«Ich bin die Bienenkönigin»

Als ihn die Anfrage im Sommer 2013 erreichte, konnte er sich rasch vorstellen, die Stelle als Theaterdirektor anzutreten: Andreas Beck (48) spricht über seine Beziehung zu Basel und über erste Pläne, die er als Intendant umsetzen möchte.

Wurde im Sommer 2013 angefragt – und dann ging alles sehr schnell: Andreas Beck wird 2015 Intendant am Theater Basel. (Bild: Clemens Fabry)

In den Sommerferien 2013 erreichte ihn die Anfrage. Als er danach mit dem Basler Kulturchef Philippe Bischof redete, konnte er sich rasch vorstellen, die Stelle als Theaterdirektor anzutreten: Andreas Beck spricht über seine Beziehung zu Basel und über erste Pläne, die er als Intendant umsetzen möchte.

Man sah ihm nicht an, dass er eine kurze Nacht hinter sich hatte: Bevor Andreas Beck am Donnerstag Nachmittag den 350 Angestellten des Theater Basel sowie im Anschluss den Medien vorgestellt wurde, feierte er nachts zuvor in Wien noch eine Uraufführung. Und teilte danach seinem Team am Wiener Schauspielhaus mit, dass er 2015 nach Basel wechseln werde.

Mussten Sie in Wien Trost spenden, Herr Beck?

Nein, alle haben sich mit mir gefreut. Es war ja klar, dass mein Vertrag 2015 auslaufen würde. Aber natürlich war es dennoch emotional, wurde doch in dem Moment, wo man es aussprach, allen bewusst, dass die gemeinsame Zeit ein Ende finden würde.

Wenn man Ihren Namen googelt, dann landet man – zumindest in der Schweiz – bei Sportlern. Wussten Sie das?

Ja, klar. Es gibt einen Tennisspieler, Fussballspieler und einen Skispringer.

Im Fussball und im Tennis ist Basel Weltklasse. Wohin möchten Sie das Theater bringen?

Auch zur Weltklasse.  (lächelt) Mindestens Europameister! Flops will ja niemand produzieren, ebenso wenig ein Theater in den Ruin treiben. Ich möchte die Marke Theater Basel weiterbefördern. 

Spielt das Theater Basel in Ihren Augen aktuell in der Champions League?

Die Oper wurde zweimal Opernhaus des Jahres, der Opernchor hat ebenfalls eine solche Ehrung erhalten. Zudem habe ich gelesen, dass auch das Ballett von Richard Wherlock viele Auszeichnungen bekommen hat.

Aber…?

Was mich interessiert hat, ist die Frage, ob man die Marke Theater Basel als grösstes Dreispartenhaus in Europa tatsächlich genügend wahrnimmt. Ob deutlich genug klar wird, dass dieses Theater so viel Potenzial unter einem Dach vereint. Ich denke mir, dass das hier noch weiter, noch besser wuchern könnte.

Sie möchten alle drei Sparten näher zusammenbringen?

Ja, sonst würde meine Funktion keinen Sinn machen, sonst könnte ich ja gleich einen Opern-, Ballett- und Schauspieldirektor bestellen und sie unter einer Verwaltungsdirektion arbeiten lassen. Ich möchte, dass dieses Haus gemeinsamer gedacht wird. Dass die einzelnen Sparten mehr als nur Fundus, Werkstätte und Kantine miteinander teilen. So wie Ausstellungen kuratiert werden, so möchte ich auch einen Spielplan entwerfen, der die Grenzen etwas aufhebt – dennoch sollen Sparten freundschaftlich und kollegial miteinander konkurrieren dürfen.

Wie werden Sie umstruktieren?

Das kann ich noch nicht sagen, denn Strukturen kann man nicht vor allem anderen erfinden. Zuerst gilt es, die Menschen und Künstler zu finden. Das finde ich den richtigen Vorgang. Ich bin jetzt mal als Bienenkönigin gesetzt – und möchte gucken, wen ich für die Arbeit in Basel gewinnen kann. Und dann je nach Leuten die Struktur so anpassen oder ausbauen, dass es funktioniert.

Wie lange kennen Sie das Theater Basel?

Seit 1986. Ein Freund lebte hier in der Region und arbeitete am Theater. Durch ihn kam ich erstmals hierher. Das ist mir auch besonders in Erinnerung geblieben, weil damals eine Art Stadtfest stattfand, überall waren Zelte aufgebaut, es war alles sehr lebhaft. Danach kam ich immer wieder nach Basel, sah unter Baumbauer Wernicke-Inszenierungen, erlebte hier auch frühe Produktionen von Christoph Marthaler und Frank Castorf, später von Stefan Bachmann. Lustigerweise war ich Anfang der 90er-Jahre auch zweimal in Gesprächen für eine Dramaturgie-Stelle. 

«Ich habe mich nicht ins Rennen gebracht – ich wurde angefragt.»

Und diesmal hat es für alle gestimmt. Nach Ihren Aussagen ging alles sehr schnell. Die Findungskommission aber war ein Jahr lang mit der Suche beschäftigt. Haben Sie sich so spät ins Rennen gebracht?

Nein, ich habe mich ja gar nicht ins Rennen gebracht. Ich wurde im Sommer 2013 angefragt, als ich noch im Urlaub war. Nach meiner Rückkehr setzte ich mich mit Philippe Bischof (Leiter Abteilung Kultur Basel-Stadt, die Red.) in Verbindung und stellte fest, dass mich die Stelle tatsächlich interessiert. Zumal ich merkte, wie gut alle vorbereitet waren und mir klar wurde, warum sie sich auf mich zubewegten. 

Sie kommen ursprünglich aus dem Ruhrpott …

… nein, da wurde ich nur geboren.

Okay. Sie waren also von Anfang an auf der Durchreise?

Genau. Ich war 14 Jahre lang in Hessen, habe 13 Jahre in München gelebt, bin aber kein Bayer. Und fast gleich lang war ich jetzt dann insgesamt auch in Wien, bin aber kein Österreicher. Etwas pathetisch ausgedrückt könnte man frei nach George Tabori sagen: Theaterleute sind sowieso immer Fremde oder Reisende. Da, wo ich mein Bett habe, ist mein Zuhause. 

Was ich fragen wollte: Die Städte, in denen Sie bisher gearbeitet haben – Wien, München, Stuttgart – waren deutlich grösser. Fürchen Sie nicht, in Basel exponierter zu sein?

Exponierter als in Wien kann man eigentlich nicht sein: Dort kommt man in den Käseladen und alle schreien «Guten Morgen, Herr Direktor» entgegen. Das ist in Wien ein gegenseitiges Spiel, aber ich brauche das nicht. Ich nehme das Theater zwar sehr ernst, aber ich glaube, dass das Theater nicht immer ganz so ernst genommen wird, wie wir Macher es tun. Und das ist auch gut so.

Was Basel speziell macht, ist die Lage am Dreiländereck …

… was ich super finde! In Wien fand kürzlich ein Kongress statt. Titel: «Von welchem Theater träumen wir?» Der holländische Kollege Johan Simons sagte da, er träume von einem Theater der Nationen und nicht von einem Nationaltheater. Ich musste glucksen, denn das ist ja in Basel per se schon geschaffen.
Die Frage, wie man ein Theater an nationalen Grenzen begreifen kann, finde ich ganz interessant. Darin sehe ich schon einen ersten Schwerpunkt für die erste Spielzeit.

Der Verwaltungsrat hat betont, dass Sie zu 100 Prozent fürs Theater Basel tätig sein werden. Heisst das auch, dass Sie Ihre Tätigkeiten als Dozent, aktuell in Theaterliteratur und -geschichte, aufgeben werden?

Nun, 100 Prozent muss ja nicht im Umkehrschluss heissen, dass ich nicht doch einmal ein Blockseminar geben kann. In meinem Vertrag steht, dass alles, was nicht dem Wohl des Theaters per se zugute kommt, ausgeschlossen ist. Aber ganz grundsätzlich muss ich mich fragen, ob ich das weiterhin machen will, da das ja auch mit Aufwand verbunden ist, mit Lebenszeit. Und die nutze ich zwischendurch auch ganz gerne, indem ich mit meinem Hund Gassi gehe, koche oder einfach nur im Sessel sitze und mir was Schönes denke.  

Sie sind bis 2015 in Wien engagiert. Planen Sie, früher nach Basel zu kommen? 

Noch bin ich in Basel designiert und Kollege Delnon ist dafür bezahlt, sein Tages- und Alltagsgeschäft zu Ende zu bringen. Dasselbe wiederum gilt für mich in Wien. Ich habe aber das Glück, dass die nächste Spielzeit schon in grossen Stücken geplant ist. Was mich jetzt in die wunderbare Situation bringt, dass ich tatsächlich schon mit der Vorbereitung für Basel anfangen kann. 

Lesen Sie auch unseren Bericht über die Pressekonferenz: «Bühne frei für ein «Theatertier».

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