie ist eine Parteifreundin, aber sie weiss auch, was meine Aufgabe ist. Wir müssen nicht alles von der Regierung abnicken, auch Sabine Pegoraro findet nicht alles gut, was von der Regierung kommt. Unsere Initiative in Salina Raurica hat sie sportlich genommen – als Direktor der Wirtschaftskammer habe ich kürzere Entscheidungswege und muss nicht jedesmal das Parlament fragen, bevor ich etwas in Gang bringen kann. Auch wenn wir keinen Streit haben, kann ich aber verstehen, wenn Sie unseren Druck als zu hoch empfindet. Aber das ist es, was ich in der Politik gelernt habe: Wenn man den Druck nicht konstant hoch hält, geschieht gar nichts.
«Das System einer Lizenzbox ist sicher nicht falsch, doch es nützt uns im Baselbiet nur wenig.»
Bleiben wir kurz bei den Steuern. Die Basler Finanzdirektorin Eva Herzog weibelt in der ganzen Schweiz für das System der Lizenzboxen. Darf Sie mit Ihrer Unterstützung rechnen?
Das System ist sicher nicht falsch, doch es nützt uns im Baselbiet nur wenig. Von der privilegierten Besteuerung ausländischer Holding-Gesellschaften profitieren vor allem die Städte – sie haben bei der Unternehmenssteuerreform III am meisten zu verlieren. Kürzlich hörte ich auf einem Podium einen Basler Regierungsrat, der einen «Pakt der Kantone» zu diesem Thema forderte. Das ist unrealistisch. Wir brauchen stattdessen einen Pakt zwischen den Unternehmen im Baselbiet und dem Kanton. Der Kanton muss wissen, welche Steuerlast für die Unternehmen tragbar ist, und eine entsprechende Lösung ausarbeiten. Der neue Finanzdirektor Anton Lauber hat sich des Themas angenommen.
Bisher hat man Basel-Stadt sehr unterstützt beim Vorhaben Lizenzbox. Es gab eine gemeinsame Erklärung.
Ja, die hat man dem neuen Finanzdirektor kurz vor dessen Antritt noch reingebremst. Es geht aber auch nicht darum, dass wir Basel nicht unterstützen. Es geht darum, für das Baselbiet eine gute Lösung zu finden.
Gut. Dann würden wir jetzt gerne unser Thema wählen – die Medien. Ist die Zeitung tot?
Nein, nein. Die grosse Masse will immer noch eine gedruckte Zeitung in den Händen. Wer jetzt total auf online umstellt, ist zehn bis fünfzehn Jahre zu früh.
Aber als BaZ-Verwaltungsrat bekommen Sie die Medienkrise schon auch sehr direkt mit?
Wir haben keine Krise in dem Bereich, wir haben ein Überangebot. Die Zeitungen kämpfen mit den Gratismedien. Die Werbeindustrie sieht, wie viele Menschen «20 Minuten» lesen, und sagt sich, dass es egal sei, ob neben ihrem Inserat noch ein schlauer Artikel wie «Der Fall Detroits» steht, den ich vergangene Woche in der BaZ hatte, oder eben nicht. (lacht)
«Der Chefredaktor: ein Zürcher. Der VR-Präsident: ein Zürcher. Der Financier: ein Zürcher. Wenn diese Zeitung eine Chance haben will, dann braucht sie regionale Köpfe.»
Also braucht es Stifter, um zu überleben?
Vielleicht. Die TagesWoche wird von einer Mäzenin finanziert, bei der BaZ haben wir de facto das gleiche System. Daneben gibt es noch die Tamedia und die Wanners dieser Welt, die die gesamte Schweiz mit ihren Produkten überfluten möchten. Das ist ein Problem: Wenn wir in der ganzen Schweiz nur noch einen Mantelteil haben, dann gibt es auch nur noch eine Meinung. Ich begrüsse darum das Engagement von Herrn Blocher oder Frau Oeri: Sie bewahren die Vielfalt. Sie bewahren den Journalismus. Dabei darf man die Leserschaft nicht unterschätzen: Sie kann sehr gut einordnen aus welcher Richtung ein Beitrag kommt.
Warum sitzen Sie eigentlich im Verwaltungsrat der BaZ?
Der Chefredaktor: ein Zürcher. Der VR-Präsident: ein Zürcher. Der Financier: ein Zürcher. Wenn diese Zeitung eine Chance haben will, dann braucht sie regionale Köpfe. Darum engagiere ich mich. Für die Wirtschaftskammer selber bringt das Mandat herzlich wenig.
Sie werden sich aber auch kaum beklagen, wenn über die Rofra, wo Sie ebenfalls Verwaltungsrat sind, ein Gefälligkeitsartikel in der BaZ erscheint.
Wegen dieser Spalte zum Jubiläum? Darüber soll man doch berichten. Ich habe damit nichts zu tun und würde mich auch hüten, bei Herrn Somm wegen irgendeines Artikels zu intervenieren.
Apropos Interessenskonflikte: Vergangene Woche wurde bekannt, dass das Kantonsspital Baselland Mitglied der Wirtschaftskammer wird. Gleichzeitig ist Ihre Parteifreundin Christine Frey dort seit Neuestem Pressesprecherin. Das sieht nach Filz aus.
Die Gespräche mit der Leitung des Spitals haben im Januar und Februar stattgefunden. Ich habe aus den Medien erfahren, dass Frau Frey Sprecherin wird. Einen Einfluss darauf hatte ich nicht. Das Kantonsspital ist ein privates Unternehmen geworden, das ist in der Öffentlichkeit noch viel zu wenig bekannt. Das Spital wird auch nicht die Politik der Wirtschaftskammer bestimmen: Wir erhalten einen tiefen, fünfstelligen Mitgliederbeitrag vom Kantonsspital – bei einem Gesamtvolumen der Mitgliederbeiträge in der Höhe von 1,5 Millionen.
«Es ist richtig, dass sich bürgerliche Politiker vernetzen. Das gilt aber für linke Politiker genauso.»
Entscheidende Figuren in der Baselbieter Spitalpolitik sind Spital-CEO Heinz Schneider, ein FDP-Mitglied, Gesundheitsdirektor Thomas Weber (SVP), der die Wahl in die Regierung nicht zuletzt dank der Wirtschaftskammer geschafft hat, und der langjährige Büza-Politiker Dieter Völlmin. Zeigt das nicht recht deutlich, welche Bedeutungen solche Seilschaften in der Baselbieter Politik haben und welche wichtige Rolle die Wirtschaftskammer dabei spielt?
Da interpretieren Sie etwas viel hinein. Es ist richtig, dass sich bürgerliche Politiker vernetzen. Das gilt aber für linke Politiker genauso. Und dass die Wirtschaftskammer im Kanton Baselland eine starke Stimme hat, ist unbestritten. Das ist auch unsere Aufgabe: Unsere Mitglieder erwarten vom KMU-Dachverband, dass er ihre Interessen auf politischer Ebene wahrnimmt. Das tun wir – und offensichtlich mit Erfolg.
Wie ist aus liberaler Sicht zu rechtfertigen, dass Baselland bei der freien Spitalwahl blockt?
Freie Spitalwahl in anderen Kantonen ist liberal, aber nur, wenn die Patienten selbst oder allenfalls die Kassen die Differenz zum günstigeren Angebot im eigenen Kanton ausgleichen. Patienten, die das wollen, müssten einen entsprechenden Zusatz in der Krankenkassen-Prämie entrichten. Das entspricht dem Prinzip der Eigenverantwortung. Heute ist es aber so: Die Spitäler im Baselbiet produzieren vergleichsweise günstig, jene in Basel-Stadt viel teurer. Wenn Baselbieter in teure Stadtbasler statt günstige Baselbieter Spitäler gehen, dann bezahlt der Baselbieter Steuerzahler die Differenz in die Stadt. Das ist Umverteilung pur, hat mit Eigenverantwortung nichts zu tun – und ist damit per Definition nicht liberal. Aber: ich finde es richtig, die freie Spitalwahl in der jetzigen Form zu überdenken.
Die FDP ist per se gut vernetzt. Nun finden bereits die Parteiversammlungen im Haus der Wirtschaft statt.
Das gab es immer wieder. Egal, wo die Versammlung stattfindet: Ich habe immer nur eine Stimme im Saal.
Aber eine wichtige: Sie waren massgeblich daran beteiligt, dass die FDP kurz vor der Volksabstimmung plötzlich umschwenkte und die PK-Vorlage des ehemaligen Finanzdirektors Adrian Ballmer (FDP) bekämpft. Dieses Hin und Her ist keine Glanzstunde für den staatstragenden Freisinn.
Mit 13 Prozent Wähleranteil sind wir im Baselbiet schon lange nicht mehr staatstragend. Sie unterstellen uns, wir würden nicht mehr für den Staat denken – und dagegen wehre ich mich. Die Behandlung der Vorlage war unglücklich. Im Landrat wurde grosser Druck aufgesetzt, die Sanierung mit vier Fünfteln zu beschliessen und damit eine Volksabstimmung zu verhindern. Das kann nicht im Sinne der Demokratie sein. Viele von uns wurden auch von der Komplexität der Vorlage verwirrt.
Das wäre dann ein Armutszeugnis nicht für die FDP, sondern für den gesamten Landrat.
Ja, das war keine Glanzstunde. Es gab einfach bei jenen Parlamentariern, die nicht in der Kommission sassen, sehr viele Unklarheiten und Unzufriedenheit. Man hat nie wirklich über das Rentenniveau geredet, über die Staatsgarantie, darüber, dass die Gemeinden nicht mit im Boot sitzen. Und als dann der Bundesrat die Frist für die Sanierung der Pensionskasse verlängerte, hat die FDP ihren Entscheid neu gefällt. Es ist ein konstruktives Nein. Wir geben dem Regierungsrat ein neues Verhandlungsmandat. Ein solches Jahrhundertgeschäft muss man sauber anschauen.
Herr Ballmer hatte keine Freude über den Entscheid seiner Partei. Speziell mit Ihnen soll er sich gestritten haben.
Es gab keinen Streit. Adrian Ballmer hat sich einfach aufgeregt, dass man zu einem so späten Zeitpunkt überhaupt noch Kritik anbringt. Dabei war es jener Zeitpunkt, zu dem jene Landräte, die nicht in den Kommissionen mitarbeiteten, überhaupt erst etwas sagen konnten. Da kann der eine Esel dem anderen Langohr sagen. Aber das bringt nichts.
Mehr Freude wird Adrian Ballmer am klaren Nein seiner ehemaligen Regierungskollegen zur Fusionsinitiative gehabt haben. Die Basler Wirtschaftsverbände unterstützen die Initiative. Sie auch?
Ich sage immer das gleiche: Eine Fusion der beiden Basel ist kein Wirtschaftsthema. Wer etwas anderes behauptet, sitzt in den sehr grossen Unternehmen in Basel und muss immer mit zwei Stellen reden. Zwei Regierungen, zwei Bauverwaltungen etc. Wir haben hier im Haus vor allem KMU, und ich stelle fest: die Grenze spielt im Alltag dieser Firmen keine Rolle. Bürokratische Hürden kann man auch ohne eine Fusion abbauen. Darum werde ich dem Wirtschaftsrat empfehlen, keine Stellung zum Thema zu nehmen. Das ist eine Frage, die die Gesellschaft und die Politik ausmachen muss. Die Wirtschaft findet ihren Weg mit einem oder mit zwei Kantonen.
Und was sagen Sie als Politiker?
Hier trete ich in den Ausstand.
Ihre erste Antwort klang stark nach einem Nein.
Tatsächlich? Ich empfand sie eher als neutral. Als Parteipolitiker kann ich nur so viel sagen: Ich wäre froh, würde rasch ein Grundsatzentscheid gefällt. In den 60er-Jahren führte man eine ewige Diskussion ohne Ergebnis – das soll uns heute erspart bleiben.
Haben Sie Angst vor einer klaren Antwort?
Nein. Aber wir haben hier im Haus beide Lager. Ich werde mich erst in den Abstimmungskampf einklinken, wenn wir einen klaren Entscheid des Wirtschaftsrats haben.
«Wir leben in anderen Zeiten. Gysin hatte grossen Erfolg damit, aus dem Hintergrund heraus mit der Regierung zu arbeiten. Ich bevorzuge einen anderen Stil.»
Haben Sie darum auch die Zusammenarbeits-Initiative von Hans Rudolf Gysin nicht unterstützt?
Wir konzentrieren uns hier auf Wirtschaftsthemen. Den Ansatz der Initiative finde ich aber löblich, und er würde wohl auch vielen aus dem Herzen sprechen: Nicht Ja oder Nein zur Fusion, sondern ein Bekenntnis zur besseres Zusammenarbeit.
Ein sehr vages Bekenntnis. Das ist ähnlich, wie wenn man sein Kind ermahnt, etwas netter mit dem Nachbarkind umzugehen, und danach balgen sie sich dann doch wieder.
Ich weiss nicht, wie Sie mit Ihren Kindern reden. Bei mir reicht eine Ermahnung für mindestens fünf Minuten!
Wie eng ist eigentlich der Kontakt mit Ihrem Vorgänger? Da hört man sehr unterschiedliche Dinge.
Das wurde ich während des Sommers auch immer wieder gefragt. Fakt ist: Wir sehen und hören uns sehr wenig. Er hat sich selber – und darüber bin ich froh – ein Jahr Hausverbot bei der Wirtschaftskammer auferlegt. Nicht, dass ich ihn nicht gerne sehen würde. Aber es ist ein Signal, dass nun eine neue Mannschaft am Ruder ist.
Gysin hatte den Status als «sechster Regierungsrat». Streben Sie diesen Status auch an?
Nein. Wir leben in anderen Zeiten. Gysin hatte grossen Erfolg damit, aus dem Hintergrund heraus mit der Regierung zu arbeiten. Ich bevorzuge einen anderen Stil, kämpfe offen, stelle meine Forderungen transparent. Nein, ich laufe keineswegs Gefahr, diesen Titel zu bekommen…
Wo wir schon bei der Vergangenheitsbewältigung sind: Das Zusammenspiel zwischen Gysin und Ihnen war beim Wahlkampf zwischen Eric Nussbaumer und Thomas Weber optimal. Sie präsentierten den SVP-Kandidaten und jetzigen Gesundheitsdirektor als konstruktiven Brückenbauer, während Gysin mit seinem Hauseigentümerverband Dreck über Eric Nussbaumer schüttete. War das ein bewusstes Zusammenspiel?
Nein. Ich habe von der entsprechenden Briefaktion erfahren, als es bereits zu spät war. Sie können Dani fragen (zeigt auf Mediensprecher Dani Schindler), wie ich herumgehüpft bin, als ich davon erfuhr. Aus heutiger Sicht kann man sagen: Die Aktion war geschickt. Damals befürchtete ich, sie könnte kontraproduktiv sein.
Der Erfolg scheint Ihnen beiden recht zu geben. Heiligt der Zweck die Mittel?
Nein. Bis zur Aktion surfte die Kampagne ruhig vor sich. Danach begann sie zu rumpeln – das kam auch in den eigenen Reihen nicht gut an. Früher hatte man das gerne, das Grobe. Wenn die Blochers und Bodenmänner aufeinander los gingen. Heute sind andere Dinge gefragt, konstruktive Fähigkeiten. Es ist uns gelungen, Thomas Weber diese Attribute zu verpassen – und er wird ihnen auch gerecht.
«Ein Bürgerlicher ist nicht per se gut. Ein Linker nicht per se schlecht.»
Sie haben kürzlich in der BaZ die Situation von Detroit und dem Baselbiet verglichen (online nicht verfügbar). Die Linken und Gewerkschaften hätten die «Motor City» in den Bankrott getrieben und man müsse nun aufpassen, dass nicht das Gleiche im Baselbiet geschehe. Es ist das ewige Narrativ der Baselbieter Bürgerlichen: Die Linken sind an der aktuellen Misere schuld. Dabei ist das Baselbiet ein durch und durch bürgerlicher Kanton, mit einer ewigen bürgerlichen Mehrheit. Diesen Widerspruch verstehen wir nicht.
Das weiss ich.
Helfen Sie uns…
Ich ziehe keine 1-zu-1-Parallele zwischen Detroit und dem Baselbiet, sondern sage, dass man aus Fehlern lernen muss. Ich nehme die Bürgerlichen auch nicht aus dem Schussfeld. Der Landrat, obwohl bürgerlich dominiert, hat in den vergangenen Jahren gerade in Finanzfragen nicht wirklich bürgerlich gestimmt. Wenn ich die Linken kritisiere, dann kritisiere ich ihre Ideen. Und nicht die Personen. Gerade hier im Baselbiet haben wir eine sehr gemässigte Linke.
Also ist das Problem, dass die Bürgerlichen zu wenig bürgerlich sind?
Was soll das heissen? Ein Bürgerlicher ist nicht per se gut. Ein Linker nicht per se schlecht. Ich habe ein anderes Verständnis von Politik und suche Allianzen über die Parteigrenzen hinweg. Dabei merkt man: Sowohl bei den Bürgerlichen wie auch bei den Linken gibt es Politiker, die aus einer Art Verblendung heraus nicht von ihrer Position abrücken. Diese missionarische Art gefällt mir nicht.
Sie sind erst ein Jahr Direktor der Wirtschaftskammer. Was haben Sie noch für Ziele? Noch mehr Mandate in der Region?
Unbedingt! (Lacht.)
Oder wäre Ihnen die nationale Bühne lieber?
Mein Job ist hier, ich will nicht über ein allfälliges Nationalratsmandat nachdenken. Heute loben dich alle, morgen kannst du tief fallen. Ein halbes Jahr vor der letzten Nomination hatte die FDP-Parteileitung eine Liste mit Kandidaten, doch nur einen Tag vor der Nomination wurde die Liste auf den Kopf gestellt. Das zeigt: Es bringt nichts, sich schon heute darüber Gedanken zu machen.
«Ich bin erst 42 Jahre alt, ich habe noch ein paar Jahre Zeit, um nach Bern zu kommen.»
Nationalrätin Daniela Schneeberger hätte es in einer direkten Ausmarchung schwer gegen Sie. Haben Sie Mitleid?
Glauben Sie mir: Ich bin erst 42 Jahre alt, ich habe noch ein paar Jahre Zeit, um nach Bern zu kommen. In diese Sache werde ich mich nicht verbeissen. Mit Daniela habe ich oft Kontakt, ich schätze sie sehr. Sollte es wirklich zu dieser Situation kommen, dann werden wir miteinander reden. Meine erste Priorität liegt aber hier. Ich möchte in der Wirtschaftskammer Themen setzen und – das tönt jetzt fast pathetisch – mithelfen, den Kanton aus dem Negativ-Sumpf herauszuholen. Wir leben in einem tollen Kanton, der im Moment massiv unter Wert verkauft wird. Es ist ein typisches Wohlstandsproblem: Es ging uns sehr lange gut, und dann liess man die Zügel locker. Dafür zahlen wir heute. Diese Phase müssen wir beenden. Daran möchte ich arbeiten und daran möchte ich mich messen lassen. Nicht an Mandaten.