Herbert Feuerstein im Interview: «Ich muss jetzt alleine quaken»

79 Jahre ist er mittlerweile alt. In seiner Autobiografie scherzt Herbert Feuerstein allerdings darüber, wie sein TV-Kompagnon Harald Schmidt stets für älter gehalten wurde. Obwohl die beiden 20 Jahre trennen – zu Schmidts Gunsten. Feuerstein besitzt eben auch im Alter noch etwas zutiefst Lausbubiges. Ein Interview mit diesem vielseitigen Mann, der so viel mehr als ein Sidekick ist.

Herbert Feuerstein: So normal und doch so MAD.

(Bild: Jörg Carstensen)

79 Jahre ist er mittlerweile alt. In seiner Autobiografie scherzt Herbert Feuerstein allerdings darüber, wie sein TV-Kompagnon Harald Schmidt stets für älter gehalten wurde. Obwohl die beiden 20 Jahre trennen – zu Schmidts Gunsten. Feuerstein besitzt eben auch im Alter noch etwas zutiefst Lausbubiges. Ein Interview mit diesem vielseitigen Mann, der so viel mehr als ein Sidekick ist.

Schon die Literatur kennt den Sidekick. Was wäre Don Quijote ohne seinen Sancho Panza, was Sherlock Holmes ohne Doktor Watson? Im TV-Betrieb hat sich die Geschichte des Wasserträgers, des Stichwortgebers, die letzten Jahrzehnte ganz unliterarisch fortgeschrieben. Besonders gesund wirkte das Verhältnis zwischen Stefan Raab und seinem Elton nie, so fühlte man letztes Jahr auch ein wenig Erleichterung, als Raab alle Ämter von sich warf. Erleichtert zumindest hinsichtlich seines gequälten Ex-Praktikanten im roten Anzug.

Ebenfalls keine wirklich kollegiale Aura versprühte die Liaison des ultimativen Fernseh-Talkers Harald Schmidt und des ihm anbefohlenen Herbert Feuerstein. Dennoch erhob sich hier kaum etwas anderes als tiefes Bedauern, als im Dezember 1994 ihre gemeinsame Anarcho-Sendung «Schmidteinander» nach 50 Folgen eingestellt wurde. Aus den Untiefen des dritten Programms ins erste aufgestiegen, beschrieb sie vor allem die skurrile Bromance zwischen Schmidt und Feuerstein, wobei diese fast gänzlich auf Kosten von Letzterem ging.

Die Figur des geschundenen Sidekicks

So wurde aus dem Sidekick in dem irritierenden Sparkassenfilialleiter-Look schnell der Underdog. Die Zuschauer fühlten mit Feuerstein, er erhielt körbeweise Fanpost mit Durchhalteparolen zu jener Zeit: «Lass dir nichts gefallen von dem bösen Riesen», fand sich darin etwa zu lesen.

Doch hier irrte der Zuschauer, Herbert Feuerstein war keineswegs Opfer, sondern viel mehr Täter. Für viele der Sketche, Rubriken und Abläufe trug er nämlich selbst Sorge. Mit der Figur des geschundenen Sidekicks, die er sich so auf den Leib schrieb, «war es leicht, Sympathien zu gewinnen, allein schon aus Mitleid», so Feuerstein selbst. 

Feuersteins Einfluss auf das Erfolgsformat erschöpfte sich erst, als Schmidt keine Lust mehr hatte und das Ende verkündete. Diesen Enthauptungsschlag quittierte er mit den lapidaren Worten «Wenn du meinst…». Denn er wusste, «Schmidts Entscheidungen waren endgültig. Wer versuchte, ihn umzustimmen, verhärtete nur seine Ablehnung.»

Der Hauptdarsteller

So endete das Kapitel Schmidt und das Dasein als Sidekick für Herbert Feuerstein. Jenes wurde ihm ohnehin nicht gerecht. Denn wer Feuerstein nur auf dieses zugegeben markante Highlight «Schmidteinander» reduziert, unterschlägt mehr als so manch korrupter Kleinstaat. Nicht umsonst trägt seine ausserordentlich unterhaltsame Autobiografie den Titel «Die neun Leben des Herrn F.» (Ullstein Verlag). Auf so viele kommt der geborene Zweifler tatsächlich: Als Korrespondent im New York der 60-er Jahre, als Radiomacher, als Leiter eines linken Buchverlags zur Zeit der Studentenbewegung, als Chefredaktor der deutschen Ausgabe des MAD-Magazins für über 20 Jahre («zählt wie zwei Monate FAZ», wie Feuerstein dies selber ironisch kommentiert). Er war zudem Reisereporter fürs Fernsehen, Bühnenschauspieler wider Willen, Conférencier für klassische Musik und Promi-Inventar bei TV-Trash wie «Veronas Welt», «Telebingo» oder «Genial daneben».

Nicht zu vergessen die Synchronstimme für den Hund in «Die Sendung mit der Maus»… Wirklich nur neun Leben sollen das insgesamt sein? Scheint fast zu wenig für dieses stets verschmitzte Furiosum. Wie kein zweiter schaffte es Feuerstein, das Linkische zu einer Kunstform zu erheben. Mit 79 Jahren schaut er auf ein erfülltes Leben zurück und geniesst die etwas ruhiger gewordene Zeit mit seiner dritten Ehefrau im Rheinland. Es sei ihm gegönnt. Doch wer so eine reichhaltige und lustige Autobiografie vorweist, dem würden wir gerne ein paar Fragen stellen:

Herr Feuerstein, aktuell erzeugen Satire und ihre Folgen viele Schlagzeilen. Wie haben Sie das Thema Zensur und Hysterie als Chefredaktor des MAD-Magazins der 70er- und 80er-Jahre erlebt?

Im Rückblick scheint die Taktung der Empörung wirklich wesentlich geringer – was sicherlich vor allem daran lag, dass die Medien noch nicht so schnell waren. Aber auch bei MAD stiessen wir immer mal an Grenzen. Zum Beispiel wurde seitens Bayern versucht, uns aufgrund eines Comic von Dave Berg zu indizieren – in dem Strip wird eine alte Dame von Schlägern bedroht. Der Vorwurf lautete, wir würden Gewalt propagieren. Wir haben das im Heft dann aufgegriffen und Bayern symbolisch den Krieg erklärt. Da kam dann nichts mehr nach, das wurde nicht weiter verfolgt. Ein anderer Fall war, dass aus Amerika für diese Alfred-E.-Neumann-Ahnengalerie auf der Umschlagrückseite eine Zeichnung kam, die Alfred als Hitler darstellte. Das empfand ich schon eher als heikel, aber da das amerikanische MAD vornehmlich aus jüdischen Autoren bestand, habe ich mich getraut, es auch bei uns abzubilden – und hatte Glück. Es blieb unbeanstandet.

Das MAD-Magazin stellt mit Abstand Ihre längste Karrierestation dar, 20 Jahre hat es sie dort gehalten. Lag es am Erfolg oder an der Sache?

Beides natürlich. Von meiner Zeit in New York kannte ich bereits das amerikanische Original, und als ich in dem politischen Milieu der frühen 70er-Jahre wieder zurück in Deutschland war, stand mir der anarchische Humor des MAD-Magazins weit näher als die politische Verlagsarbeit, die ich davor machte. Als ich das MAD übernahm (Januar 1972, Anm. des Autors), lag die Auflage bei 15’000 Stück. Zu unseren Hochzeiten Anfang der 80-er kamen wir auf bis zu 300’000 Exemplare. Wobei der grosse Coup dann der war, dass wir die nicht verkauften Exemplare immer wieder neu zusammenbanden und sie als Extra, Super-Mad oder Super-Müll verkauften. Mein Credo zu der Zeit lautete, kein Heft darf weggeschmissen werden. Ich sehe mich mit meiner Redaktoren-Arbeit ein bisschen auch als Erfinder des grünen Punkts, also des Recyclings.



Mehr als 200 «MAD»-Titel hat Herbert Feuerstein verantwortet.

Mehr als 200 «MAD»-Titel hat Herbert Feuerstein verantwortet.

Ging mit dem Ende des MAD-Magazins und jenem von «Schmidteinander» für Sie auch das Ende Ihrer Karriere als Satiriker einher?

Das habe ich nie so empfunden, in meiner Karriere ergab sich vieles aus Zufall und Möglichkeiten. Allerdings stimmt es, dass hinsichtlich der Satire bei mir Abnutzungserscheinungen sichtbar wurden. Ich habe weiterhin Fernsehen gemacht, aber nicht mehr so sehr in diese Richtung. Mir war es wichtiger, wieder neue Dinge auszuprobieren, diese 12-stündige Live-Sendung «Feuersteins Nacht» zum Beispiel hat für mich auf anderem Terrain neue Grenzen des Mediums Fernsehen ausgelotet.

Sie sind ein Mann mit prallem Meilenkonto, wo hat es Ihnen besonders gefallen – und gibt es denn auch ein Reiseziel, das Ihnen noch fehlt?

Ich war vor allem für meine neun Reisefilme, die der WDR mit mir gemacht hat, viel unterwegs – als 79-Jähriger bin ich inzwischen allerdings weitgehend bedürfnislos. Mit Sicherheit war Bhutan das eindrucksvollste Ziel, aber mindestens ebenso Schanghai und Tokio. Inzwischen bin ich ein wenig bequemer geworden und bevorzuge Ziele, die ich schon kenne. Für kurze Aufenthalte ist Fuerteventura mein Lieblingsziel, wegen seiner wunderbaren Kargheit und Einsamkeit. Beides kommt meinen inneren Sehnsüchten sehr nahe.

«Für kurze Aufenthalte ist Fuerteventura mein Lieblingsziel, wegen seiner wunderbaren Kargheit und Einsamkeit. Beides kommt meinen inneren Sehnsüchten sehr nahe.»

Abseits der grossen Flugdistanzen gefragt: Verbindet Sie eigentlich etwas mit der Schweiz?

Nicht allzu viel, muss ich gestehen, ausser, dass ich erst vor Kurzem dort eine Lesung hielt, gemeinsam mit dem wunderbar skurrilen Schriftsteller Franzobel, der seines Zeichens Österreicher ist. War ein schöner Abend.

In Ihrer Biografie erfährt man, dass Sie sowohl Elfriede Jelinek, Thomas Bernhard als auch Alice Schwarzer vor deren grossen Werdegängen trafen. Können Sie sich noch an frühe Begegnungen mit ihnen erinnern?

Elfriede Jelinek lernte ich als Leiter des Frankfurter Buchverlags Bärmeier & Nikel kennen. Sie bot mir ihre allerersten Manuskripte an, die für unseren Verlag viel zu progressiv waren, weshalb ich ihr riet, es lieber bei einem literarischen Verlag wie Rowohlt zu versuchen. Hat sie erfolgreich getan – weshalb ich behaupte, dass ich damit den Grundstein für ihren späteren Nobelpreis legte. Ähnlich war es mit Alice Schwarzer, die beim gleichen Verlag als Redaktorin begann. Dank ihrer Sprachkenntnisse hat sie mich damals auch nach Paris begleitet, bei der Suche nach Zeichnern auf dem Gebiet der grafischen Satire. Thomas Bernhard hingegen war ein «Kumpel» meiner Studienzeit am Salzburger Mozarteum. Er studierte damals an der Schauspielschule, und ich habe ihn in mindestens drei Stücken auf der Studiobühne erlebt. Allerdings konnten wir nicht gut miteinander. Auf einer Party zu meinem Abschied auf dem Weg in die USA habe ich ihn böse beleidigt, aber als wir uns kurz vor seinem Tod zufällig in Wien begegneten, war alles wieder gut. Behaupte ich jedenfalls.

Wie darf man sich Ihren Alltag heute als Privatier vorstellen, wie gestalten Sie Ihre Zeit?

Ganz so ruhig ist mein Leben noch nicht. Nach wie vor, wohl bis ins Jahr 2017 hinein, bin ich auf Lesetouren für mein Buch unterwegs, gelegentlich mache ich auch noch Moderationen für Klassikkonzerte. Meine Frau ist als TV-Redaktorin wesentlich umtriebiger. Ich selbst geniesse die Ruhe in einem überaus angenehmen Garten, habe einen Hund, der mich zweimal täglich zu langen Spaziergängen zwingt und warte auf die Rückkehr unseres Teichfrosches, der im Spätherbst verschwunden ist. Jetzt gerade muss ich also alleine quaken.
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Herbert Feuerstein: «Die neun Leben des Herrn F.», Ullstein Verlag. 

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