Marc Jaquet, Präsident des Arbeitgeberverbands Basel und selbst CEO eine Industriefirma warnt vor einem Mindestlohn.
Marc Jaquet, zahlen Sie allen Ihren Angestellten mindestens 4000 Franken Lohn?
Wir haben verschiedene Lohnmodelle. Der tiefste Lohn für ungelernte Mitarbeiter ist aber höher als 22 Franken pro Stunde.
Damit erfüllen Sie die Mindestlohn-Initiative. Weshalb wehren Sie sich trotzdem dagegen?
Ich bin überzeugt, dass wir in der Schweiz ein absolutes Erfolgsmodell der Sozialpartnerschaft pflegen mit rekordtiefer Arbeitslosigkeit: Viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren auf betrieblicher Ebene, wie viel Lohn angemessen ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Gesetzgeber einen besseren Einblick in die Arbeitswelt haben und deshalb den Lohn vorschreiben soll.
Einen besseren Einblick nicht, aber wer sonst soll minimale Anforderungen festlegen?
Löhne und Arbeitsbedingungen legen die Sozialpartner am besten gemeinsam fest. Was passiert, wenn der Staat eingreift, sehen wir im Ausland: hohe Arbeitslosigkeit und Verlagerung von Arbeitsplätzen. Besonders tragisch ist, dass Mindestlöhne genau diejenigen mit den tiefsten Löhnen treffen, weil eine Lohnuntergrenze ihre Arbeitsplätze in Gefahr bringt. Mir ist eine rekordtiefe Arbeitslosigkeit lieber – halt auch mit Monatslöhnen unter 4000 Franken – als viele Arbeitslose.
«Ein Unternehmer weiss am besten, welche Löhne finanziell tragbar sind.»
Weshalb sollen Arbeitsplätze verschwinden?
Mindestlöhne, erst recht so hohe, wie sie Gewerkschaften in ihrer Initiative fordern, würden Unternehmen zwingen, die Produktivität zu steigern oder Arbeitsplätze ins Ausland zu verlegen. Ich kämpfe für Industriearbeitsplätze in der Schweiz, an welchen man auch Menschen ohne höchste berufliche Qualifikation unterbringen kann.
In Deutschland sind inzwischen selbst CDU und FDP umgeschwenkt und befürworten einen Mindestlohn.
Es ist populär, einen Lohn zu garantieren. Deutschland steckt in einem Wahljahr, da versprechen Politiker gerne Populäres. Zudem diskutiert Deutschland über einen Mindestlohn, der nur etwa halb so hoch ist, wie der für die Schweiz vorgeschlagene.
Die skandinavischen Länder kennen auch keinen Mindestlohn. Dort unterstehen aber fast alle Angestellten einem Gesamtarbeitsvertrag. In der Schweiz ist es nur rund die Hälfte. Müsste man stattdessen diesen Schutz ausbauen?
Nein. Ich glaube, die besten Lösungen finden wir auf betrieblicher Ebene. Ich kenne doch die Sorgen und Nöte meiner Mitarbeiter. Sie erzählen mir, wie sie mit ihrem Lohn umgehen. Und ein Unternehmer weiss am besten, welche Löhne finanziell tragbar sind.
Das soll funktionieren? Ohne Gewerkschaften mit dem Personal zu verhandeln, in einer Arbeitswelt, in der die Rendite dominiert und es immer weniger Patrons gibt?
Ja, davon bin ich überzeugt. Denn ein Unternehmen, das bei tiefer Arbeitslosigkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht attraktive Bedingungen anbietet, bekommt auch keine guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Auch keine Schuhverkäuferinnen, die häufig unter 4000 Franken verdienen?
Wer freundliche, verkaufsorientierte Mitarbeiterinnen will, muss auch mehr zahlen. Nur der Chef eines Schuhladens kann beurteilen, wer mehr leistet und deshalb auch mehr bekommen soll. Wenn am Ende alle gleich viel Einkommen erzielen, verlieren ausgerechnet die Besten ihren Vorsprung.
Die Initiative will ja nicht für alle dieselben Löhne.
Aber die Untergrenze ist so hoch angesetzt, dass es für viele Unternehmer keinen Spielraum mehr nach oben geben wird.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 17.05.13