«Ich bin ein bisschen vorsichtiger als Sie, ist das okay?»

Von der Führungsebene des FC Basel fühlt er sich nicht unter Druck gesetzt, sagt Urs Fischer im Interview. Das kommt ihm zugute, dem Trainer mit der lauten Stimme, der offensiver denkt als Lucien Favre und seinen Spielern bildhaft vermittelt, was er von ihrem Spiel hält.

Seit 18. Juni 2015 Trainer des FC Basel: der 49-jährige Urs Fischer.

Von der Führungsebene des FC Basel fühlt er sich nicht unter Druck gesetzt, sagt Urs Fischer im Interview. Das kommt ihm zugute, dem Trainer mit der lauten Stimme, der offensiver denkt als Lucien Favre und seinen Spielern bildhaft vermittelt, was er von ihrem Spiel hält.

Urs Fischer, Sie wirken, als stünden Sie unter Strom.

Ja, ich habe einige Termine und sollte noch das eine oder andere erledigen. Aber jetzt bin ich hier.

Und das an einem Tag, an dem die Sonne über Basel scheint. Ist das sinnbildlich für Ihre ersten Monate beim FCB?

Für mich fällt das Fazit positiv aus. Offenbar hatte ich ja meinen 100. Arbeitstag. Und bis jetzt dürfen wir zufrieden sein. Wir sind in der Meisterschaft dabei, im Cup und in der Gruppenphase der Europa League. Was sicherlich auch toll ist, obwohl wir das Ziel Champions League verpasst haben. Die Mannschaft entwickelt sich und der neu zusammengesetzte Staff hat sich auch gefunden, die Rädchen greifen ineinander.

Täuscht der Eindruck oder ist das Aus in der Champions League gegessen?

Natürlich ist es gegessen. Aber bei einem Fazit kommt das wieder zu Vorschein. Nur: Wir können das nicht mehr ändern.

Als der FCB das letzte Mal in den Playoffs gescheitert ist, hat das den Trainer den Job gekostet. Warum war es diesmal anders?

Da ist zuerst einmal die Art und Weise, wie wir das Ziel verpasst haben. Objektiv betrachtet war das Ausscheiden unglücklich. Sehr sogar. Vor allem im Hinspiel haben wir ein besseres Resultat verpasst. Ich denke aber auch, dass die Reaktion der Mannschaft gut war. Wir werden immer wieder Ziele nicht erreichen. Dass einst ein Trainer auch deswegen gehen musste, ist Teil des Geschäfts. Aber darüber mache ich mir keine Gedanken, die gelten alleine meiner Aufgabe. 

Urs Fischer, Trainer FC Basel

Sie hatten auch nicht das Gefühl, dass die Beziehung zur Führungsetage nach dem Ausscheiden frostiger wurde?

Nein. Die Enttäuschung war zwar bei allen vorhanden. Es entstanden aber keine Unruhen, es gab keine Polemik. Bei Weitem nicht.

Die Enttäuschung war aber grösser als nach der Niederlage in Bern, Ihrer einzigen bisher, oder?

Eine Niederlage ist eine Niederlage, das ärgert so oder so …

… nur sind die Konsequenzen in der Meisterschaft weniger dramatisch.

Eine Niederlage ist immer unschön, unabhängig davon, ob es um ein Meisterschaftsspiel, um die Wurst oder um die Teilnahme an der Champions League geht.

Wie stark stehen Sie als Trainer des FC Basel unter Erfolgsdruck?

(überlegt) Ich habe nicht den Eindruck, dass der Verein Druck ausübt. Wenn Sie hier arbeiten, haben Sie nicht das Gefühl, dass Sie unter Druck stehen, auch wenn die Erwartungshaltung sicher hoch ist.

Das klingt erstaunlich. Wie schafft das der Verein?

Mit der Art und Weise, wie mit den Menschen umgegangen wird. Ich fahre am Morgen positiv zur Arbeit und am Abend ebenso positiv nach Hause. Auch wenn wir mal verlieren, denn das gehört nun mal dazu. Nie gibt man mir das Gefühl, dass bei ein, zwei Niederlagen der Baum brennen würde. Die Leute hier haben genug Erfahrung und entsprechend wirkt sich das auf die Angestellten aus.

Urs Fischer, Trainer FC Basel

Wenn Sie den Erfolgsdruck von oben nicht sehr stark spüren, können Sie das an die Mannschaft weitergeben?

Man weiss um den Druck als FCB-Trainer. Wenn einem das ständig vorgehalten wird, hat es eine ganz andere Wirkung. Letztendlich kennen wir alle das Geschäft und die Leute im Club wissen, dass sie dem Trainer nicht täglich mitteilen müssen, was auf dem Spiel steht.

Sie geniessen seit Ihrer Ankunft Kredit in Basel.

Ich möchte nochmals auf dieses Banner zurückkommen …

… auf dem stand: «Fischer, nie einer von uns».

Genau. Es wäre ja verrückt gewesen, wenn dieses Banner nicht aufgehängt worden wäre. Das weiss ich, weil ich auch mal Fan war.

Von wem?

Vom ZSC. Da habe ich mich auch genervt bei Spielerwechseln. Das soll doch auch so sein! Dass in Basel nicht jeder einverstanden war mit meiner Verpflichtung, ist doch normal. Und ganz egal, ob es jetzt ein Zürcher ist oder nicht: Man wird nie jede und jeden von einer Entscheidung begeistern können. Es ist schon mal gut, einen grossen Teil davon zu überzeugen, dass es nicht der dümmste Entscheid war.

Sie haben von Anfang an erfolgreich Überzeugungsarbeit geleistet. Auch wenn man sagen muss, dass eine gewisse Paulo-Sousa-Müdigkeit geherrscht hatte.

Das kann ich nicht beurteilen. Aber alle Menschen, die auf mich zukommen, tun das auf eine positive Art.



Urs Fischer, Trainer FC Basel

Urs Fischer, Trainer FC Basel

Haben Sie eigentlich etwas verändert in Ihrer Arbeit, seit Sie beim FCB sind?

Ich habe eine laute Stimme. Das hilft manchmal auf dem Platz, kann einem aber auch im Weg stehen. In Thun hatte ich zuweilen das Gefühl, dass die Mannschaft gewisse Dinge hätte schneller umsetzen müssen. Und wenn ich dann laut werde, kann das erschreckend wirken. In der Tonlage habe ich dazugelernt. Wenn ich mit etwas nicht einverstanden bin, akzeptiere ich inzwischen, dass es manchmal mehr Zeit braucht. Dann setze ich nicht gleich meine Stimme ein. Der Trainer muss nicht herumschreien, wenn es nichts zum Herumschreien gibt.

Mussten Sie in Basel schon mal aus der Haut fahren?

Nein. Aus der Haut fahren nicht. Ich musste vielleicht ein, zweimal die Stimme erheben. In der Pause beim 3:1-Sieg gegen Lugano, da war die Mannschaft vielleicht zum ersten Mal ein wenig überrascht, dass ich auch noch ein anderes Gesicht habe. Unser Spiel war phlegmatisch, pomadig, aber das gibt es eben. Um die Jungs zu wecken, bin ich dann ein klein wenig lauter geworden. Da hat die Mannschaft gemerkt, jetzt ist der Trainer ein bisschen sauer.

Herr Fischer, in der FCB-Kabine haben Sie Marco Streller knapp verpasst. Nach seinem Rücktritt sprach man von einer mächtigen Zäsur. Ist es für Sie erstaunlich, dass davon bereits keine Rede mehr ist?

Jeder Spieler, das muss man sehen, ist ersetzbar. Aber Marco Streller mit seiner Art, mit seiner Vergangenheit als Basler, was er geleistet hat, das kann man nicht von heute auf morgen ersetzen. Mit positiven Resultaten rückt eine solche Figur in den Hintergrund. Aus meiner Sicht wird man Marco nie vergessen, sondern in 20 Jahren so über ihn reden, wie man heute über Karl Odermatt und Köbi Kuhn spricht. Vergessen und Ersetzen sind aber zwei Paar Schuhe. Denn der Fussball geht weiter, der FCB wird auch in Zukunft Titel gewinnen.

Und er bleibt dem Verein ja erhalten. Was kann Marco Streller in die Technische Kommission einbringen?

Ich würde es nicht verstehen, wenn man jemanden mit seinem Werdegang und seinen Verdiensten nicht einbinden würde. Von ihm kann der Verein profitieren.



Urs Fischer, Trainer FC Basel

Urs Fischer, Trainer FC Basel

Bei Thun ist Ihr Nachfolger Ciriaco Sforza entlassen worden und ebenfalls nach wenigen Runden nicht mehr Trainer. Überrascht Sie das?

Damit wird in dieser noch jungen Saison bereits der vierte Trainerwechsel erforderlich. Natürlich tut es mir sehr leid für meinen Trainerkollegen und den Club. Es zeigt einmal mehr, wie schnell es im Fussball gehen kann.

Sie hingegen können sich eher schon mal langsam auf den ersten Meistertitel Ihrer Karriere freuen …

(Fischer bläst Luft zwischen den Zähnen aus, lehnt sich weit in seinem Sessel zurück und verdreht die Augen.)

… so oft verliert der FCB gemeinhin ja gar nicht in einer Saison, als dass er den gegenwärtigen Vorsprung noch verspielen könnte.

Also ich bin ein bisschen vorsichtiger, ist das okay?

Selbstverständlich.

Also sehr viel vorsichtiger als Sie. Von Spiel zu Spiel zu schauen – damit bin ich bisher sehr gut gefahren, in Zürich und auch in Thun. Egal, wie positiv es gelaufen ist, habe ich immer versucht, auf das nächste Spiel zu fokussieren. Alles andere kommt dann wie es kommt. Ich weiss, was mein Auftrag ist in Basel: am Ende der Saison auf dem Barfüsserplatz zu stehen und den Pokal den Fans zu präsentieren. An dem schaffe ich, aber ich lasse mich nicht blenden von sechs oder neun Punkten Vorsprung auf unsere ersten Verfolger. Absolut nicht.

Was sagt der Sieg von YB gegen den FCB aus? Rechnen Sie damit, dass die Berner unter dem neuen Trainer Ihrer Mannschaft noch gefährlich werden können?

In erster Linie liegt es an uns, dass sie nicht näher kommen. Wie in Bern gearbeitet wird und welchen Einfluss Adi Hütter hat, kann ich aus der Distanz nicht beantworten. Aber ich glaube schon, dass man zu spüren bekommen hat, dass der neue Trainer einen frischen Wind reingebracht hat. Aber wenn ich das nächste Spiel nach dem Sieg gegen uns anschaue, dann konnten sie nicht die gleiche Leistung abrufen. Ein Punkt für Thun wäre mehr als verdient gewesen. Es zeigt allerdings auch: Die Young Boys gewinnen, obwohl sie nicht den besten Match gemacht haben. Solche Spiele haben sie vor fünf, sechs Runden noch verloren. Das zeugt von einer gewissen Dynamik, die entstehen kann. Aber wir müssen nicht auf YB schauen, sondern unseren Job machen. Wenn man zu viel nach hinten blickt, schaut man nicht mehr nach vorne. Und dann läuft man gegen einen Pfosten.

Arbeiten Sie oft mit solchen Bildern?

Es muss der Moment dafür sein. Ein Beispiel: Inter Mailand hat gegen Florenz gespielt und 1:4 verloren. Inter spielte dabei das gleiche System wie wir. Am Mittwoch haben wir 20 Minuten dieses Spiels geschaut. Inter lag durch einen Fehler auch schnell im Rückstand, nach 24 Minuten stand es 3:0 für Florenz. Wir lagen nach vier Minuten auch im Rückstand gegen den Ersten der Serie A – und wir drehten das Spiel. Das ist ein Bild, das die Mannschaft mit auf den Weg bekommt. Damit sagen wir ihnen: Jungs, ihr habt einen ganz starken Job gemacht.

Wir wissen, warum Sie Bilder von Inter zeigen: Bilder von Lech Posen kann man der Mannschaft momentan kaum zumuten.

Da hätte ich auch noch etwas zu sagen.

Der Absturz ist gewaltig, Lech ist Tabellenletzter.

Ich habe viele Spiele von Lech gesehen. Sie spielen das gleiche System wie in der Champions-League-Qualifikation, genau gleich aggressiv, und sind sehr dominant in der Liga. Haben 80 Prozent Ballbesitz, die Gegner stehen hinten rein – und am Schluss verliert Posen, hat aus zehn Spielen fünf Punkte geholt und fragt sich: Wie geht das? Wir dürfen nicht auf die Tabelle der Ekstraklasa schauen. Das wäre fahrlässig.



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