Letzten Freitag stand in der TagesWoche, den Basler Galerien gehe es schlecht. Galerist Stefan von Bartha ärgerte sich über diese Formulierung und nimmt in einem Interview dazu Stellung.
«Immer, wenn es um die Basler Galerien geht, stehen wir schlecht da», enerviert sich Stefan von Bartha. Er nimmt dabei Bezug auf den Artikel, der am 28. Oktober in der TagesWoche zu lesen war. Junge Künstler, so stand darin, suchten ihr Glück lieber in Zürich oder anderswo als bei einer Basler Galerie. Und: Den Basler Galerien gehe es meist schlecht, weil die Geschäfte nicht laufen. So pauschal sei das nicht richtig, meint Stefan von Bartha.
Herr von Bartha, Sie haben sich nach Erscheinen des erwähnten Artikels bei uns gemeldet. Woran stören Sie sich am meisten?
Dass die Basler Galerien generell in Medienberichten sehr schlecht weg kommen. Dass wir junge Künstler generell nicht förderten, wie man aus dem Artikel folgern kann, trifft beispielsweise nicht auf alle zu. Viele Galeristen besetzen etwa Stellen in Institutionen, die junge Künstler unterstützen, bei der Christoph Merian Stiftung etwa.
Warum aber findet man in vielen Basler Galerien so wenige junge regionale Kunstschaffende?
Viele Künstler verkaufen zuerst einmal direkt ab Atelier. Doch als junger Künstler kann man nicht lange selber verkaufen und gleichzeitig noch bei einer Galerie ausstellen. Das ist auch richtig so, denn eine Galerie macht ja die ganze Arbeit – von den Einladungen über Aufbau bis zur Raummiete. Doch dieser Aufwand, den eine Galerie für eine Ausstellung inzwischen betreiben muss, ist derart enorm, dass es für viele Galerien gar keinen Sinn macht, einen Künstler nur für eine Ausstellung zu zeigen. Man muss also Künstler längerfristig an sich binden. Das wiederum wollen viele Künstler nicht. Es ist somit falsch zu vermuten, dass wir kein Interesse an jungen Künstlern haben. Manchmal sind es auch die Künstler, die kein Interesse an uns haben.
In einem Fall habe ich es auch erlebt, dass eine Kuratorin einer Künstlerin von einer Bindung an eine Galerie abgeraten hat. Darin kommt eine gewisse Antihaltung gegen jegiches Kommerzielle zum Ausdruck. Institutionen und Galerien stehen plötzlich in einer Konkurrenzsituation. Gerade in Basel ist das auch ein grosses Problem.
Inwiefern?
Wir haben in Basel sehr gute Kuratoren: Bernhard Mendes Bürgi (Kunstmuseum, Anm. d. Red.), Sam Keller (Fondation Beyeler), Adam Szymczyk (Kunsthalle), Nikola Dietrich (Museum für Gegenwartskunst). Doch keiner von denen nimmt aktiv an der Galerienlandschaft in Basel teil, was ich jedoch als zwingend und als deren Pflicht empfinde. Ich kann mich erinnern, dass das früher anders war. Doch heute gehen Kuratoren eher in einen Offspace wie den «New Jerseyy» als in eine Galerie. Das ist enttäuschend.
Diese Kritik hört man des Öfteren, und sie geht auch noch weiter in Richtung anderer Institutionen wie etwa dem Kunstkredit, der keine Ankäufe in Galerien mehr tätigt…
Richtig, der Kunstkredit geht oft direkt zum Künstler ins Studio. Was auch nicht unbedingt richtig ist, finde ich. Die Galerien sind Teil des Kunststandorts Basel, sie sind wichtig dafür. Ich finde nicht, dass man Galerien subventionieren muss, aber dort Ankäufe zu tätigen, das wäre auch eine Form von Unterstützung. Allerdings geht es uns Galeristen hier nicht in erster Linie um Verkäufe, sondern es geht uns vor allem um Wertschätzung – darum, wahrgenommen zu werden.
Ist es allgemein ein Problem, dass die Wahrnehmung in Bezug auf die Galerien in Basel nicht stimmt? Es entstehen wenig neue Galerien, dafür viele Offspaces. Diese scheinen mit ihrem Image keine Probleme zu haben…
Ich glaube, die Offspaces sind entstanden, weil wir in Basel nicht sehr viele Galerien haben. Wir sind aber auch eine kleine Stadt, das darf man nicht vergessen. Ich weiss auch nicht, warum da jeder erwartet, dass wir Dutzende Galerien haben müssen und man denen die Türen einrennen muss. Ich teile auch die Meinung nicht, dass es den Basler Galerien schlecht geht. Es gibt uns, Nicolas Krupp oder Stampa, denen es meines Wissens sehr gut geht, auch Gisèle Linder. Wie die anderen beiden ist auch sie an der «Art Basel» vertreten. Das darf, im Übrigen, auch nicht übersehen werden: fünf Basler Galerien (inkl. der Garage und der Galerie Carzaniga, Anm. d. Red.) sind an der «Art» vertreten, das ist sehr gut.
Trotzdem hört man von einigen Ihrer Kollegen und Kolleginnen, dass sie sehr schlecht verkaufen.
Natürlich müssen wir viel tun, um Sammler in Basel aufzubauen. Dass es in Basel keine Leute gibt, die Kunst kaufen, das stimmt meiner Meinung nach aber so auch nicht. Wir beispielsweise verkaufen sehr gut in Basel. Klar, von unserem Jahresverkauf macht das vielleicht zehn Prozent aus, aber wir sind auch eine internationale Galerie. Wir holen auch viele Leute nach Basel. Dass das möglich ist, das ist ein grosses Privileg dieser Galerie, die meine Eltern vor 40 Jahren begonnen haben aufzubauen. Es zeigt aber auch, dass es in Basel möglich ist. Und Basel ist für einen Besuch immer noch sehr attraktiv, auch ausserhalb der «Art Basel».
Wie falsch ist das Gefühl, dass in einer Stadt, die eine «Art Basel» hat, auch die Galerien funktionieren müssen?
Während der «Art» verkauft kein Galerist in der Galerie etwas, das muss man wissen. Doch die Stimmung, die während dieser einen Woche herrscht, diese vermissen die Leute unter dem Jahr. Sie tun aber auch nichts, um diese Stimmung zu kreieren. Nach der «Art» verkriechen sich alle wieder in ihre Winkel. Das hängt auch mit der Grösse dieser Stadt zusammen.
Müsste aber nicht gerade in einer verhältnismässig kleinen Stadt ein Zusammenspiel zwischen Galerien und Galerien, aber auch zwischen Galerien und Käufern oder Galerien und Institutionen besser klappen?
Nicht zwingend. Wir haben beispielsweise einige Kunden, die würden nie an unsere Vernissagen kommen. Denn sie wollen nicht, dass jedermann weiss, dass sie bei uns Kunst kaufen. Das akzeptieren wir.
Ich glaube, das Problem vieler Galerien in Basel ist, dass ihnen die Fantasie fehlt. Ein anderes Problem ist vielleicht, dass die Galerien im Kollektiv nicht immer funktionieren. Wir sehen das immer wieder im Galerienverein: Im Moment funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut, wir haben ein tolles Team. Um wirklich etwas bewirken zu können, bräuchte es aber auch die Zusammenarbeit mit anderen Playern, mit den Museen etwa.
Basel ist eine Kunststadt: Man hat tolle Museen, mehrere Kunstmessen, Offspaces, eine Hochschule für Kunst. Warum strahlt das nicht auf die Galerien ab? Warum stehen in diesem Kuchen die Galerien immer alleine da?
Basler Galerien haben sich sehr lange nicht geöffnet. Auch die von meinen Eltern geführte «von Bartha Collection». Das ist eine typisch schweizerische, eine typisch baslerische Eigenheit: Man zeigt nicht, was man macht. Es gibt viele tolle Projekte in Basel – nicht nur in der Kunst -, die viel zu wenig wahrgenommen werden, weil sie sich schlecht präsentieren.
Manchmal klappt auch nicht alles. Beim diesjährigen Seasonopening des Galerienvereins lief zum Beispiel einiges schief. Das fing schon beim Datum an, weil Kunstmuseum und Fondation Beyeler auch noch Grossanlässe hatten. Das wollen wir aufs nächste Jahr hin verbessern. Ideen sind eigentlich immer da. Wenn es dann aber konkret wird und es etwa darum geht, Geld beizutragen, dann verschliesst man sich wieder. Das hat natürlich damit zu tun, dass einige Galerien gar nicht die Mittel dazu haben. Die Situationen der einzelnen Galerien sind halt sehr verschieden. Doch auch jene, die könnten, sehen den Nutzen von Investitionen nicht. Der Nutzen vom Kollektiv ist noch nicht verstanden worden in dieser Stadt. Stattdessen herrscht ein Konkurrenzdenken unter den Galerien. Ständig wird verglichen, und es gibt immer die Angst, dass einer dem anderen etwas wegschnappt. Dadurch herrscht keine gute Balance. Das ist das Problem, und wir arbeiten im Verein nun sehr intensiv daran, dies zu verbessern. Ich glaube daran, dass in den nächsten ein, zwei Jahren Veränderungen anstehen werden, die viel bewegen werden, entstehend daraus, dass viele unzufrieden sind mit dem Status Quo.
In zehn, 15 Jahren spätestens steht bei den Basler Galerien ein Generationenwechsel an. Einige Galeristen haben ein Alter erreicht, wo eine Pensionierung vor der Tür steht, und Nachfolgeregelungen gibt es kaum. Kann das aufgefangen werden?
Ich glaube, man sollte nicht daran arbeiten, das aufzufangen. Die Galerien werden schliessen, aber dann wird es für viele Leute wieder interessant, nach Basel zu kommen. Weil ein Vakuum entsteht.
Im Moment aber entstehen in Basel sehr wenig neue Galerien, es gibt eine sehr geringe Fluktuation…
Ich merke, nicht unbedingt bei Galerien, aber bei Designern, in der Gastronomie etc., dass immer mehr Leute nach Basel zurückkehren. Weil sie merken, ich kann hier in Ruhe arbeiten, und ich kann meine Arbeit auch präsentieren, weil es nicht so viel Gleichwertiges um mich herum gibt. Die Leute merken, dass Basel doch sehr interessant sein kann. Es entsteht langsam wieder eine Stimmung, die auch Raum frei werden lässt für neue Galerien. Es wird aber auch eine Zeit kommen, wo es weniger Galerien gibt, vielleicht nur noch 6 oder 7. Der Tiefpunkt ist meiner Meinung nach noch nicht ganz erreicht, der muss zuerst erreicht werden, dann kann sehr viel neu entstehen.
Die Offspaces, initiiert von jungen, kreativen Leuten, sind gut besucht. Warum arbeiten Galerien nicht mit ihnen zusammen?
Es fehlt – von beiden Seiten – der Wille, etwas zusammen zu machen. Man müsste sich aber vielleicht der Tatsache stellen, dass es anders wohl nicht mehr geht. Ich weiss gar nicht, ob die Offspaces überhaupt interessiert sind an einem Dialog. Und vielen Galerien ist wohl gar nicht bewusst, was es ihnen eigentlich bringen könnte. Das kann aber auch ein Generationenproblem sein; Nicolas Krupp, Laleh June oder ich fänden das sicher toll, ein Arnaldo Carzaniga fragt sich vielleicht, was daran für ihn interessant sein soll. So wird es wohl künftig Projekte geben, an denen nur noch ein Teil der Galerien beteiligt ist. Es gibt auch Ideen, über die wir jetzt aber noch nicht reden wollen. Zumindest ist das Thema nicht ganz neu.
Offspaces haben viel Publikum auch aus anderen Städten. Warum gelingt es den Galerien nicht, Sammler aus anderen Städten nach Basel zu locken?
Einigen gelingt dies durchaus. Doch es gibt immer weniger Leute, die Kunst wirklich sammeln. Kunst kaufen ist zu einer Art Lifestyle geworden. Die beratende Funktion eines Galeristen fällt heute weitgehend weg. Im Offspace besucht man einen Event. Galerien haben das grosse Problem, dass die meisten Vernissagen stinklangweilig sind. Dazu kommt, dass die Besucher glauben, dass sie etwas kaufen müssten. Diese Schwellenangst gilt es abzubauen. Es kommt beim Publikum auf eine gute Durchmischung an zwischen jung und alt. Ein Junger kauft vielleicht am Anfang nichts, doch vielleicht entsteht über die Jahre ein Interesse und er kauft später etwas.
Was ist nötig, damit die Galerien überleben können?
Etwas, was mein Vater mal gesagt hat, hat mir extrem eingeleuchtet: Wir müssen uns ständig neu erfinden. Das fehlt vielen Galeristen. Das hat nicht nur mit Geld zu tun, sondern mit dem Willen, sich auf neue Projekte einzulassen. Das haben die Offspaces vielen Galerien voraus: Tolle Ideen mit wenig Geld umzusetzen. Doch viele Galerien können sich nicht vorstellen, sich zu verändern. Sie leben den Traum einer klassisch geführten Galerie weiter. Das sieht man aber nicht nur in Basel, das Problem kennen auch andere Städte.
Müssen sie denn nicht mehr?
Doch! Ich glaube, ganz viele müssen. Auch ich muss. Und wie. Ständig. Aber es ist schwierig, aus den klassischen Formen des Galeriebetriebs auszubrechen. Das ist auch ein Generationenproblem, das sehe ich auch bei meinen Eltern, und das wirkt sich auch auf das Ausstellungsprogramm aus. Vielen Galerien fehlt das Vertrauen in ein junges Programm, oder es scheitert an den finanziellen Mitteln zum Aufbau eines jungen Künstlers. Doch es fehlt ihnen auch die Kraft, Künstler aufzunehmen, die bereits etablierter sind. Das ist extrem schwierig geworden im heutigen Kunstmarkt – meistens kann man kaum mehr direkten Kontakt zu den Künstlern herstellen, alles läuft über Assistenten oder andere Galeristen. Es ist deshalb sehr schwierig, bei Künstlern, die bereits in einem höheren Preissegment verkaufen und die man nicht selber aufgebaut hat, später noch einzusteigen.
In zehn Jahren wird die Galerienlandschaft anders aussehen und soll so Chancen für neue Galerien bieten, haben wir vorhin festgestellt, aber gleichzeitig braucht somit finanzielles Kapital, wer überhaupt eine Galerie eröffnen wird. Verunmöglicht das denn nicht das Entstehen neuer Galerien?
Es macht es sicher sehr schwierig. Wer eine Rechnung aufstellt, wieviel eine Galerie kostet, der wird schnell abgeschreckt. Wir investieren 98 Prozent unserer Zeit, um die restlichen 2 Prozent zu kreieren, in denen wir Kunst verkaufen. Dieses Verhältnis ist eigentlich idiotisch. Und das wird von den Leuten unterschätzt. Doch wenn du jung und hip und noch etwas «rough» bist, weckst du viel schneller das Interesse der Leute. Das kann eine grosse Chance sein.
Es wird sehr interessant sein zu sehen, wer als erster den Schritt wagen wird. Daraus kann sich dann etwas entwickeln: Es braucht einen ersten, das zieht dann viel mit sich. Und ich glaube, dass das in Basel möglich ist. Und dass das in Basel passieren wird. Die Von Bartha Garage, Nicolas Krupp und Laleh June setzen hier bereits die richtigen Zeichen: Wir sind hier in Basel, und unseren Galerien geht es gut.