«Die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen ist sehr gut.» Der Baselbieter Finanzdirektor Anton Lauber spricht über Respekt und gegenseitige Abhängigkeit zwischen den beiden Basel und sagt, er habe nie versprochen, dass die Steuern nicht erhöht würden.
Vor zwei Wochen präsentierten die Regierungen von Baselland und Basel-Stadt ihren Masterplan, wie sie die zerfahrene Situation um Universitäts- und Kulturvertrag bereinigen wollen: Die Stadt soll über vier Jahre jeweils 20 Millionen Franken Finanzhilfe an den Landkanton zahlen. Im Gegenzug bleiben Uni- und Kulturvertrag unangetastet. Im Interview unterstreicht der Baselbeiter Finanzdirektor Anton Lauber (CVP) die Wichtigkeit des 80-Millionen-Deals und erklärt, wieso Steuererhöhungen im Landkanton gemäss Gesetz momentan nicht möglich sind.
Wie würden Sie einem Basler erklären, warum es richtig ist, 80 Millionen Franken nach Baselland zu überweisen?
Er sichert damit, gemeinsam mit dem Landschäftler, den Fortbestand einer starken Universität, reduziert den immensen Zeitdruck bei den Verhandlungen und stellt für die betroffenen Institutionen Planungssicherheit her. Gleichzeitig wird ein Reputationsschaden für den Wirtschafts- und Forschungsstandort «Region Basel» vermieden und die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Kantonen gestärkt.
Er würde vielleicht antworten: Erhöht doch einfach die Steuern! Warum schliessen Sie diese Möglichkeit partout aus?
Wir halten uns an das Gesetz. Massgeblich ist Paragraf 32b des Finanzhaushaltsgesetzes. Demnach ist ein Aufwandüberschuss auf der Aufwandseite auszugleichen. Der Landrat muss erst dann eine Steuererhöhung beschliessen, wenn die Regierung ihm gegenüber nachgewiesen hat, dass der Handlungsspielraum auf der Aufwandseite erschöpft ist. Gleichzeitig geht der Regierungsrat davon aus, dass im Landrat keine Mehrheit für eine Steuererhöhung zu finden ist.
«Ideologische Überlegungen gibt es bei mir nicht. Ich orientiere mich am Gesetz und daran, was mehrheitsfähig ist.»
Das ist eine legalistische Begründung. Haben Sie nicht vor allem eine prinzipielle, ideologische Abneigung gegen höhere Steuern?
Ideologische Überlegungen gibt es bei mir nicht. Ich orientiere mich am Gesetz und daran, was mehrheitsfähig ist. Fakt ist nun mal, dass wir auf der Ausgabenseite Massnahmen ergreifen müssen, wenn wir mittel- bis langfristig das Kostenwachstum in den Griff bekommen wollen. Wir kommen nicht darum herum. Es ist falsch zu glauben, dass mit Steuererhöhungen automatisch alles besser wird.
Es war ein Wahlversprechen der Bürgerlichen, die Steuern nicht zu erhöhen.
Das weiss ich nicht, ich hab das nie versprochen. Diese Thematik verändert sich viel zu schnell, um Versprechen abgeben zu können. Aber Steuererhöhungen lösen unser Problem nicht, das liegt bei den steigenden Kosten, insbesondere bei Bildung, Gesundheit und Sozialem. Ein Mehrertrag durch höhere Steuereinnahmen würde sehr schnell von neuen Kosten aufgefressen.
Binningen erhöht die Steuern, Allschwil will es auch tun – warum soll für den Kanton falsch sein, was für die Gemeinden richtig ist?
Es ist nicht meine Aufgabe, mich zu Entscheidungen von Binningen und Allschwil zu äussern. Aber für die Gemeinden besteht nun mal kein Gesetz, wann sie die Steuern erhöhen dürfen. Für den Kanton hingegen schon.
Ab 2019 rechnen Sie mit einem Überschuss von 50 bis 90 Millionen Franken. Wie soll das gelingen ohne Steuererhöhungen?
Dazu wollen wir 132 Sparmassnahmen umsetzen. Wir wissen, dass das ein ehrgeiziges Ziel ist. Aber der Landrat hat ja schon erste Beschlüsse gefasst, etwa die Lohnreduktion von einem Prozent bei der Verwaltung. Einsparungen über 40 Millionen Franken beim Personal werden 2016 für die folgenden Jahre erarbeitet. Und dann gibt es die 130 weiteren Massnahmen in allen Bereichen. Wir gehen Schritt für Schritt vor.
Dazu müssen der Landrat und auch das Volk diese Schritte mitgehen. Was tun Sie, sollten nicht alle Sparmassnahmen umgesetzt werden?
Diese Frage stelle ich mir auch oft. Dort, wo einige wegfallen, braucht es eine Kompensation. Wir werden unsere Leistungen ständig überprüfen müssen und stets neue Entlastungsmassnahmen erarbeiten.
«Wir müssen uns darauf einigen, wo wir die Schwerpunkte der Uni setzen und wo nicht.»
Durch die Vereinbarung mit Basel sparen Sie weniger als geplant: Sie haben sich zur Mitfinanzierung des Tropeninstituts und des ETH-Instituts sowie zur Ausfinanzierung der maroden Pensionskasse der Uni verpflichtet. Wie wird das kompensiert?
Das ist ein Missverständnis. Alle drei Projekte waren bereits vor der aktuellen Diskussion vom Regierungsrat beschlossen und sind im Finanzplan 2016 bis 2019 eingesetzt. Sie waren nie Gegenstand der Sparmassnahmen. Das kann man im Finanzplan nachlesen.
Also mussten Sie keine wesentlichen Zugeständnisse an den Stadtkanton machen?
Unser Zugeständnis besteht darin, dass wir die drei Projekte im Landrat zur Beschlussfassung bringen und die Vereinbarung mit Basel-Stadt dahinfällt, sollte der Landrat einem Projekt nicht zustimmen. Damit bestimmt der Landrat den Kurs der Partnerschaft mit.
Es entstand der Eindruck, diese Beteiligungen seien Gegenleistungen für die 80 Millionen.
Das wurde falsch verstanden. Diese Projekte haben nichts mit der Diskussion um die Staatsverträge zu tun. Das sind Investitionen im Rahmen unserer Wirtschaftsoffensive. Wir setzen auf den Wirtschafts- und Life-Sciences-Standort. Deshalb gehen wir auch in der Debatte um die Uni-Finanzierung sehr respektvoll vor, denn die Universität ist zentral für die Pharmabranche.
Trotzdem muss die Universität voraussichtlich ab 2020 mit weniger Geld auskommen. Das lässt selbst Ihre Basler Amtskollegin Eva Herzog durchblicken.
Es ist klar, dass für Baselland und Basel-Stadt eine Entlastung angestrebt wird. Das ist aber nicht zwingend mit einer Qualitätsminderung gleichzusetzen. Wir müssen uns darauf einigen, wo wir die Schwerpunkte der Uni setzen und wo nicht. Das ist Bestandteil der gemeinsamen Roadmap, die wir jetzt erarbeiten.
Wo sollen denn die Schwerpunkte liegen – und wo nicht?
Davon haben wir eine Vorstellung. Aber das müssen wir erst mit Basel-Stadt aushandeln. Wir wollen die Sache gemeinsam angehen, nicht dass eine Regierung mit einem Modell vorprescht. Das wäre kontraproduktiv.
Solche konzilianten Töne sind neu. Bislang wirkte es eher so, dass Sie Ihre Pläne mit allen Mitteln durchdrücken wollen.
Da muss ich widersprechen. Die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen ist sehr gut. Wir haben keinen Einfluss auf das, was überall geschrieben und von Einzelpersonen gesagt wird. Die Diskussionen waren hart, aber auch sachbezogen und verantwortungsbewusst. Es wäre falsch zu glauben, diese Verhandlungen liefen ohne gegenseitigen Respekt ab.
Mittelkürzungen in der Kultur führen unmittelbar zu einer Leistungsreduktion.
Auch hier erarbeiten wir eine gemeinsame Roadmap. Wir werden die Beträge gemeinsam mit Basel-Stadt und den betroffenen Institutionen verhandeln.
«Es ist leider ein verbreiteter Irrtum, dass Basel-Stadt weniger abhängig von Basel-Landschaft ist als wir von der Stadt.»
Der Basler Regierungspräsident Guy Morin fordert ein Beteiligungsmodell, wie es in der Ostschweiz oder Zürich besteht, wo die Kosten anhand der Nutzerzahlen verteilt werden.
Es gibt verschiedene Modelle, wir werden alle anschauen und dann entscheiden, welches uns gerecht wird.
Wer das Theater nutzt, soll es auch bezahlen – das wäre doch das fairste Modell?
Man muss auch die Frage der Mitbestimmung berücksichtigen. Und letztlich sind die Institutionen auf die Besucher angewiesen, denn erst diese ermöglichen das grosse Kulturangebot.
Sowohl bei der Gesundheits- wie auch bei der Verkehrspolitik zeigt sich, wie stark Sie auf den Partner Basel-Stadt angewiesen sind. Ist eine Drohpolitik wie bei der Uni und Kultur da förderlich?
Es geht nicht um Drohungen, sondern um Neuverhandlungen. Es ist leider ein verbreiteter Irrtum, dass Basel-Stadt weniger abhängig von Basel-Landschaft ist als wir von der Stadt. Die Uni, die wir heute haben, wäre ohne das Engagement von Baselland nicht auf diesem Niveau. Basel-Stadt ist zudem angewiesen auf Baselland, um ein Universitätsspital auf höchstem internationalem Niveau führen zu können. Deshalb fand ich es unglücklich, dass Basel-Stadt die gemeinsame Spitalplanung zuerst an die Uni-Finanzierung knüpfen wollte. Umso schöner ist es, dass die beiden Regierungen nun eine Lösung gefunden haben, um aus diesem Dilemma rauszukommen.
Erschwert der oft krawallig politisierende Landrat die Partnerschaftspolitik?
Ich verwehre mich gegen den Begriff «krawallig» (lacht). Der Landrat ist sich seiner Verantwortung für den Kanton und die Region bewusst. Klar gibt es einzelne Exponenten, die immer wieder sticheln. Wir dürfen uns als Regierung aber nicht von solchen Animositäten – hüben wie drüben – beirren lassen. Wir sind der Objektivität verpflichtet.
«Sollte es zu einem Referendum kommen, müssten wir ernsthaft eine Kündigung der Verträge bis Ende Jahr in Erwägung ziehen.»
Dennoch wird die Baselbieter Regierung permanent unter Druck gesetzt. Der Landrat hat einen Vorstoss mit der Forderung eingereicht, Baselland solle den Uni-Vertrag aufkünden. Das schränkt Ihren Handlungsspielraum ein.
Es handelt sich um ein Postulat. Daher gibt es für uns keinen rechtsverbindlichen Auftrag, den Uni-Vertrag zu kündigen, sondern es ist eine Aufforderung dazu, dies zu prüfen. Es liegt also an der Regierung, ob wir das machen werden. Es ist aber unbestritten, dass ein grosser Erwartungsdruck für eine Neuverhandlung dieses Staatsvertrags vorhanden ist. Deshalb brauchen wir mehr Zeit – was wir mit dieser Lösung erhalten würden. Denn würden wir den Uni- und den Kulturvertag auf Ende 2017 kündigen, würden wir zeitlich massiv unter Druck stehen. Eine neue Lösung müsste bereits Mitte 2016 stehen, damit sie sämtliche politischen Prozesse – in Baselland und Basel-Stadt – durchlaufen und ab dem 1. Januar 2018 gelten könnte. Das wäre unglaublich stressig.
Was passiert, sollte in Basel-Stadt das Referendum gegen den Deal ergriffen werden? Die BDP hat bereits angekündigt, dass sie das machen wird.
Ich bin noch nicht überzeugt davon. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich glaube immer noch, dass wir einzelne Exponenten noch von dieser guten und tragbaren Lösung überzeugen können. Aber sollte es tatsächlich so weit kommen, dann würde ich diesen schlechten Entscheid ausserordentlich bedauern. Denn dann müssten wir ernsthaft eine Kündigung der Verträge bis Ende Jahr in Erwägung ziehen. Der politische Druck auf die Baselbieter Regierung, das zu tun, sollte nicht unterschätzt werden.
Schadet Ihnen das aufgeladene Klima nach der Fusionsabstimmung vor einem Jahr bei der Suche nach Kompromissen?
Sagen wir es mal so: Ich wäre froh gewesen, hätten wir darüber nicht abgestimmt. Die Zusammenarbeit mit Basel-Stadt ist deswegen vorübergehend sicherlich nicht einfacher geworden. Auf der anderen Seite setzen solche Abstimmungen auch immer wieder neue Impulse frei. Ich würde die Fusionsabstimmung nicht überbewerten. Baselland hat sich nicht gegen Basel-Stadt entschieden, sondern ein Commitment für die Selbstständigkeit des Baselbiets abgegeben.
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Basel-Stadt will bis 2019 80 Millionen Franken an Baselland zahlen. Am 11. November wird die Vereinbarung im Grossen Rat behandelt. Wir widmen dem umstrittenen Deal unser Wochenthema.
Bereits erschienen:
– «Eva Herzog: Eine Finanzdirektorin kämpft dafür, dem Nachbarn 80 Millionen geben zu dürfen»
– «Finanzdirektor Lauber will auf keinen Fall eine Steuererhöhung – seine Gemeinde schon»
– «BDP will Referendum gegen 80-Millionen-Deal – notfalls im Alleingang»