«Früher war ich Florist, heute bin ich Gärtner»

Sam Keller, Direktor der Fondation Beyeler, über seine steile Karriere vom Enfant terrible der 1980er-Jahre zum Chef der Art Basel, seinen Traumjob als Museumsdirektor und Glück im Leben.

«Ich bin mir bewusst, dass ich immer viel Glück hatte»: Sam Keller, Direktor der Fondation Beyeler Riehen (Bild: Nils Fisch)

Sam Keller, Direktor der Fondation Beyeler, über seine steile Karriere vom Enfant terrible der 1980er-Jahre zum Chef der Art Basel, seinen Traumjob als Museumsdirektor und Glück im Leben.

Das Treffen mit Sam Keller ist auf Arbeitsschluss angesetzt – auf 19.30 Uhr. Und es muss kurzfristig nochmals um 45 Minuten verschoben werden. Der Direk­tor der Fondation Beyeler muss noch sein Büro aufräumen, tags darauf reist er in die Ferien. Oder besser: Er bezieht ein paar freie Tage, die von Ge­schäfts­­terminen unterbrochen sein werden. Keller, wie man ihn kennt: der quirlige Kunstmanager, der nie Feierabend hat und trotz­dem stets entspannt wirkt, als wäre sein Job ein Kinderspiel.

Über den Quereinsteiger mit Hoch­geschwin­digkeitskar­riere und den «Mei­s­ter der Ver­netzung» wurde schon viel geschrieben. Über Persönliches ist wenig ­bekannt. Im Gespräch mit der Tages­Woche zeigt sich der 46-Jährige, der die Art Basel zu Weltruhm führte, von einer sehr intimen Seite.

Herr Keller, wenn wir schon einmal einem Fachmann in Sachen Kunst direkt gegenübersitzen: Was ist gute Kunst?

Das ist ebenso schwer zu beantworten wie die Frage, was wahre Liebe ist. In beiden Fällen weiss man es erst, wenn man es erlebt. Für mich drückt gute Kunst etwas Einzigartiges über das Menschsein aus. Sie spiegelt unsere Wünsche, Ängste und Erinnerungen. Gute Kunst birgt oft auch ein Geheimnis, das sie nie ganz verständlich macht.

Ihr Arbeitsalltag dreht sich um Kunst, wie halten Sie es privat: Halten Sie sich von Kunst fern?

Ich bin beruflich zur Kunst gekommen, weil ich mich privat für Kunst interessiere. Auch in meiner Freizeit besuche ich Ausstellungen, Künstler und Galerien.

Sind Sie selber Sammler?

Ich sammle nicht gezielt. Mit den Jahren häufte sich aber auch zu Hause einiges an. Zuerst waren es Kunstbücher, Schallplatten und Editionen. Mit der Zeit auch andere Kunstwerke wie Malereien, Skulpturen und Videos – und plötzlich merkt man, dass eine Wand nach der anderen mit Kunst behängt ist.

Welche berühmten Namen hängen denn bei Ihnen an den Wänden?

Das sieht man, wenn man bei uns zu Hause ist (lacht). Wir besitzen ein paar Werke von berühmten und viele von jungen und wenig bekannten Künstlern. Es sind persönliche Dinge, die mich an bestimmte Begegnungen und Reisen erinnern. Aber mein Haus ist kein Museum.

Vor fünf Jahren eröffneten Sie Ihre letzte Art Basel als Direktor. Haben Sie es je bereut, aus dem Rampenlicht der weltgrössten Kunstmesse getreten zu sein?

Im Gegenteil. Ich habe heute meinen Traumjob. Ich arbeitete sehr lange bei der Art Basel und erreichte alles, was man sich wünschen kann. Der Job bei der Fondation Beyeler war für mich eine Weiterentwicklung. Ich kann hier vieles, was ich bei der Art Basel lernte, umsetzen. Ich bin als Art-Direktor viel herumgereist und freue mich, nun hier in meiner Heimatregion Riehen an etwas Langfristigem zu arbeiten. Ausserdem habe ich bei der Fondation mehr Freiheit und grössere Gestaltungsmöglichkeiten als einst bei der Art Basel.

Inwiefern denn?

Eine Kunstmesse ist ja in erster Linie ein Dienstleistungsbetrieb: Man arbeitet vor allem für die Galeristen und Sammler. Im Museum ist man näher bei den Künstlern und bei den Besuchern – und man kann das Programm frei gestalten.

Verglichen mit dem Art-Job wirkt das Engagement als Museums­direktor in der Fondation Beyeler eher geruhsam. Das Bad in der Menge, das Sie ja auch lieben, ist zur Nebensache geworden.

Ich schätze es sehr, dass ich heute selber bestimmen kann, wann ich ins Rampenlicht trete und wann nicht. Möglichkeiten dazu gibt es auch bei der Fondation viele: Wir empfangen pro Jahr rund 4000 Journalisten – mehr als die Art Basel. Ich vergleiche die beiden Jobs immer so: Früher war ich Florist, heute bin ich Gärtner. Bei der Art musste ich kurzfristig einen schönen Blumenstrauss binden – bei der Fondation Beyeler bin ich mehr ein Landschaftsgärtner, der für das Pflanzen, Pflegen und Gedeihen zuständig ist.

Ihre Karriere ist stark mit dem Namen Ernst Beyeler verbunden. Im Jahr 2000 votierte er für Sie als Art-Chef, vor fünf Jahren holte er Sie zur Fondation. Böse Zungen sprachen von Nepotismus.

Ernst Beyeler und ich hatten nie fami­liäre oder geschäftliche Beziehungen. Schon deshalb kann man nicht von ­Vetterliwirtschaft sprechen. Beyeler war tatsächlich sehr früh wichtig für mich – aber das konnte er gar nicht wissen. Ich wuchs in Basel auf und profitierte schon als Jugendlicher von vielen Dingen, die Beyeler ins Leben gerufen hatte: etwa von den Ausstellungen im Riehener Wenkenpark oder in der Grün 80 in Brüglingen. Dank dieser Ausstellungen begann ich mich überhaupt erst für Kunst zu interessieren.

Später wurde das Verhältnis zu Beyeler aber sehr eng.

Das erste Mal in Kontakt kamen wir, als ich bei der Art Basel angestellt war. Offensichtlich schätzte Beyeler meine Arbeit. Sein Angebot, Direktor seines Museums zu werden, kam für mich sehr überraschend. Darüber hatte er nie zuvor mit mir gesprochen. Erst in seinen letzten Lebensjahren entstand eine tiefe Freundschaft. Wahrscheinlich waren viele Leute überrascht, dass ich quasi als Quereinsteiger die Mu­seumslandschaft betrat – ich war zuvor ja nie Museumsdirektor gewesen.

Dieser untypische Karriereweg begann früh. Sie entstammen ­keiner akademischen Familie.

Meine Familie hatte keine Kunst zu Hause, wir besuchten auch nie Museen. Ein erstes Aha-Erlebnis hatte ich als Gymnasiast. Unsere Deutschlehrerin führte uns in die «Hammerausstellung», die in einer alten Industriehalle stattfand. Dort sah ich zum ersten Mal Werke von Jean Tinguely und den Nouveaux réalistes. Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass es so etwas gibt. Das Tolle an dieser Stadt ist ja, dass man überall gute Kunst sehen kann. Einmal waren wir als Schüler im Basler Kunstmuseum. Dort sah ich zum ersten Mal Konrad Witz’ «Christophorus». Ich staunte, dass man so lange über ein Bild reden konnte – und dass das sogar noch interessant ist. Das hat sicher auch dazu beigetragen, dass ich später ein Kunstgeschichtestudium begann …

Welches Sie aber nie abschlossen.

Stimmt. Aber ich probierte in meinen jungen Jahren vieles aus, ohne einen konkreten Plan zu haben. Apple-Gründer Steve Jobs sagte mal: Erst wenn man auf das Leben zurückblicke, würden alle einzelnen Stationen einen Sinn ergeben und würde sich ein gradliniger Weg abzeichnen. Die Wahrheit sei aber, dass vieles zufällig passiere – und auch ganz anders hätte passieren können.

Leute aus Ihrer Generation haben Sie noch lebhaft als Enfant terrible in Erinnerung, das in den 1980er-Jahren vor allem auf der Gasse anzutreffen war.

L’université de la rue! Ich war sehr neugierig zwischen 20 und 30, jobbte, ging aus und reiste viel herum. Auch an der Uni habe ich verschiedene Fächer ausprobiert. Das war alles sehr spontan und spielerisch in dieser Zeit.

Was haben Sie denn alles studiert?

Neben Kunstgeschichte auch Philosophie und Geschichte – und ich habe mich sogar in den Wirtschaftswissenschaften versucht. Zu Beginn war ich ein sehr engagierter Student. Später war ich mehr in der Rio Bar anzutreffen als in den Hörsälen (lacht).

Warum das?

Ich merkte, dass man an anderen Orten mehr über das Leben und die Kunst erfährt als an der Uni – und dass man dort auch die interessanteren Leute trifft. Diese Erkenntnis stammte übrigens nicht von mir. Ich erinnere mich lebhaft an meinen Volkswirtschafts­pro­fessor, der uns Erstsemestrige mit den Worten begrüsste: «Ich sehe so viele junge Gesichter hier – was wollen Sie eigentlich hier an der Uni? Gehen Sie doch zuerst einmal in die Welt hinaus!» Der Mann erschien mir glaubwürdig – er hatte ja immerhin drei Doktortitel. Ein anderes Erlebnis bescherte mir meine Philosophieprofessorin. Nachdem ich eine Seminararbeit abgegeben hatte, fragte ich sie, ob wir irgendwann im Laufe des Studiums den ursprünglichen Lebensfragen näherkommen würden. Sie sagte: «Nein, wir entfernen uns immer weiter von ihnen.» Ich sagte dann bald Adieu. Ich war Werkstudent und fragte mich, ob es sich wirklich lohne, nachts in der Fabrik zu malochen, um mir ein Studium zu finanzieren.

Wie haben Sie dann schliesslich doch noch die «Kurve gekriegt»?

Im Rückblick war diese Phase des Suchens wichtig für mich. Wenn man von Anfang an krampfhaft die Kurve sucht, dann gelangt man vielleicht nicht einmal bis zu dieser. Ich finde es wichtig, dass man den Mut hat, einfach einmal etwas auszuprobieren – ohne Ziel und Zweck. Aber mir ist natürlich auch bewusst, dass ich sehr viel Glück hatte und zur richtigen Zeit am richtigen Ort war und die richtigen Leute traf. Das erfüllt mich auch mit einer gewissen Demut und Dankbarkeit.

Das ist eine sehr religiöse ­Aussage.

Ich meine damit, dass es wichtig ist zu wissen, woher man kommt, und dass nicht alles selbstverständlich ist. Vieles, was ich heute in meinem Job gut gebrauchen kann, lernte ich von der Pike auf. Ich arbeitete in Restaurants und Fabriken und weiss, dass die wichtigen Leute in Betrieben nicht nur die sind, die in der Öffentlichkeit stehen. Das hilft mir auch in meiner Arbeit als Direktor. Oder wenn ich heute über Mittag in Riehen in die Migros gehe, um mir etwas zu essen zu holen, dann werde ich daran erinnert, dass es auch mal mein Job war, Teller zu waschen und dort Nudeln aufzufüllen. Um solche Erfahrungen bin ich froh.

Sie machten dann aber schon eine steile Karriere – bis hin zum «Ehrenspalebärglemer».

Der Spalenberg geht ja auch steil hinauf (lacht).

Sie amtieren heute noch als «Chairman of advisory board» für die Art – also als Verwaltungsratspräsident. Sind Sie der heimliche Lenker im Hintergrund?

Ich muss jetzt ein bisschen ausholen. Nachdem ich Messechef René Kamm mitgeteilt hatte, dass ich Ernst Beyeler in die Fondation Beyeler folgen wolle, bat er mich, die Messe weiterhin mit meiner Erfahrung und meinem Rat zu unterstützen. Ich fand das eine sinn­volle Sache, denn ich habe ein Interesse daran, dass sich die Art Basel positiv weiterentwickelt. Aber ich leite die Kunstmesse nicht, das machen die beiden Direktoren Annette Schönholzer und Marc Spiegler ausgezeichnet. Ich bin nur der Sparring-Partner und Ratgeber, wenn es um die grossen strate­gischen Fragen geht.

Den Art-Machern wurde dieses Jahr vorgeworfen, dass sie die Messe immer exklusiver gestalten würden, dass diese sich immer mehr von der Bevölkerung in der Stadt entferne.

Das finde ich überhaupt nicht. Sie steht dem Publikum an vier Tagen offen und ist eine Kulturveranstaltung, die in vielfältiger Weise mit der Stadt verbunden ist. Die Exklusivität der Vernissage ist schon seit Jahrzehnten ein Thema. Als junger Kunstinteressierter machte ich damals selbst die Erfahrung, dass es schwer ist, an ein Vernissage-Ticket heranzukommen. Sicher haben sich seither aber auch der Kunstmarkt und die Kunstsammler verändert. Früher waren es noch mehr Leute aus dem Mittelstand wie Ärzte, Anwälte und ­Architekten, die teure Kunst kauften. Heute sind es vermehrt grosse Unternehmer, Investoren und Celebrities. Die Käuferschaft ist exklusiver geworden, und die Preise der Kunstwerke sind stark gestiegen.

Trotzdem: Die Art strahlt nicht mehr so stark in die Stadt aus wie früher.

Im Gegenteil: Die Art hat sich geöffnet: mit öffentlichen Führungen und Talks, aber auch mit dem «Art Parcours» in den Quartieren. Es gibt heute sogar mehr Veranstaltungen als früher.

Sie haben vorhin von Ihrer heutigen Sparring-Partner-Rolle bei der Art gesprochen. Wer ist eigentlich Ihr Berater in der Fondation?

So lange Ernst Beyeler lebte, war er mein wichtigster Partner. Er blickte aber sehr weise voraus und gründete ein Stiftungsratsgremium, das die ­Direktion heute in all jenen Gebieten berät, in denen wir nicht Spezialisten sind: etwa in Bau-, Finanz- und Politikfragen. Zudem ist mir die Meinung meiner Mitarbeiter wichtig. Und dann gibt es einen künstle­rischen Beirat, der aus renommierten internationalen Experten besteht. In diesem Gremium sitzen Leute wie der Basler Kunst­geschichts­professor Dr. Gottfried Boehm, Udo Kittelmann, Direktor der Neuen Natio­nal­galerie Berlin, Alfred Pacquement, Direktor des Centre Georges Pompidou in Paris, Richard Armstrong, Direktor des Guggenheim-Museums in New York, sowie der Direktor der Londoner Tate, Nicholas Serota – ein Dream-Team der besten Kunstberater der Welt.

Die Fondation Beyeler feiert erneut einen Besucherrekord: Über 426 000 Leute haben im letzten Jahr das Haus besucht, rund 11 Prozent mehr als im Vorjahr. Wo­rin besteht Ihr Geheimrezept?

Ich wünschte, ich hätte ein solches. Aber ich glaube, es gibt gar kein Geheimrezept. Der Erfolg ist das Resultat harter Arbeit, guter Entscheide, engagierter Mitarbeiter, erfahrener Berater und von viel Glück. Ich glaube, dass man Erfolg auch nicht planen kann. Man muss überzeugt sein, dass das, was man tut, richtig ist.

Auf der Geldseite schreibt die ­Fondation aber weiterhin Defizite.

Jedes Museum macht Defizite. Bei den meisten Museen ist es so, dass der Staat zahlt. Auch wir erhalten Subventionen, diese machen aber nur rund zehn Prozent des Budgets aus. Die Haupteinkünfte der Fondation stammen aus dem Billett- und Katalogverkauf. Dann haben wir Gönner, Spon­soren, Freunde und Mitglieder, die uns unterstützen. Und der Betrag, der übrig­ bleibt, wird von der Beyeler-Stiftung und von der Hansjoerg Wyss Foundation gedeckt. Wir machen also kein Defizit im herkömmlichen Sinne, sondern wir profitieren von einer Defizitgarantie, die wir zum Teil gar nicht ganz ausschöpfen müssen.

Wie hoch ist diese Defizitgarantie?

Von der Wyss Foundation kommen jährlich 1,5 Millionen Franken, von der Beyeler-Stiftung stammt ein etwas höherer Betrag.

In der Sammlung der Fondation befindet sich kein einziger regionaler Künstler. Gibt es keine guten Künstlerinnen und Künstler hier?

Natürlich gibt es diese. Die Fondation Beyeler hat ein anderes Konzept. Sie war von Beginn weg international ausgerichtet, obwohl die Beyelers mit vielen Basler Künstlern befreundet waren. Für hiesige Künstler gibt es in der Schweiz bereits andere Sammlungen und Ausstellungsorte. Diese wollten die Beyelers nicht konkurrenzieren.

Sie zählen zu den wichtigsten Kunstköpfen der Welt: Sie könnten fast jeden Job bekommen. Was hält Sie eigentlich in Basel?

Erstens fühle ich mich hier zu Hause. Zweitens zählt Basel zu den zehn wichtigsten Kunst-Städten der Welt. Drittens leben meine Familie und Freunde hier. Und zudem finde ich es spannend, etwas für meine Heimatstadt zu tun.

Basel macht immer wieder mit Lärm- und Litteringstreitigkeiten von sich reden. Als Vertreter der 1980er-Generation, die sich Freiräume zum Teil auch handfest ­eroberte, muss Ihnen das ziemlich kleinkariert vorkommen.

Ich staune oft darüber, was hier als ­Problem angesehen wird. Für mich sind das oft eher «Problemli». Im Gros­sen und Ganzen entwickelt sich Basel doch wunderbar! Das war nicht immer so: Noch vor 20 Jahren hatte ich das Gefühl, dass die Stadt stehenbleibe. Aber natürlich bringen mehr Freizeitangebote auch mehr Konflikte. Diese müssen aber in der Gesellschaft ausgetragen werden. Ich halte nichts von Verboten.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an die heutige Freiraum-Bewegung denken?

Ich registriere, dass es im Moment sehr viele Angebote für Erwachsene und Senioren gibt – nicht aber für die Jungen. Ich finde, man sollte den jungen Leuten besser zuhören und ihnen die Möglichkeit geben, die Stadt mitzugestalten. Ich staune manchmal auch darüber, wie brav junge Leute heute darauf warten, dass ihnen Freiräume zugestanden werden. In den 1980er- und 1990er-Jahren hatte die Jugend die Initiative ergriffen – wenn ich zum Beispiel an die Besetzung der Alten Stadtgärtnerei denke. Junge Leute brauchen ­heute Orte, wo sie nicht nur Konsumenten sind, sondern auch kreativ sein ­können. Dieses Anliegen sollten wir ernst nehmen.

Die 1980er-Generation bereitete den ­Boden für die heutige «Mediterranisierung» der Stadt: Es gab noch nie so viele Clubs und Open-Air-Anlässe wie heute. Manchmal hat man den Eindruck, die ganze Stadt sei zur Festhütte geworden. Was halten Sie von dieser Entwicklung?

Also Mediterranisierung finde ich gut – das mediterrane Lebensgefühl ist ja eine positive Sache. Eine Helvetisierung, Amerikanisierung oder Nord­koreanisierung fänden wir ja weniger gut (lacht). Ich glaube, wir gehen in die richtige Richtung. Andere Kulturen und Lebensweisen zu integrieren, hat unserem Land immer gut getan. In ­einer Stadt wie Basel muss man öffentlich darüber verhandeln, welche Akti­vitäten zu welchen Standorten passen und wichtig sind. Das Prinzip «Alles ein wenig überall» führt kaum zum Ziel, sondern bloss zu Streitigkeiten.

Was ist Ihr Lieblingsort in Basel?

Ich mag den Aussichtsplatz beim ­Lohnhof, wo man so herrlich über die Dächer der Stadt blicken kann. Und den Rhein. Oder, wenn der FC Basel spielt, das Joggeli.

 Sam Keller wurde 1966 in Basel geboren, wo er an der Universität verschiedene Studienfächer belegte – unter anderem Kunstgeschichte und Philosophie. Während seines Studiums, das er nie abschloss, jobbte ­Keller unter anderem bei der Art Basel, deren Pressesprecher er ab 1994 wurde. Ab 2000 übernahm er – gefördert vom renommierten ­Basler ­Galeristen Ernst Beyeler (1921 bis 2010) – die Leitung der Art ­Basel. ­Kellers grösster Coup war die Realisierung der Art Basel Miami Beach, die 2002 erstmals durchgeführt wurde. 2007 holte Ernst Beyeler den erfolgreichen Art-Chef zur Fondation ­Beyeler in Riehen, wo Keller seither als Direktor amtiert. Als VR-­Präsident der Art Basel hat er noch immer einen grossen Einfluss auf die Basler Kunstmesse. Sam Keller ist verheiratet und Vater eines Sohnes.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 13.07.12

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