«Ich trample eher in ein Fettnäpfchen»

Die Grünliberalen treten mit Martina Bernasconi zur Regierungsersatzwahl vom 18. Mai an. Sie sei unkonventioneller und leidenschaftlicher als ihr CVP-Kontrahent, sagt die 48-Jährige.

An ihrer Mitgliederversammlung vom Montagabend haben die Basler Grünliberalen ihre Nationalratskandidaten nominiert: Auf Platz 1 steht Martina Bernasconi. (Bild: Roland Schmid)

Die Grünliberalen treten mit Martina Bernasconi zur Regierungsersatzwahl vom 18. Mai an. Sie sei unkonventioneller und leidenschaftlicher als ihr CVP-Kontrahent, sagt die 48-Jährige.

Die Basler GLP will mit Martina Bernasconi den Regierungssitz des zurücktretenden Gesundheitsdirektors Carlo Conti (CVP) erobern. Bernasconi sitzt seit 2009 für die GLP im Grossen Rat. Die 48-Jährige hat seit 2002 eine Philosophische Praxis und unterrichtet an der Berufsfachschule Gesundheit Sozialwissenschaften. Im Interview erklärt die ehemalige Politikerin der Frauenliste ihre Beweggründe für die Kandidatur. 

Martina Bernasconi, wieso wollen Sie unbedingt in die Basler Regierung?

Ich habe die nötige politische Erfahrung und das Profil für dieses Amt. Es würde mich extrem freuen, wenn es klappen würde. Vor wenigen Wochen sprach sich die Basler Bevölkerung für die Einführung einer Genderquote in Aufsichtsgremien staatsnaher Betriebe aus. Das Resultat bedeutet indirekt für mich, dass dies auch in der Regierung so sein sollte, wo mit Eva Herzog leider nur eine Frau vertreten ist. Es ist wichtig, dass der Bevölkerung neben den beiden männlichen Kandidaten ebenfalls eine Frau zur Wahl präsentiert wird.

Die GLP ist eine 5-Prozent-Partei und hat eigentlich keinen Anspruch auf einen Regierungssitz.

Aus meiner Sicht spielt es für die Bevölkerung keine Rolle, ob der Sitz an die CVP oder GLP geht, zumal beide Parteien sich in der Mitte befinden und der Unterschied zwischen GLP und CVP eher klein ist. Viel entscheidender und wichtiger ist doch, dass der Sitz in der Mitte bleibt. Und Regierungsratswahlen sind Persönlichkeitswahlen, das Parteibuch spielt da weniger eine Rolle.

Sie setzen also auf den Frauenbonus?

Dass ich eine Frau bin, ist sicher von Vorteil. Das alleine reicht aber nicht.

«Regierungsratswahlen sind Persönlichkeitswahlen, das Parteibuch spielt da weniger eine Rolle.»

Dass Sie eine Frau sind, spielte bei der Entscheidung der Parteileitung, Sie ins Rennen zu schicken, aber wohl eine grosse Rolle.

Wir fanden in der Partei, dass wir möglichst eine Person bringen wollen, die einen Kontrast zu Lukas Engelberger bildet. Wenn ich ein Mann wäre – was ich zum Glück nicht bin – hätte ich mir persönlich gewünscht, dass David Wüest-Rudin antritt…

Aber?

Ich bin kein Mann und David Wüest–Rudin hat weniger Kontraste zu Engelberger als ich. Wählende, die sich nicht intensiv mit der Politik auseinandersetzen, hätten zwei Personen gesehen, die sich ähnlich sind: Beide sind etwa gleich alt, beide sind Familienväter, beide sind sympathisch, beide sind männlich. Der Unterschied wäre auf den ersten Blick klein gewesen.

Was unterscheidet Sie denn von Engelberger ausser dem Geschlecht?

Ich glaube, dass ich ein mutigerer Typ bin. Ich bin unkonventioneller, leidenschaftlicher und denke vermutlich weniger taktisch. Bei Lukas, den ich schätze, spüre ich wenig Leidenschaft. Er ist mir zu brav, zu konform, hat wenig Ecken und Kanten. Er ist der Typ «guter Schwiegersohn».

Und Sie sind die «böse Schwiegertochter»?

Schwiegertochter passt nicht zu mir. Lukas ist korrekt und anständig. Ich bin das weniger, ich trample eher in ein Fettnäpfchen.

Wieso?

Das hat mit meiner Risikofreude und dem Mut zu tun.

Was zeichnet Sie sonst noch für das Regierungsamt aus?

Ich bin eine Person, die sehr schnell denkt und sich rasch in komplexe Sachverhalte eindenken kann. Ich handle gerne, bin entscheidungsfreudig, kompromissfähig und sehr engagiert. Ich bin eine Person, die gerne Verantwortung übernimmt. Ich spreche die Wählenden an, die eine erfahrene, leidenschaftliche und bodenständige Politikerin im Regierungsrat wollen.

«Nur weil man sich für Genderfragen einsetzt, heisst das nicht, dass man eine Linke ist.»

Sie gelten als Linke.

Ich sehe mich ganz klar als Mitte-Politikerin. Ich weiss, dass ich vereinzelt als Linke wahrgenommen werde – und ich finde das auch spannend. Denn als ich für die Frauenliste Politik machte, die damals dem sogenannten Bündnis angeschlossen war, warf man mir vor, zu bürgerlich zu sein. Nur weil man sich für Genderfragen einsetzt, heisst das nicht, dass man eine Linke ist. Gleichstellung und Frauenförderung ist nicht nur ein Anliegen der Linken.

Stört es Sie, in diese Schublade gesteckt zu werden oder ist es für den Wahlkampf ein Vorteil?

Im Wahlkampf ist das sicher ein Vorteil. Von den bisher drei Kandidierenden, die zur Verfügung stehen, bin ich für die Linke wohl am ehesten wählbar. Das erfüllt mich auch mit Stolz. Ich glaube, dass ich aufgrund meiner authentischen Persönlichkeit und politischer Gradlinigkeit – nicht nur im Genderbereich – eine hohe Glaubwürdigkeit habe.

Wie wichtig ist Ihnen das Thema Feminismus heute noch?

Es ist in den Hintergrund getreten. Das heisst nicht, dass die Frauenförderung für mich – oder als Ganzes – überflüssig geworden wäre. Die Gesellschaft ist leider immer noch nicht wirklich gendergerecht. Ich persönlich setze heute meine Schwerpunkte etwas anders: Engagement im Kultur- und Bildungsbereich sowie für ein gesamtes Miteinander in der  Nordwestschweiz. Hierbei fliessen Genderaspekte bei mir jederzeit automatisch mit ein. Ich kann gar nicht anders. Ich habe jedoch Hochachtung für alle feministisch engagierten Menschen, die sich tagtäglich mit grossem Engagement in Politik und Gesellschaft einbringen.

Reaktion Lukas Engelberger

Der CVP-Regierungsratskandidat Lukas Engelberger meint zur Kandidatur von Martina Bernasconi: «Das wird sicher ein aktiver und interessanter Wahlkampf.» Konkurrenz müsse man immer ernst nehmen. Er sei jedoch immer noch «guter Dinge» für den 18. Mai 2014 – obwohl er nun Konkurrenz von einer Frau erhält. «Es wird sicher Leute geben, die lieber eine Frau wählen. Aber ich glaube, dass für die meisten Personen die Kompetenz zählt und nicht das Geschlecht. Dass die GLP mit einem Wähleranteil von fünf Prozent der CVP den Sitz streitig macht, scheint Lukas Engelberger nicht zu stören. «Anspruch auf einen Sitz darf sowieso niemand erheben. Denn am Schluss werden die Sitze immer bei Wahlen neu verteilt.»

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