«Ich bin über die Kritik erstaunt»

Der Basler Wirtschaftsdirektor Christoph Brutschin verteidigt die Geschäftspolitik der Messe und ortet keinen Handlungsbedarf.

Macht sich nach dem Brexit Sorgen: SP-Regierungsrat und England-Fan Christoph Brutschin.

(Bild: Michael Würtenberg)

Der Basler Wirtschaftsdirektor Christoph Brutschin verteidigt die Geschäftspolitik der Messe und ortet keinen Handlungsbedarf.

Die Bedeutung der Messe für das lokale Gewerbe war ein zentrales Argument, als der Kanton das Volk um 70 Millionen für den Neubau der Messehalle bat. Im Cateringbereich wird das lokale Gewerbe gerade rausgeworfen, weil die Münchner Firma Käfer einen Exklusivvertrag erhalten hat.

Ich muss mich sehr wundern über die Forderung nach Protektionismus. Es hat eine ordentliche Ausschreibung gegeben, und Käfer war der beste. Punkt. Das ist im Übrigen eine Schweizer Firma. Es gibt eine Käfer AG in Basel mit 60 Angestellten.

Die wurde eben erst gegründet.

Klar, aber die Firma ist jetzt hier, sie beschäftigt lokale Angestellte und sie baut laufend aus. Wenn man die Erwartung hat, es müsse freier Wettbewerb gelten, ausser man ist selbst davon betroffen, dann ist das falsch. Basel exportiert Güter über 50 Milliarden Franken jedes Jahr in alle Welt hin­aus. Dann kann man nicht sagen: Okay, hier bei uns darf kein Ausländer Geld verdienen.

Der Staat ist mit 49 Prozent des Aktienkapitals an der Messe Schweiz beteiligt, Basel-Stadt ist mit 33,5 Prozent Haupt­aktionär. Wie verstehen Sie Ihre Rolle im Verwaltungsrat?

Für mich geht es darum, dass die Messe gesund weiterexistieren kann. Die Messe Basel braucht nur dann Mittel der öffentlichen Hand, wenn sie Neubauten tätigen muss. Das Messegeschäft in Europa ist hoch defizitär, schauen Sie München oder Hannover an. Was dort die öffentliche Hand ­direkt oder indirekt einschiessen muss, nur um das Defizit zu decken! Da ist die Leistung der Messe Schweiz im Vergleich eindrücklich. Mein Ziel ist, dass wir die grossen Messen hier behalten und weiterentwickeln können. Die sind für die lokale Wirtschaft, aber auch für den Namen Basel sehr wichtig.

Viele Aussteller beklagen sich über überrissene Preise. Neben dem kommunizierten Preisanstieg von 20 Prozent werden laufend neue Zusatzkosten erfunden.

Gut, man kann sagen, wir machen das wie an anderen Orten: Die Messe ist ein Defizitgeschäft und wir schiessen Steuergelder ein. Dann subventioniert Basel die Uhrenindustrie. Oder wir sagen: Es gibt ein Zusatzangebot, das auf Wunsch der Aussteller bereitgestellt wird. Das zu finanzieren, ist legitim.

Im lokalen Gewerbe herrscht gros­se Verunsicherung.

Ich bin über die Kritik aus dem Gewerbe erstaunt. Normalerweise bekomme ich zu hören, wenn jemandem etwas nicht passt. Gewerbedirektor Peter Malama hat der TagesWoche ja auch bestätigt, dass es keine Probleme gibt. Normalerweise sind Gewerbler nicht zurückhaltend mit ihrer Meinung.

Für viele Betriebe ist die Messe von existenzieller Bedeutung, da ist es doch nachvollziehbar, dass keiner öffentlich Kritik äussert.

Das macht es manchmal auch schwieriger, dass niemand mit seinem Namen hinstehen will. Wenn ich einmal drei, vier Firmen am Tisch habe, ist es einfacher zu handeln.

Die Wettbewerbskommission hat festgestellt, dass der Dienstleisterzwang und die Kickback-Zahlungen der Partnerfirmen kartellrechtlich nicht in Ordnung sind.

Wenn die Weko diesen Massstab anlegt, muss sie beispielsweise auch die Listinggebühren von Grossverteilern anschauen, die Produzenten bezahlen müssen, um ins Regal zu kommen. Solche Unternehmen haben eine marktbeherrschende Stellung, doch die Weko unternimmt nichts. Die Weko sagt ausserdem, sie habe noch keine Klagen erhalten.

Haben Sie eigene rechtliche Abklärungen getroffen, bevor die Messe das Partnersystem eingeführt hat?

Nein, das haben wir nicht. Es greift auch nur in einem kleinen Bereich. Die Zahlen von 10 bis 15 Prozent Umsatzanteil, von denen Sie geschrieben haben, die eine Partnerfirma abliefern müsse, sind viel zu hoch gegriffen.

Das ist branchenabhängig. Gastrobetriebe zahlen rund 14 Prozent, Reinigungsfirmen noch mehr.

Da müssen Sie sich nochmals erkundigen. Ausserdem: Für denjenigen, der Partnerfirma wird, hat das auch Vorteile, wenn er Exklusivität erlangt. Ich habe mich gewundert, dass Sie von Kickbacks geschrieben haben. Da kommen einem gleich Fälle aus dem Versicherungsbereich in den Sinn, wo die Broker das Geld in den eigenen Sack gesteckt haben sollen. Diese Frage habe ich der Messe gestellt: Hat jemand in die eigene Tasche gewirtschaftet? Das ist nicht passiert. Die Zahlungen sind ordentlich in die Rechnung der Messe eingegangen.

Stossend ist, dass die Messe ihre Monopolstellung zum Leid des Gewerbes ausnutzt.

Das gibt es immer wieder, dass einzelne Unternehmen eine beherrschende Stellung auf dem Markt haben. Partnerfirmen sind der deutlich kleinere Teil aller an der Baselworld tätigen Firmen. Ausser dort, wo es um Sicherheitsfragen geht. Persönlich kenne ich zwei Innendekorateure, die arbeiten seit der Lehre in der Messe, immer bei der gleichen Firma, die kein Partner ist und gleichwohl genug Aufträge erhält.

Es handelt sich hier auch um eine neue Entwicklung.

Da müssen wir achtgeben. Wenn es eine wirkliche Verdrängung des lokalen Gewerbes geben würde, dann wäre es eine andere Situation.

Wann ist der kritische Punkt ­erreicht?

Das ist schwierig zu sagen. Das Partnersystem hat für mich Vorteile, aber der Lokalaspekt spielt natürlich eine Rolle. Der grössere Teil der Betriebe, die an der Messe arbeiten, muss lokal bleiben. Wenn sie vernünftige Preise verlangen, müssten die örtlichen Firmen zum Zug kommen. Es gibt natürlich mittlerweile auch solche, die völlig überrissene Offerten stellen.

Apropos kritisch: Baselworld-­Chefin Sylvie Ritter und der Architekt Dany Waldner sind ein Paar. Waldner erhält anscheinend alle Aufträge für Neubauten. Ist das nicht Vetterliwirtschaft?

Waldner arbeitet schon lange bei der Messe, die private Beziehung mit Ritter kam erst später. Er kennt den Betrieb, er kennt die Leute. Jetzt können Sie sagen, gut, er und Sylvie Ritter haben geheiratet, jetzt müssen wir ihm den Auftrag wegnehmen. Problematisch würde es, wenn plötzlich Aufträge in neuen Feldern dazukommen würden.

Also sehen Sie alles in allem ­keinen Handlungsbedarf?

Für mich als Verwaltungsrat ist wichtig, dass der Messeplatz Basel seine Bedeutung behält. Das ist meine primäre Aufgabe. Und dann muss der Verwaltungsrat eine Geschäftsleitung wählen, der er vertraut. Eine andere Rolle scheint mir schwierig.

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 20.04.12

Nächster Artikel