Fabian Frei erklärt, warum er nicht der neue Marco Streller werden kann, dass er sich nicht gerne auf dem Feld herumschieben lässt und weshalb er auch mal Dinge nicht so macht, wie es der Trainer gewünscht hat.
Es hat ein wenig gedauert, bis Fabian Frei beim FC Basel seine Position gefunden hat. Unter Thorsten Fink musste der heute 24-Jährige noch leihweise zum FC St. Gallen ins Exil, weil der damalige FCB-Trainer nicht an die Qualitäten des Thurgauers glaubte. Eine Fehl-Einschätzung, wie Fink in der Zwischenzeit Frei gegenüber offen zugegeben hat.
Spätestens seit ihn Murat Yakin als defensiven Mittelfeldspieler neu erfunden hat, ist Fabian Frei in Basel innert kürzester Zeit zum echten Führungsspieler avanciert. Eine Entwicklung, die der Verein zuletzt mit einer Vertragsverlängerung bis 2017 honoriert hat.
Fabian Frei, werden Sie nach Ihrer Vertragsverlängerung bis 2017 irgendwann der neue Marco Streller des FC Basel?
Nein. Das will ich nicht werden. Und das habe ich auch nie behauptet. Ich habe immer gesagt, dass ich mich in Basel wohl fühle und dass ich mir vorstellen kann, weiterhin hier zu bleiben. Ich kann mir auch vorstellen, dass ich mal etwas mehr Einfluss habe. Aber ich habe mich nie irgendwie als Identifikationsfigur gesehen. So etwas kann man nicht werden, indem man es behauptet. Das wird man.
Oder man wird es nicht.
Oder man wird es nicht, genau. Das entscheiden ja die Leute selbst, ob sie einen so sehen oder nicht. Ich will bei den Zuschauern durch gute Leistungen gut ankommen. Und nicht, weil ich einfach schon lange hier bin.
Kann man als Thurgauer denn überhaupt Basler Identifikationsfigur werden?
Schwierig. Also mit dem Dialekt wird das nichts mehr. Wie gesagt, es ist auch überhaupt nicht mein Ziel. Aber es ist halt schon so: Ausser Marco Streller hat es nicht mehr viele im Team, die direkt aus der Region kommen.
Der Verein hat mit der Vertragsverlängerung jedenfalls ein Zeichen gesetzt. Sie werden als Führungsspieler betrachtet. Da gehören dann plötzlich auch andere Dinge als Fussballspielen zum Aufgabengebiet. Zum Beispiel Treffen mit Fanvertretern.
Sicher, ja. Ich bin auch ein Spieler, der sich das gewünscht hat. Ich habe immer gesagt, dass ich nicht immer der scheue Fabian sein will, der immer ja sagt, wenn ein Ja verlangt wird. Ich will schon irgendwann einmal meine Meinung sagen können. Aber ich will nicht Marco Streller nacheifern. Er war als kleiner Bub im Stadion. Und das war ich halt einfach nicht. Die FCB-Fans singen: «FCB Fan kann man nicht werden.» Bei mir ist es nun mal so: Wenn du in Frauenfeld aufwächst, dann wirst du nicht Basel-Fan. Und doch bedeuten mir die Farben hier sehr viel, ich zerreisse mich gerne für den Club.
Als Murat Yakin Sie ins defensive Mittelfeld rückte, hiess es, es gebe nun einen Fabian Frei, Version 2.0. Jetzt scheinen Sie doch wieder offensiver eingesetzt zu werden. Was ist das jetzt? Fabian Frei …
… 2.1. Ja, irgend so was. Im Spiel gegen St. Gallen hat das halt so gut geklappt, dass der Trainer diesen kleinen Lauf nicht stoppen wollte – und mich auch gegen Bukarest offensiver hat spielen lassen. Doch ich persönlich glaube, dass die Version 2.0 die Version ist, die Zukunft hat. Aber man weiss ja nie.
Es ist also noch zu früh, ein komplettes Systemupdate zu machen?
Ja. Höchstens ein paar kleine Bug-Fixes. Ich fühle mich hinten wirklich weiterhin sehr wohl. Natürlich schiesse ich gerne Tore. Aber jetzt habe ich ja wieder ein halbes Jahr Zeit dafür (lacht). Mir macht es nichts aus, wenn der Trainer sagt, ich solle mal etwas offensiver spielen. Kein Problem. Aber wenn es dann wieder so weit ist, dass ich auf dem Feld herumgeschoben werde, dann werde ich vielleicht das Gespräch suchen.
Das heisst, Sie spielen lieber auf einer fixen Position?
Ja. Ich sehe mich schon auf der Sechser-Position. Und der Trainer ja auch, das ist eigentlich so abgesprochen. Ich verstehe, dass er mich jetzt etwas offensiver hat laufen lassen. Aber dieses Herumgeschiebe, das behagt mir nicht so.
Wobei das von Yakin ja stets gefordert wird: Flexibilität.
Aber flexibel sein, heisst für mich nicht, dass ich in jedem Match auf einer anderen Position spiele. Sondern dass ich auf derselben Position mal mit einer anderen Ausrichtung spiele. Dass ich in einer Partie das Spiel zerstören muss – und in der anderen etwas offensiver spiele. Dass ich mich mal in die Abwehr fallen lasse und dann wieder etwas höher stehe. Ich denke, das ist die Flexibilität, die er fordert. Und nicht, dass du einmal rechts im Mittelfeld spielst und einmal als Sechser und einmal als Zehner. Ich glaube, diese Zeiten habe ich hinter mir.
Trotzdem gibt es Trainer, die gerne so auftreten, als ob sie ihre Spieler wie Schachbrettfiguren auf dem Feld umher schieben könnten. Und Murat Yakin hinterlässt zumindest gegen aussen auch diesen Eindruck. Er stellt zum Beispiel während eines Spiels auf eine Fünferabwehr um, und die Spieler müssen dem folgen.
Ja, es kann durchaus sein, dass man während eines Spiels drei bis vier verschiedene Positionen spielen muss. Aber daran haben wir uns inzwischen gewöhnt. Darauf sind wir auch gefasst. Müssen wir auch sein unter Murat, da kann es innerhalb von fünf Minuten drei Positionswechsel geben. Da musst du genau wissen, was du zu tun hast. Das kann im ersten Moment etwas irritierend sein. Aber es darf nach Spielschluss nicht als Entschuldigung für ein schwaches Resultat dienen.
Wie funktioniert denn so eine Umstellung ganz konkret? Im National Stadion in Bukarest ist es ja nicht ruhig wie in einer Kirche. Werden da die Anweisungen des Trainers wie bei der stillen Post von Spieler zu Spieler weitergesagt?
Ja, fast. Wenn es heisst, wir stellen auf fünf Verteidiger um, dann wissen die Spieler schon, wohin sie sich bewegen müssen. Das bereitet man am Morgen vor dem Spiel auch vor. Da werden alle Eventualitäten besprochen. Auf dem Platz muss es dann relativ schnell gehen. Und natürlich darf es nicht sein, dass ein Spieler dem anderen etwas sagt – und der sagt dem nächsten wieder etwas anderes. Dann hast du ein Problem.
Und wo lag das Problem in Bukarest?
Ich sehe keinen taktischen Fehler. Wir verlieren unglücklich ein Kopfballduell – wobei niemandem einen Vorwurf mache. Dann sollten wir die Flanke etwas aktiver zu verhindern versuchen. Und in der Mitte müssten wir näher am Mann stehen. Aber ich will hier nicht irgend jemandem einen Vorwurf machen. Fehler passieren im Fussball, man muss einfach die richtigen Lehren daraus ziehen.
Der Mainzer Trainer Thomas Tuchel hat vor dem letzten Spiel seiner Mannschaft gegen Bayern München gesagt, es sei praktisch unmöglich, sich auf die Bayern vorzubereiten, weil deren Trainer Pep Guardiola die Fähigkeit habe, während der Partie das Spiel komplett zu verändern. Ist das auch das Idealbild für Basel? Dass der Trainer System und Taktik radikal umstellen kann während eines Spiels?
Wenn es nicht läuft, dann müsste das Ziel eigentlich sein, dass die Spieler das von allein merken. Klar wird der Trainer mit Inputs helfen. Aber schlussendlich stehen die Spieler auf dem Platz. Wenn ein Flügelspieler merkt, dass sein Gegner Mühe damit hat, wenn er aussen um ihn herum geht, dann wird er aussen um ihn herumgehen. Da kann der Trainer noch lange rufen: «Zieh in die Mitte!»
Der Trainer ist also nicht der alleinige Befehlshaber während eines Spiels?
Ich will hier nicht seine Autorität untergraben: Aber wenn du als Spieler das Gefühl hast, etwas sei richtig, dann musst du vielleicht einmal sagen: «Ich mache es jetzt mal nicht so, wie es der Trainer verlangt.» Unter Christian Gross war es natürlich schwierig, sein eigenes Ding durchzuziehen, weil du davor Angst hattest, was passiert, wenn es nicht funktioniert.
Und das ist unter Yakin anders?
Wenn du etwas machst, was der Trainer nicht so wollte, und es klappt nicht, dann ist es doch auch okay, wenn er dich zusammenstaucht. Dann musst du sagen: «Okay, du hast recht. Ich habe etwas versucht und es hat nicht funktioniert.» Aber wenn der Trainer sieht, dass du eine Idee hattest, dann sagt er meist auch nichts. Am schlimmsten ist, wenn du das machst, was der Trainer will – und das klappt nicht.
Geschieht es häufig, dass die Mannschaft während eines Spiels auf dem Feld autonom gewisse Dinge umstellt? Dass sie zum Beispiel merkt, wenn der Gegner schwächelt und dann höher angreift, als ursprünglich besprochen?
Das gibt es in jedem Spiel. Vielleicht nicht grundlegende Dinge, aber kleinere Sachen.
Beim 2:2 auswärts gegen Tottenham gab es so einen Moment, als die Mannschaft entschied, die Offensive mehr zu suchen, als geplant, oder?
Ja, oder in der Champions-League-Qualifikation bei Ludogorets. Als wir plötzlich 1:2 hinten lagen, haben wir auch als Mannschaft entschieden, dass wir nun ein Pressing am Strafraum des Gegners aufziehen werden. Weil wir uns einfach wohler gefühlt haben, wenn wir sie unter Druck gesetzt haben. Wohler, als wenn wir den Ball hinten laufen liessen und auf ihre Fehler gewartet haben.
In unserer Kommentarspalte zum Spiel gegen Bukarest hat sich ein Leser über den «Angsthasenfussball» des FCB enerviert.
Also das kann ich nicht verstehen. Im Moment sowieso nicht. Auch wenn wir in Bukarest die letzten dreissig Minuten defensiver gestanden sind. Aber das kann man doch nicht verallgemeinern. Als wir bei Chelsea gespielt haben, war es super, dass wir sogenannten Angsthasenfussball gespielt haben. Das kann man doch nicht immer am Resultat festmachen. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Im Nachhinein würde ich vielleicht auch Dinge anders machen – und unser Trainer wohl auch.
Nämlich welche?
Vielleicht einen Stürmer bringen … Ich weiss es ja auch nicht. Aber Yakin wollte doch auch nicht, dass wir am Ende 1:1 spielen. Er brachte schon häufig während des Spiels einen zusätzlichen Innenverteidiger, und es hat immer funktioniert. Klar wäre in Bukarest mehr drin gelegen. Aber wenn etwas früher funktioniert hat, dann ist es doch nichts als menschlich, dass man das wieder versucht. Angsthasenfussball … Wer die ersten 60 Minuten gegen Bukarest gesehen hat, wer die 90 Minuten gegen St. Gallen gesehen hat … Das empfinde ich jetzt auch der Mannschaft gegenüber als nicht fair.
Woran liegt es denn, wenn ein Spiel plötzlich eine Schlagseite zugunsten des Gegners bekommt, wie es in Bukarest geschehen ist?
In erster Linie an uns, weil wir viel zu viele Fehler im Spielaufbau gemacht haben. Leichtsinnige auch, wofür ich keine Erklärung habe. Da kommt der Gegner automatisch auf. Nach einer Stunde hätte ich nie gedacht, dass die noch einmal zurückkommen. Das Publikum war nervös – und die Spieler auch. Aber wenn du den Ball so häufig verlierst, wird der Gegner automatisch offensiver. Und du gehst immer etwas zurück. Am Ende waren wir fast im eigenen Sechzehner. Fabian Schär hat zwar am TV gesagt, er sei überzeugt gewesen, dass wir kein Tor kassieren. Aber ich hatte schon das Gefühl, dass da noch was gehen könnte. Und wenn du solche Gedanken hast, ist es meistens schon zu spät.
In solchen Momenten wären dann eigentlich Spieler wie Sie gefragt.
Ja, das stimmt.
Aber was unternimmt man denn, um die Mannschaft wieder auf die Spur zu bringen?
Das ist eben die Frage. Du kannst ja nicht zu den Kollegen gehen und verlangen, dass sie keine Fehler mehr machen. Da geht es darum, dass man die Abwehr wieder zwei, drei Meter höher stellt, dass man den Ball in den eigenen Reihen hält. Das ist uns nicht gelungen.
Fehlt da dem FCB ein Spielertyp, der dann auch mal dazwischenhaut, der eine gelbe Karte in Kauf nimmt, um seine Mannschaft wieder aufzurütteln? Einer, wie es einst Mario Cantaluppi war – oder vielleicht auch Benjamin Huggel.
Auch Aleksandar Dragovic konnte manchmal für Aufregung sorgen, mal Emotionen ins Spiel bringen. Das ist schon ein Spielertyp, der uns etwas fehlt. Wenn ich mir den Spielerrat mit Marco Streller, Valentin Stocker, Yann Sommer und mir anschaue: Das ist wahrscheinlich der liebste Mannschaftsrat der Welt. Aber man kann sich auch nicht verbiegen. Ich kann ja nicht plötzlich wie Alex Frei auftreten, wenn alle wissen, dass ich nicht so bin.
Jetzt hat der FCB in Bukarest 1:1 gespielt, was ja kein Weltuntergang ist. Aber trotzdem kommt sofort eine gewisse Unruhe um den Club auf. Aufregung um die Auswechslung von Marco Streller …
… aber die kommt ja von euch Medien.
Das wollen wir gar nicht abstreiten. Aber ist denn diese Aufregung nur ausserhalb des Clubs? Und ist das beim FC Basel einfach normal? Ist das, weil man nach Rumänien gereist ist und erklärt hat, man sei der Favorit?
Aber wenn wir dorthin geflogen wären und gesagt hätten, der Gegner sei der Favorit, dann wäre das doch auch komisch gewesen. Wir hatten in der Vergangenheit auch darum Erfolg, weil wir selbstbewusst aufgetreten sind. Ich denke nicht, dass es viele Schweizer Mannschaften gibt, die zum FC Chelsea reisen und wirklich daran glauben, dass sie dort gewinnen kann. Ich will dem FC St. Gallen nicht zu nahe treten, auch dort wurde gesagt, man wolle bei Valencia gewinnen. Aber haben die Spieler auf dem Platz wirklich daran geglaubt?
Aber die Unruhe beim FCB, kommt die bloss von aussen?
Wir müssen nicht darüber diskutieren, dass der Strelli wütend war, dass er ausgewechselt wurde. Aber dann ist er bis zwanzig Minuten nach dem Spiel angefressen. Und dann ist es wieder gut. Das sind Emotionen, die gehören dazu. Kleine Missverständnisse kann es zwischendurch geben. Man sollte das nicht aufbauschen.
Am Sonntag gibt es die Chance, gegen den FC Zürich im Duell der alten Rivalen die Schlagzeilen wieder in eine andere Richtung zu lenken. Die Zürcher werden wohl mit Andres Malloth antreten, dem dritten Goalie. Er sah beim 1:5 der Zürcher gegen Aarau nicht all zu glücklich aus. Heisst das jetzt für den FCB, dass aus jeder Lage aufs Tor geschossen wird?
Fies! Das finde ich fies! Ich hatte echt etwas Mitleid mit ihm, als ich die Bilder gesehen habe. Und ich will hier gar nicht viel zu ihm sagen. Plötzlich macht der am Sonntag das Spiel seines Lebens und dann stehen wir blöd da. Ich denke auch nicht, dass sich ein Spieler vor dem Schuss überlegt, wer da im Tor steht. Wir haben natürlich mitbekommen, dass der FCZ nicht in seiner besten Verfassung ist. Aber das war ja vor unserem Heimspiel auch so – und plötzlich schlagen sie uns 2:1. Das haben wir nicht vergessen.
Das heisst, es gibt eine offene Rechnung?
Eine offene Rechnung würde ich es nicht nennen, aber es ist das Derby gegen den FCZ! Da gibt es keinen Grund, in den fünften Gang herunterzuschalten. Wir müssen im sechsten Gang bleiben.
Wir merken, Sie fahren andere Autos als wir.
Oh, sie haben nur fünf Gänge? Ja, ich habe sechs, Entschuldigung. Aber in der Formel 1 gibt es noch einen siebten Gang. Vielleicht finden wir den ja in Zürich.