«Fast täglich müssen wir Tennisspiele aus dem Programm nehmen»

Werner Becher, CEO eines grossen Wettanbieters, spricht im Interview über die Wettmanipulationen im Tennis. Auch Spieler aus dem deutschsprachigen Raum seien involviert. Für die Bekämpfung brauche es die Einmischung von staatlichen Stellen.

Werner Becher (CEO Interwetten) über Wettmanipulationen im Tennis.

(Bild: Miguel Dieterch)

Werner Becher, CEO eines grossen Wettanbieters, spricht im Interview über die Wettmanipulationen im Tennis. Auch Spieler aus dem deutschsprachigen Raum seien involviert. Für die Bekämpfung brauche es die Einmischung von staatlichen Stellen.

Herr Becher, wie schwerwiegend sind die Probleme, die das internationale Tennis mit Wettbetrügereien hat?

Werner Becher ist CEO von Interwetten, einem der grössten internationalen Wettanbieter. Das Unternehmen hat Kunden aus 200 Ländern und bot 1997 als erster Anbieter Online-Wetten an. Interwetten ist Mitglied der European Sports Security Association, einer Kontroll- und Überwachungsorganisation der Wettbranche.

Von allen Sportarten hat das Tennis die grössten Probleme. Und sie nehmen zu. Meist sind Spieler betroffen, die bei kleineren Tour-Events, Challenger- oder Future-Turnieren antreten. Das sind Spieler jenseits der Top 100. Im Moment haben wir fast täglich Vorfälle, die uns dazu zwingen, Spiele aus dem Programm zu nehmen. Wir melden Auffälligkeiten sofort an die Anti-Korruptionseinheit weiter, die Tennis Integrity Unit (TIU). Der Anstieg im Tennis ist wirklich extrem.

Können Sie dazu Zahlen nennen?

In der Auswertung des dritten Quartals 2015 gab es allein 48 Zwischenfälle mit Tennisspielern. Das entspricht 66 Prozent aller verdächtigen Vorkommnisse im Sport überhaupt. Tennis hat hier dem Fussball den zweifelhaften Platz 1 abgelaufen. Wir haben eine schwarze Liste mit mehr als 50 Tennisspielern, deren Matches wir nicht mehr anbieten. Einfach, weil uns das Risiko viel zu hoch erscheint.

Sind auf dieser Liste auch Spieler aus dem deutschsprachigen Raum?

Ja, auch Deutsche und Österreicher sind dabei. Oft wird so getan, als sei das ein Problem osteuropäischer oder meinetwegen südländischer Profis. Aber es sind viele aus Westeuropa auf dieser Liste.

ATP chairman Chris Kermode, center, speaks during a press conference at the Australian Open tennis championships in Melbourne, Australia, Monday, Jan. 18, 2016. Chairman Kermode and the Tennis Integrity United have rejected news reports that match-fixing has gone unchecked in the sport. In reports published on the morning the Australian Open began, the BBC and BuzzFeed News said secret files exposed evidence of widespread suspected match-fixing at the top level of world tennis. At right is Nigel Willerton, head of the Tennis Integrity Unit. At left is ATP Vice Chairman Mark Young. (AP Photo/Shuji Kajiyama)

Können Sie die Verdächtigen nicht sperren?

Natürlich tun wir das. Wir sperren, wir blockieren. Aber dann legen die sich mit krimineller Energie neue Identitäten zu. Wenn es eine staatliche Stelle gäbe, die auch Nachforschungen zu solchen Tätern betreiben würde, wäre der Betrug ungleich schwieriger. Man muss sich eingestehen, dass man den Sumpf nicht hundertprozentig austrocknen kann. Aber im Moment geniessen die Betrüger Narrenfreiheit. Deshalb müssen Staaten und Regierungen mit ins Boot.

Der Anti-Korruptionseinheit TIU wurde in der aktuellen Affäre vorgeworfen, Verdachtsfälle unterdrückt zu haben.

Das kann ich überhaupt nicht bestätigen. Die entscheidenden Leute in den Tennisorganisationen wissen, dass ein ernsthaftes Problem besteht und dass sie es bekämpfen müssen. Nein, ich kann da keine Vertuschung oder Verharmlosung erkennen. Es ist brutal schwer, handfeste Beweise auf den Tisch zu legen.

Novak Djokovic und Andy Murray haben in Melbourne kritisiert, dass Tennisturniere mit Wettanbietern kooperieren.

Es hätte ganz sicher ein Geschmäckle, wenn Wettanbieter einen einzelnen Profi sponserten. Da würden ungute Verdächtigungen aufkommen. Ansonsten verstehe ich diese Logik und Argumentation nicht. Wettunternehmen sind Opfer der Betrüger. Und sauberer, reeller Sport ist die Lebensgrundlage für uns. Die Betrüger kosten uns sehr viel Geld. Deshalb stehen wir an der Seite von Spielern wie Djokovic oder Murray. 


» Fragen und Antworten zum Wettskandal bei der BaZ.
» Dem Slowaken Martin Klizan sind 2010 angeblich 25’000 Dollar für eine Niederlage gegen Stanislas Wawrinka angeboten worden. (Weiterlesen bei «Tages-Anzeiger»)
» Die schwedische Zeitung «Svenska Dagbladet» veröffentlichte bereits 2011 eine Liste mit verdächtigen Tennisspielern.

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