«Jetzt rede nicht alles schlecht» – «Tue ich doch gar nicht!»

Rauschende Feste und eine einzigartige Meisterparade markieren den Abschied von Bernhard Heusler und Georg Heitz vom FC Basel. Zuvor haben der Präsident und sein Sportdirektor mit der TagesWoche ausführlich über ihre Prinzipien, ihr persönliches Verhältnis und über die Anforderungen in einem «brutalen Geschäft» geredet.

Zwei wie Pech und Schwefel: Georg Heitz (links) und Bernhard Heusler im St.-Jakob-Park, wenige Tage vor ihrem Abschied beim FC Basel. (Bild: Dirk Wetzel)

Bernhard Heusler, als Sie 2012 Präsident wurden, sagten Sie: Mit dieser Verantwortung geht der Luxus verloren, Fan des FC Basel zu sein. So gesehen konnten Sie dieses Gefühl in den letzten Wochen Ihrer Amtszeit wieder auskosten.
Heusler: Warum? Ich bin doch immer noch Präsident. Ich dachte, Sie fragen mich jetzt, ob ich mich darauf freue, das Fan-Sein zurückzugewinnen.

Heitz: Du musst die Frage beantworten, nicht neu formulieren.

Wir hatten das Gefühl, dass Sie mit einer Leichtigkeit durch die letzten Wochen gegangen sind.

Heusler: Ich spüre mehr Leichtigkeit, wenn ich Georg anschaue. Aber beim Cupfinal, da waren wir schon Präsident und Sportchef. Wir haben uns nicht einfach gesagt: Wenn es gut kommt, dann schön, und wenn nicht, dann trinken wir einfach ein Bierchen. Man sitzt auf der Tribüne und ist verantwortlich.

In Genf haben Sie ein Register gezogen, das man von Ihnen so nicht kannte: die flammende Rede in der Kabine.

Heusler: Urs Fischer hat mit seinem Trainerteam diesen Final akribisch vorbereitet. Mir kam es vor wie ein ganz wichtiges Auswärtsspiel in der Champions League. Es gab ein Motivationsvideo, und in diesem Rahmen hat Urs Fischer thematisiert, ob es nicht sinnvoll wäre, dass ich in der Garderobe rede. Einfach, um nochmals einen anderen Akzent zu setzen. Wir sassen vor dem Spiel auf der Bank und da sagte Urs zu mir: «Werde ruhig laut.» Ich entgegnete: «Aber ich muss immer noch ich sein.» Und er antwortete: «Ja, aber es muss laut sein!»

Wie ist das, wenn Bernhard Heusler laut wird?

Heitz: Sehr laut. Es war wirklich sehr laut.

Sie haben die Spieler angeschrien?

Heusler: Ich habe nicht die Spieler angeschrien. Aber ich habe geschrien.

Hat das jemand gefilmt?

Heusler: Nein. Diese Situation war mir zu ernst, um ein Schauspiel aufzuführen.

Ihnen war der Cupfinal sehr ernst. Nach dem Halbfinal hat Georg Heitz gesagt: «Diesen Titel wollen wir jetzt auch noch.»

Heusler: Typisch Heitz, er wollte Sion als Finalgegner. Damit die Aufgabe wirklich richtig spannend ist. Ich hätte auch gerne Luzern genommen, das wäre allenfalls etwas einfacher geworden.

«Natürlich freuen wir uns über Lob. Aber irgendwann ist auch mal gut.»

Der FCB gewinnt das Double und den zweiten Meisterstern hat er auch – Sie können sich in diesen Tagen vor Lob kaum noch retten.

Heitz: Ja. Niemand wehrt sich gegen Lob. Das ist ja klar. Aber ganz ehrlich: Wie alles kann auch das zu viel sein.

Heusler: Auch weil es im Fussball auf dem Platz ungemein eng zugehen kann. Eine Niederlage im Cup hätte zwar nicht unsere ganze Arbeit in ein anderes Licht gerückt. Aber es wäre thematisiert worden, dass wir mit einer emotionslosen Meisterschaft und mit nichts als Niederlagen in den wichtigen K.o.-Spielen abtreten. Wir haben gespürt, dass die Meisterschaft von Tag zu Tag kleiner und der Cup von Tag zu Tag grösser wurde.

Sie fühlen sich in Ihrer Haltung bestätigt, Herr Heitz, dass Sie zu viel Lob skeptisch macht?

Heitz: Ich will nicht, dass es falsch rüberkommt. Natürlich freuen wir uns über Lob. Aber irgendwann ist auch mal gut. Das überhöhte Darstellen von Personen, dieser Personenkult gehört zum Fussball dazu, aber wir mögen ihn beide nicht. Bernhard hat eine fantastische Rede gehalten vor dem Cupfinal. Aber am Schluss gewinnt die Mannschaft die Spiele. Ich darf exklusiv aus dieser Rede zitieren: «Ihr gewinnt diesen Titel für euch, und nicht für uns», sagte Bernhard.

Machte denn im Verein die Haltung die Runde, dass man diesen Titel für die abtretende Führung gewinnen soll?

Heitz: Es gibt zwei, drei Spieler, die können ganz schön pathetisch werden.

Heusler: Das ist ja auch süss. Dann sagen die Spieler: «Präsi, für dich und Gegge holen wir jetzt auch noch diesen Titel.» Diese SMS-Nachrichten lege ich so ab, dass ich sie auch in 20 Jahren noch finde und meinen Grosskindern zeigen kann. Aber am Schluss stehen die Spieler auf dem Platz, und dass Pa Modou vor unserem Führungstreffer ausrutscht, ist keine Folge meiner Rede. Solche Details entscheiden Spiele. Und danach gibt es riesige Theorien und es wird philosophiert.

Heitz: In der ersten Halbzeit stolpert Marek Suchy auch über den Ball, und wenn Sion das sauber ausspielt, dann gehen sie in Führung und es gibt ein ganz anderes Spiel. In dieser Hitze, da kann alles anders kommen.

Heusler: Jetzt rede nicht alles schlecht.

Heitz: Tu ich doch nicht!

Georg Heitz (links), Sportdirektor des FC Basel, und Bernhard Heusler (rechts), Präsident des FC Basel, am 29. Mai 2017 im Gespräch mit der TagesWoche.

Wenn man dann zum Abschied auch noch Cupsieger wird, dann ist man der «beste Verwaltungsrat aller Zeiten» oder man ist eine «Ausnahmeerscheinung», wie geschrieben wurde. Es fehlt nur das Denkmal.

Heusler: Nein. Georg ist ja viel schlauer als ich, wenn er sagt: «Tritt ab, bevor du zum Denkmal oder zur Mumie wirst.» Das ist vielleicht nicht so schlecht: Wir sind als normale Typen angetreten. Und wir treten als normale Typen ab.

Auch wenn man gegen Lob etwas abstumpft: Der Dank der FCB-Anhänger ist Ihnen gewiss.

Heitz: Aber am meisten Freude haben wir doch, wenn die Leute Freude haben. Und nicht, wenn Sie uns danken.

Heusler: Man wird empfindlich für gewisse Dinge. Es war zur Zeit von Murat Yakin, als er ein 1:0 ans nächste reihte. Da klopfte mir einer von hinten auf die Schulter und sagte: «Heusler, alles richtig gemacht!» Und statt ihm zu danken, habe ich zu ihm gesagt: «Hören Sie doch auf, Sie wissen doch gar nicht, ob ich alles richtig gemacht habe.» Ich war unanständig und habe mich später bei ihm entschuldigt. Aber wenn der Ball zweimal nicht ins Tor oder an den Pfosten geht, sagt die gleiche Person vielleicht: «Alles falsch gemacht.» Darüber können wir nun philosophieren. Aber wir hätten nie im Fussball arbeiten dürfen, wenn wir damit nicht umgehen könnten

Heitz: Absolut. Wir wollen nicht jammern. Aber manchmal fragt man sich, wofür sich die Leute bedanken. Wie jeder in seinem Job haben auch wir versucht, das Beste zu machen. Und ab und an wird man grundlos überhöht dargestellt.

Heusler: Ein Spieler soll überhöht werden, wenn er einen Hattrick erzielt. Aber wir sind keine Stars, sondern stellen Rahmenbedingungen bereit. Wir haben mal im Scherz gesagt: Wenn ein Trainer von uns verlangt, den Trainingsplatz zu färben, und wir der Meinung sind, dass er dann einen Punkt mehr gewinnt, dann färben wir den Platz ein.

«Valentin Stocker kam ins Büro und sagte, das Team würde auf die Prämie verzichten, wenn es dafür die Köche bekomme.»

In der Schweiz wird Bernhard Heusler aber sehr wohl als Star unter den Clubchefs angesehen.

Heitz: Ja, weil er halt so auftritt, wie er eben auftritt. Er ist rhetorisch sehr stark, aber auch bescheiden. Und das wird estimiert. So kann man zum Star werden, Bernhard.

Heusler: Was mir gut tut, erfahre ich bei Reisen durch die Schweiz. Wir nehmen in Stadien die öffentlichen Wege, nicht die Hintereingänge. Und wenn man dann merkt, dass es die Menschen nicht stört, selbst wenn sie ein blauweisses Herz haben, dann realisiert man, dass man etwas richtig gemacht hat. Wir arbeiten ja auch für den Fussball als Ganzes.

Heitz: Bernhard ist jetzt etwas sehr bescheiden. Immer wieder wollen Fans der gegnerischen Mannschaft ein Foto mit ihm. Das ist für einen Präsidenten schon speziell.

Passiert Ihnen das auch, Herr Heitz?

Heitz: Nein.

Heusler: Doch, natürlich!

Heitz: Viel weniger. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Bernhard sucht das nicht.

Der Star unter den Sportdirektoren ist Georg Heitz. Er hat schliesslich in acht Jahren alle acht Meistertitel gewonnen und drei Cupsiege geholt.

Heitz: Vor allem habe ich aber drei Cupfinals verloren.

Heusler: In der Liga hat er eine weisse Weste. Ich habe auch zweite Plätze und einen dritten Platz erlebt.

Von aussen betrachtet wirkt die personelle Kontinuität in der Clubführung als wichtigstes Faustpfand dieser Erfolgsgeschichte.

Heitz: Das spielt ganz sicher eine grosse Rolle im Fussball. Wir haben gelernt, dass in einer guten Ambiance bessere Leistungen möglich sind. Wir waren immer sehr bemüht, auch mit gewissen zusätzlichen Anreizen für die Mannschaft. So fliegen wir bei Auswärtsspielen immer unsere Köche ein. Da geht es nicht darum, dass das Essen im Hotel nicht gut wäre. Sondern um die Ambiance.

Die Köche als Erfolgsrezept?

Heitz: Glauben Sie mir, das mit den Köchen ist entscheidend. Einmal kam Valentin Stocker in unser Büro und sagte, die Mannschaft würde auf die Siegprämie verzichten, wenn sie dafür die Köche bekomme. Da geht es nicht nur ums Essen, das hervorragend ist. Sondern darum, dass man auch in Dnjepropetrowsk mit dem gleichen Koch arbeitet. Der weiss dann einfach, wie Adama Traoré seinen Kaffee trinkt. Das registrieren die Spieler.

Heusler: Abgesehen von den Köchen: Wir haben Klarheit in der Rollenaufteilung. Alle wussten, wer sich bei welchem Thema gegen aussen äussert. Und keiner hat den FCB als Steigbügelhalter genutzt. Die Aussendarstellung muss der Realität innerhalb des Clubs entsprechen. Dass sich das so entwickelt hat, hängt auch sehr mit den anderen Verwaltungsräten zusammen, die ebenso mitgearbeitet haben und null Problem damit haben, dass Heusler und Heitz stark überhöht dargestellt werden. Weil immer klar war, was ihre Rolle ist. Beim FCB wussten alle: Gibt es Probleme mit den Fans, ruft man den Heusler an. Will man wissen, ob dieser oder jener Spieler verpflichtet wird, ruft man den Heitz an.

Heitz: Geht es um die Finanzen, stand Stephan Werthmüller Rede und Antwort, bei Fragen zu Talenten Adrian Knup.

Georg Heitz (links), Sportdirektor des FC Basel, und Bernhard Heusler (rechts), Präsident des FC Basel, am 29. Mai 2017 im Gespräch mit der TagesWoche.

Zudem waren Sie nie geschwätzig, sondern eher branchenunüblich verschwiegen. Sie waren Herr Ihrer Kommunikation. Beim Führungswechsel hat das nicht geklappt, das kam in den Boulevardmedien raus. Das war Ihnen dennoch nicht ganz unrecht, oder?

Heusler: Jetzt müssen wir mal etwas klarstellen: Als wir jemanden auf die Piste schickten, damit der jemanden mit unternehmerischem Hintergrund findet, um den Club zu führen, da mussten wir jeden Tag damit rechnen, dass etwas nach aussen dringt. Wir haben Marco Streller gesagt: «Du bist frei, mit Leuten zu reden.» Und da kann man nicht jeden eine Vertraulichkeitserklärung unterschreiben lassen. Die Annahme, dass wir extra ein Leak produziert hätten, damit das publik wird, ist absurd. Wir mussten vor die Türe treten, sonst hätten wir nie jemanden für die Übernahme gefunden.

Heitz: Wir hatten mindestens zwei Wochen vorher damit gerechnet, dass es publik wird.

Sie sassen also auf heissen Kohlen.

Heitz: Man weiss vor allem eines: Ab dem Moment des Bekanntwerdens kommt man aus dieser Nummer fast nicht mehr raus. Es hat dann etwas Definitives, obwohl es noch nicht ganz definitiv ist.

Heusler: Mal ehrlich: Dem Heitz war es eigentlich recht, dass es rauskommt. Er sagte immer: «Wir müssen möglichst früh den Ablösungsprozess einleiten.» Sonst können die Neuen die kommende Saison gar nicht vorbereiten. Und ich fand immer, je später, desto besser.

Warum wollten Sie, dass es länger unter dem Deckel bleibt?

Heusler: Weil es ab dem Moment, da es rauskommt, fix ist. Das ist eher menschlich, nicht geschäftlich.

Sie bestätigen den Eindruck, dass Sie von der alten Crew derjenige sind, dem es am schwersten fällt, den FCB abzugeben.

Heusler: Nein.

Heitz: Nicht mehr.

Heusler: Genau, nicht mehr. Ich habe immer gedacht, dass wir noch die 125-Jahr-Feier mitnehmen. Und Georg hat gesagt, dass man nicht eine Lawine ins Rollen bringen und dann auch noch ihr Timing bestimmen kann. Wie in all den Sachen, die mit Kommunikation zu tun haben, hatte Georg damit recht.

Nach unserem Kenntnisstand hat Stephan Werthmüller den Führungswechsel ins Rollen gebracht. Georg Heitz soll sofort von dieser Idee überzeugt bis begeistert gewesen sein, und Sie, Herr Heusler, musste man erst überreden?

Heitz: Da sind ein paar Dinge unpräzis. Stephan Werthmüller hat einfach gesagt, dass er Ende Saison aufhören wird. Und von Begeisterung meinerseits kann keine Rede sein. Aber dieses Thema hat uns schon seit zwei Jahren beschäftigt. Wir haben uns überlegt, wie wir und der FCB aus dieser Nummer möglichst ohne Schrammen rauskommen. Was wäre denn gewesen, wenn wir in einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit YB gewesen wären? Da hätten wir doch diesen Prozess nicht vorantreiben können.

Heusler: Und wir hätten nicht gutgelaunt Interviews gegeben, sondern in einer Kapelle dafür gebetet, dass es am Ende zum Titel reicht.

Georg Heitz (rechts), Sportdirektor des FC Basel, und Bernhard Heusler (links), Präsident des FC Basel im Juni 2017 im St.-Jakob-Park

Was meinen Sie mit Schrammen?

Heitz: Wenn die Leistung nicht mehr gestimmt hätte in der Mannschaft, dann hätte es sofort geheissen: «Das ist so, weil die beiden so früh ihren Rücktritt bekannt gegeben und damit Unruhe ausgelöst haben.»

Heusler: Was heute als professionell angeschaut wird, würde man bei fehlenden Leistungen als unprofessionell auslegen. Jetzt wird uns aber auch dafür noch auf die Schulter geklopft. Wir sagen immer wieder: Wir sind bis zum Schluss vom Glück auf dem Platz verwöhnt worden. Auch weil wir die verlässlichste Mannschaft hatten und den loyalsten Trainer, den man sich überhaupt vorstellen kann.

Sie sind also zwei Glückskinder, die über die Jahre der Zusammenarbeit zu dicken Freunden geworden sind. Sie sagten im Interview mit der NZZ, Sie hätten die gleichen Wertvorstellungen, zu Macht und Geld beispielsweise. Was heisst das?

Heusler: Das heisst, dass ich Georg blind vertraue. Wenn er einen Spieler verpflichten will, dann weiss ich, dass er das ohne Hintergedanken tut. Er hat keine persönlichen finanziellen Interessen, sondern nur die Mannschaft im Kopf. Diese Wertvorstellungen zu Geld teilen wir ebenso wie jene von Macht. Wir mussten uns nie gross angleichen.

Heitz: Ein anderer Punkt ist, wie man mit Menschen umgeht. Das war uns allen im Verwaltungsrat sehr wichtig, nicht nur uns zwei. Man muss sich bewusst sein: Wenn man die Scheinwerfer ausmacht, ist der Fussball ein brutales Geschäft. Über die Jahre haben wir uns einen Ruf erarbeitet, dass wir anständig mit den Menschen umgehen. Bei uns ist kein einziger Spieler gegen seinen Willen verkauft worden.

Heusler: Zudem ging oft einer mit einem Vorschlag zum anderen, der die gleiche Idee ohne Absprache auch bereits im Kopf hatte. Beispielsweise bei einer Busse, die wir offiziell verhängt, einem Spieler intern aber nicht aufgebrummt haben. Und bezüglich Geld verbindet uns noch etwas: Uns ist das Gefühl von Neid gegenüber Spitzensportlern fremd. Es war mir immer egal, ob ein Spieler das Drei- oder Vierfache von uns verdient. Es war nur wichtig, was er dem Verein bringt.

«Wir wollten möglichst viel Geld im Kreislauf lassen statt sich Dividenden auszuzahlen.»

Apropos Neid: Haben Sie registriert, dass der Verkauf der Aktien kaum ein Thema in der Öffentlichkeit ist?

Heusler: Ja, das war Thema bei uns. Es kommt auch daher, dass wir uns am Morgen beim Blick in den Spiegel nicht denken, dass sei eine problematische Geschichte.

Herr Heusler, Sie haben die Hälfte Ihrer Aktien an Ihre Kollegen im Verwaltungsrat abgegeben. Sind Sie der Robin Hood des Fussballs?

Heusler: Überhaupt nicht. Wir sind angetreten in der Post-Oeri-Ära. Natürlich waren wir damals der Meinung, es brauche einen Mäzen. Wir führten Gespräche mit Interessenten, sind aus diesen Sitzungen aber immer gleich rausgegangen: mit dem Gedanken, dass es eher nicht passt. Wir selber hatten nichts zum Investieren und liefen finanziell auf Messers Schneide. Wir konnten niemandem sagen: «Gib uns Geld und wir bieten dir einen Return on Investment.» Dann hätten wir das, was wir erwirtschaftet haben, nicht ins Kader investieren können. Unsere Theorie war, dass wir möglichst viel Geld in diesem Kreislauf lassen müssen, damit man bei Überschuss einen Mohamed Salah kaufen kann – anstatt sich Dividenden auszuzahlen. Und diese Theorie ist brutal gut aufgegangen. Dafür haben wir gesagt, dass die Aktien dereinst eine Kompensation dafür schaffen sollen. Mit dem Verkauf dieser Aktien fliesst ja kein Franken aus dem Club.

Kompensation heisst, für Ihren Aufwand entschädigt zu werden?

Heusler: Oder für den Mehrwert, den wir geschaffen haben. Der Aufwand sollte schliesslich über den Lohn gedeckt sein.

Herr Heitz, Sie haben in einem Interview gesagt, dass Sie sich nicht schämen müssen für den Betrag, den Sie für die Aktien bekommen. Wie empfanden Sie es, als Bernhard Heusler Sie teilhaben liess an diesen Aktien?

Heitz: Das ist eine grosse Geste. Aber ich muss sagen, dass wir sehr lange nicht daran geglaubt haben, dass diese Aktien am Schluss auch tatsächlich etwas hergeben. Als Bernhard sie übernommen hatte, war das ein Risiko. Denn wenn es nicht aufgeht, dann hängt das ganze Defizit am Aktionär.

Was wäre in diesem Fall denn passiert?

Heusler:Wir hätten die Möglichkeiten nicht gehabt, das Defizit zu decken, und den Club sofort zur Verfügung stellen müssen. Nach Aktienrecht ist es zwar nicht so, dass der Aktionär Geld einschiessen muss. Aber in der Logik des Fussballs muss der Hauptinhaber zu einem gewissen Grad dazu bereit sein. Wir hätten also unsere Macht zurückschrauben müssen. Man kann ja nicht jemanden bitten, das Defizit zu decken, und selbst immer noch den grossen Zampano geben.

Georg Heitz (links), Sportdirektor des FC Basel, und Bernhard Heusler (rechts), Präsident des FC Basel, am 29. Mai 2017 im Gespräch mit der TagesWoche.

(Bild: Basile Bornand)

Jetzt findet mit dem Verkauf der Holding-Aktien ein Paradigmenwechsel statt.

Heusler: Ich habe die Aktien von Gigi Oeri damals mit einem auf zehn Jahre befristeten Aktionärbindungsvertrag übernommen. Den habe ich selbst verfasst, und der war ausgerichtet auf einen Mäzen und nicht auf einen Investor oder einen Unternehmer. Jetzt geben wir das Paket weiter an einen Unternehmer, nachdem wir fast 100 Millionen Kapital geschaffen haben. Und als Unternehmer akzeptiert Bernhard Burgener ganz wichtige Grundsätze des Aktionärbindungsvertrags, nämlich die Defizitgarantie der Holding und eine gewisse Garantie für das Eigenkapital, das erwirtschaftet worden ist.

Was heisst das?

Heusler: Das Eigenkapital wird nicht angegriffen, wenn kein Gewinn gemacht wird. Und es soll nur Dividende ausbezahlt werden, wenn Gewinn erzielt wird.

Ist Bernhard Burgeners Aktionärbindungsvertrag auch zeitlich begrenzt?

Heusler: Der läuft über fünf Jahre. Aber es gibt eine Klausel mit einer Überbindungsverpflichtung. Das bedeutet: Der Nächste nach Bernhard Burgener muss die Verpflichtungen ebenfalls übernehmen.

Heitz: Deshalb muss man mit «Paradigmenwechsel» vorsichtig sein. Sonst tut man Bernhard Burgener unrecht. Er hat sich das Recht herausgenommen, auf zukünftige Gewinne, also wenn das Eigenkapital noch einmal weiter anwächst, einen limitierten Prozentsatz als Dividende auszahlen zu können.

Das ist neu.

Heitz: Richtig. Aber Bernhard Burgener darf bei dieser Betrachtung nicht dastehen als derjenige, der den Club aushöhlen will. Das stimmt einfach nicht.

Er hat bei seiner Vorstellung klipp und klar gesagt: Ich bin kein Mäzen, ich bin Unternehmer.

Heitz: Und für einen Unternehmer hat er sich mit dem Aktionärbindungsvertrag enge Fesseln anlegen lassen.

Heusler: Das erklärt dann auch den Kaufpreis.

Den Sie nicht bekannt geben wollen, der dadurch aber gesunken ist.

Heusler: Völlig logisch. Und das war uns auch bewusst. Wir haben das vor Augen geführt bekommen von Interessenten und den Beträgen, die diese zu zahlen bereit gewesen wären. Das waren dann ganz andere Dimensionen.

Nämlich?

Heusler: Wenn man einen Treuhänder anruft und den fragt, was ein Unternehmen wert wäre, das 130 Millionen Franken Umsatz macht und in den letzten Jahren immer zwischen fünf und zehn Millionen Gewinn ausgewiesen hat, dann kommt dieser Treuhänder je nach Rechnung irgendwann mal auf rund 100 Millionen. Aber so eine Rechnung kann man für einen Fussballclub nicht aufmachen, und ich hätte auch nicht dahinter stehen können. Man darf zum Beispiel die absurden Ablösesummen für Breel Embolo und Mohamed Elneny nicht zum Massstab machen. Das sind zwei aussergewöhnliche Spieler, die halt im gleichen Jahr gewechselt sind. Das kann man nicht immer beeinflussen.

Heitz: Es braucht auch immer das nötige Glück. Das hatten wir in gewissen Momenten und man muss auch anerkennen, dass es so ist. Und nicht sagen, dass alles nur super war.

«Die acht Meistertitel haben dem FC Basel
nicht nur Gutes getan.»

Nichtdestotrotz: Viel höher könnte die Latte für Ihre Nachfolger nicht liegen.

Heusler: Man darf nicht immer zurückschauen. Wenn man die Startbedingungen beim FCB anschaut und mit YB, GC oder FCZ vergleicht, dann sage ich: Schlecht sind diese Bedingungen nicht. Die neue Führung startet mit einem jungen, unverbrauchten Trainer, mit einem eigenen Konzept, sie hat eine volle Kriegskasse, das darf man so sagen, sie beginnt mit einer Champions-League-Gruppenphase. Sie dürfen sich einfach nicht verrückt machen lassen, dass jetzt alles an diesem letzten Jahr und an uns gemessen wird.

Schönes Plädoyer.

Heusler: Es ist doch auch so: Die acht Meistertitel haben dem FC Basel nicht nur Gutes getan. Es gibt einfach viele Fans, die sagen: Ich bekomme es mit den Emotionen nicht mehr hin. Jetzt haben wir doch nach diesem Cupfinal so gelechzt, weil der FCB mal irgendwie nicht als klarer Favorit gegolten hat. So gesehen war Sion ein Traumgegner. Der Club ist weder ein Unternehmen an der Börse, das jedes Jahr mehr Gewinn erzielen muss, noch eine Erfolgsmaschine. Am Schluss ist der FCB ein Unterhaltungsfaktor in dieser Stadt …

Heitz: … und der darf auch mal anders unterhalten.

Misserfolg könnte auf eine Art auch unterhaltsam sein.

Heitz:Schon, aber die neue Führung arbeitet hart dafür, dass es keinen Misserfolg gibt. Das dürfen Sie mir glauben.

Eigentlich kann man angesichts der guten Startbedingungen die neue Führung erst an der Saison 2018/19 richtig beurteilen.

Heusler: Das ist richtig. 2017 ist so gut wie in trockenen Tüchern. Aber die neue Saison geht trotzdem bei Null los. Und dann redet niemand mehr von Heitz und Heusler. Dann geht es darum, ob man das nächste Spiel gewinnt oder verliert.

Dann sagen wir es so: Der Club wird doch noch jahrelang an dieser Ära gemessen werden.

Heusler: Schön, aber es ist Geschichte.

Heitz: Man darf nicht vergessen, was im Fussball jeden Tag an Neuem auf den Tisch kommt, neue Reize, neue Informationen. Wenn es ordentlich bis gut läuft, sind wir eigentlich guter Dinge, dass wir nicht mehr so häufig erwähnt sein werden.

«Das ist das Schrotflintenprinzip – wie bei Transfergerüchten in den Medien: Irgendwann hat man einen Treffer.»

Herr Heusler, Sie haben mal gesagt, dass Georg Heitz in all den Jahren immer wieder mal eine Art Therapeut für den Präsidenten war, wenn der sich aufgeregt hat und emotional geworden ist.

Heusler: Jetzt wollen wir es mal nicht übertreiben. Aber Georg Heitz ist auf jeden Fall ein sehr ausgeglichener Mensch, zumindest nach aussen. Wir Männer sind ja nicht fähig, nach innen zu schauen. Er ist einfach eine Spur gelassener und ruhiger als ich. Vielleicht hat es einfach gegenseitig gutgetan, dass wir uns oft ausgetauscht haben. Wir haben einfach geplaudert, nach Siegen und nach Niederlagen …

Heitz: … oder vor einem Match. Das hilft, auch gegen die Nervosität. Und nervös war ich. Das überspielt man ja zum Teil.

Heusler: Wenn im Spiel ein vielversprechender Angriff läuft, sagt Georg beim Abschluss immer: «Und Goal!» Noch bevor der Ball aufs Tor kommt. In acht von zehn Fällen liegt er nicht richtig (lacht herzhaft).

Heitz: Das ist das Schrotflintenprinzip – wie bei Transfergerüchten in den Medien: Irgendwann hat man einen Treffer.

Und für Sie Herr Heitz, was ist Bernhard Heusler für Sie?

Heitz: Sicher ein Lehrmeister. Fussball ist keine exakte Wissenschaft, aber alles, was damit zusammenhängt, ist nicht so einfach, wie das Vertragswesen etwa. In der Verhandlungsführung ist Bernhard Heusler brillant. Da habe ich unglaublich profitieren können. Alles, was ich kann, habe ich von ihm gelernt.

Wir stellen uns das so vor: Bernhard Heusler geht beim von Georg Heitz eingefädelten Transfer die letzte Meile und holt die zusätzliche Million Ablöse heraus.

Heusler: Nein, nein. Wir haben die Verhandlungen eigentlich jahrelang gemeinsam geführt. Dann gab es Situationen, in denen Georg Heitz allein an der Front war und die Karte des Präsidenten als bad guy ganz bewusst gespielt hat. Da sagt Georg dann am Tisch: «Du, ich habe einen Präsidenten, der ist ein Wahnsinniger, der ist nicht bereit, da noch mal einen Schritt entgegenzukommen.» Wenn wir zwischen den Gesprächen telefoniert haben, mussten wir manchmal darüber lachen.

Heitz: Oder der Präsident hat in den Verhandlungen gesagt: Da stimmt mein Verwaltungsrat nicht zu. Eine Lehre ist: Führe Verhandlungen nie allein!

Heusler: Da darf kein Blatt dazwischen passen. Im Fussball merkt man schnell einmal, wenn etwas ein bröckeliges Gebilde ist. Da redet man mit dem ein bisschen und mit jenem, und am Schluss spielt man die gegeneinander aus. Aber das bringt gar nichts. Georg Heitz ist ausserdem ein Meister im Umgang mit den Agenten. Es gibt keinen, von dem wir sagen: Mit dem setzen wir uns nicht mehr an einen Tisch.

Heitz: Bei Verhandlungen gibt es immer Lücken, die man füllen muss. Und Bernhard hat ganz generell eine unglaubliche Kreativität, Probleme zu lösen.

Georg Heitz (rechts), Sportdirektor des FC Basel, und Bernhard Heusler (links), Präsident des FC Basel im Juni 2017 im St.-Jakob-Park

(Bild: Basile Bornand)

Samuel Inkoom war 2009 der erste grosse Transfer für Georg Heitz. Anderthalb Jahre später ging der ghanaische Verteidiger für das circa Zehnfache der Ablösesumme. War das ein Schlüsselmoment für Sie als Quereinsteiger, für Ihre Reputation nach innen wie nach aussen?

Heitz: Es war eine Bestätigung für uns, dass ein solches Projekt aufgehen kann. Diesen Transfer habe ich noch als externer Berater aufgegleist, das hat eine Zeitlang gedauert und es hat gezeigt, dass es sich lohnt, an einem Spieler dranzubleiben, wenn es nicht auf Anhieb klappt. Und man lernt auch: Es reicht nicht, ein paar Telefonate zu machen, einen Vertrag zu schicken und der Transfer ist gemacht.

Heusler: Samuel Inkoom war sicher einer der kompliziertesten Transfers der vergangenen Jahre. Georg Heitz hat da unglaublich Energie reingesteckt. Und das Ergebnis ist, dass Inkoom sich immer noch bei Heitz meldet, wenn es ihm mal besser oder schlechter geht. Das zeigt, dass es nicht um Kaufen und Verkaufen ging, sondern darum, einen Menschen für sich zu gewinnen und ihm eine weitere Karriere zu ermöglichen. Und das gute Verhältnis ist dabei nicht auf der Strecke geblieben. (Anm. d. Red.: nach dem Wechsel von Inkoom zu Dnipropetrovsk folgten sechs weitere Stationen, zuletzt Vereya in Bulgarien)

«Für mich ist das keine Handelsbilanz, sondern eine reine Bilanz von funktionierendem Personalmanagement.»

Unter dem Strich weist der aktuelle Geschäftsbericht einen für Schweizer Verhältnisse gewaltigen Transferüberschuss von 84 Millionen Franken zwischen 2011 und 2016 aus. Dafür können Sie sich beide noch mal auf die Schultern klopfen lassen.

Heusler: Für mich ist das keine Handelsbilanz, sondern eine reine Bilanz von funktionierendem Personalmanagement. Breel Embolo ist für mich ein gutes Beispiel: Es geht darum, Menschen dafür zu gewinnen, uns zu vertrauen und sie davon zu überzeugen, dass sie den nächsten Schritt im richtigen Moment machen. Das ist nicht einfach Kaufen und Verkaufen.

Am Ende des Tages schon.

Heusler: Wir haben gespürt, dass man uns das nicht richtig glaubt. Aber für mich ist es ein Geheimnis des Erfolgs, dass wir es nie als Verkaufen verstanden haben. Wir sind nie in einer Verwaltungsratssitzung zusammengesessen und haben gesagt: Jetzt ist es Zeit, dass wir Kasse machen mit dem Spieler. Jetzt ist die Aktie so hoch, jetzt müssen wir sie abstossen. Es ist ein Privileg, dass wir das nicht nötig hatten.

Durch die «Football Leaks» werden vom «Spiegel» die mehr und weniger anstössigen Geschäfte rund um den Fussball beschrieben. Von Irrsinn, Masslosigkeit und der absurd aufgeladenen Bedeutung des Fussballs ist die Rede. Können Sie mit derlei Kulturpessimismus etwas anfangen?

(Beide überlegen)

Heusler: Wir bewegen uns sicher in einem Markt, der im Topsegment überhitzt wirkt. Man weiss nicht genau, wo eigentlich die Grenze nach oben ist. Ist es eine Blase, die auch platzen kann? Die TV-Gelder beeinflussen den Gesamtumsatz inzwischen sehr stark: über vier Milliarden für die Premier League, 3,3 Milliarden für die Champions League. Zu viel Geld, und das ist nicht fussballspezifisch, führt immer zu Nebeneffekten. Menschen sind nicht nur gut, und zu viel Geld führt nun mal zu Irrsinn. Ob man daraus einen Kulturpessimismus konstruieren soll, weiss ich nicht. Man sollte den Fussball nicht zu sehr hochstilisieren, zum Retter des Weltfriedens, der alle Grenzen überbrückt. Das ist mir zu pathetisch. Aber andererseits sollte man den Profifussball auch nicht verteufeln. Er ist ein knallhartes Spiegelbild der Gesellschaft, und wenn der Fussball übersteigert bedeutsam ist, dann liegt das an dieser Gesellschaft, die sich in ihrer Freizeit lieber mit Fussball als mit komplexeren Themen auseinandersetzt. Und dafür sehr viel Geld ausgibt.

Georg Heitz (links), Sportdirektor des FC Basel, und Bernhard Heusler (rechts), Präsident des FC Basel, am 29. Mai 2017 im Gespräch mit der TagesWoche.

(Bild: Basile Bornand)

Herr Heitz, wie viel unanständige Angebote mussten Sie von sich weisen?

Heitz: Weniger als man glaubt. Da bewegt man sich immer ein wenig in Klischees von Agenten, die Gauner und Abzocker sind. Die Mehrzahl der Agenten, die wir kennengelernt haben, zumindest die, die sich über Jahre hinweg im Geschäft halten können, die sind in der Regel seriös. Natürlich gibt es unanständige Auswüchse, wie sie vom «Spiegel» beschrieben werden, aber das liegt auch an Clubs, die es zulassen, dass Berater so viel abgreifen können.

Heusler: Dass wir beide so wenig damit konfrontiert wurden, hat auch damit zu tun, wie wir aufgetreten sind. Mit der Integrität, mit dem Ruf und der Ausstrahlung. Es fehlt in diesem Bereich zum Teil schon das Unrechtsbewusstsein. Da wird bei einem Transfer eine Kickbackzahlung von 50’000 für richtig angesehen. Aber wenn man das überhaupt nicht ausstrahlt, dann reicht schon eine halbe Bemerkung. Dann bekommt man solche Angebote auch nicht.

Als der Führungswechsel publik wurde, haben Sie unter anderem gesagt, Sie wüssten, was Ihnen künftig nicht fehlen wird. Zum Beispiel?

Heusler: Vielleicht habe ich das Überdrehte damit gemeint. Dass man in eine Rolle hineinversetzt wird, und die Person in dieser Rolle interpretiert wird. Und ich finde dann, dass ich das gar nicht verdient habe. Weder im Positiven, noch im Negativen. Das werde ich nicht vermissen. Ich sage den Leuten immer: Diskutiert mit mir auf Augenhöhe, dann werden auch die ganzen Hirngespinste und Verschwörungstheorien kleiner. Also: Lasst uns alle wieder ein bisschen runterkommen.

Es heisst immer wieder, der FCB gehöre irgendwie allen. Ist der Club ein öffentliches Gut?

Heusler:Ja, ein halböffentliches Gut. Um das Identifikationsmoment mit dem FCB werden wir in anderen Städten beneidet. Und diejenigen, die ihn führen, stehen auch in der Verantwortung gegenüber diesen Leuten. Natürlich gehört der Club mittlerweile den Aktionären, aber man ist nicht völlig frei. Als wir uns überlegt haben, wie wir den Club abgeben, war uns klar, dass wir der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig sind, wie wir das machen. Die über 20’000 Jahreskarteninhaber, die fast 10’000 Mitglieder, die 100’000 Interessenten in der Region – das ist eine relativ grosse Anspruchsgruppe. Und die Ansprüche hören nicht damit auf, dass man guten, lustigen Fussball sieht. Da wird erwartet, dass der Club nachhaltig geführt wird und gleichzeitig guten Unterhaltungswert bietet.

Kein einfacher Spagat.

Heusler: Was wir auslösen können, nämlich, dass die Mannschaft erfolgreich spielt und der Club gleichzeitig wirtschaftlich und nachhaltig funktioniert, das ist in einer Phase, als das selbstverständlich geworden ist, fast zum Vorwurf umgedreht worden. Plötzlich hiess es: Euch geht es nur noch um Erfolg und ums Geld. Das hat bei uns Fragezeichen ausgelöst.

Der Club sei zu stark kommerzorientiert, wurde kritisiert.

Heusler: Dafür sind wir doch eigentlich da. Und wenn unser Marketingchef sich rechtfertigen muss, warum er Merchandisingartikel verkauft und damit das Fansein kommerzialisiert, dann hätte er eigentlich sein Pflichtenheft auf den Tisch legen müssen. Seine Aufgabe ist es, den Club zu vermarkten, nicht grenzenlos, nicht respektlos, sondern im Rahmen dessen, was wir als Identität des Clubs verstehen. Aber solche Sachen werden nur thematisiert, wenn man sich in einer unglaublichen Komfortzone bewegt. In anderen Clubs würden sie jubeln, wenn man noch eine Bande verkaufen kann oder ein paar Trikots mehr.

«Es besteht eine grosse Chance, dass wir etwas gemeinsam machen. Vielleicht etwas Richtung Beratung.»

Schmerzt solche Kritik auch?

Heitz: Es tut einem leid für die Mitarbeiter, die herausgegriffen und dafür kritisiert werden. Wir sind ja genauso dahinter gestanden, jederzeit. Wir wissen im Gegensatz zu den Leuten, die von aussen argumentieren, was es braucht, damit dieser Club funktioniert. Einerseits verlangen sie, Breel Embolo zu halten, obwohl er europaweit begehrt ist, aber andererseits darf man das Stadion nicht vermarkten. Das beisst sich. Am Schluss ist es eine Güterabwägung, und dabei haben wir kein schlechtes Gewissen gehabt.

Heusler: So lange wir der Überzeugung sind, dass wir unsere Seele nicht verkaufen, kann ich mit Kritik umgehen. Was mich getroffen hat, war der konstruierte Vorwurf: Sie predigen Wasser und trinken Wein. Das Lieblingslied des Präsidenten sei «Erfolg ist nicht alles im Leben», aber es gehe ihm nur noch um Erfolg. Und das ganze aufgehängt an einem Spielertransfer. Himmel noch mal!

Sie meinen den Wechsel von Renato Steffen?

Heusler: Genau. Es ging doch nur darum, der Mannschaft sportlich und emotional etwas einzuhauchen, in Absprache mit der Mannschaft und der Überzeugung, dass es ihr guttut. Das war ein Punkt, an dem wir in einer unserer Kernaufgaben kritisiert worden sind. Da haben wir gesagt: Halt, stopp, jetzt wird es kompliziert.

Das war also der Ausgangspunkt für Sie beide zu überlegen, wie der Absprung gelingen könnte?

Heusler: Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Diese Phase war noch einmal ein Augenöffner, und wir waren ein bisschen ratlos. Wir wollten den Club ja nicht an den Leuten vorbei führen. Es kann nicht sein, dass wir denken, dies und jenes tut dem Club gut – und rundherum sind die Leute unglücklich.

Was kommt für Heusler und Heitz nach dem FC Basel?

Heitz: Jetzt haben wir erst einmal Zeit, uns darüber Gedanken zu machen. Es besteht eine grosse Chance, dass wir etwas gemeinsam machen. Vielleicht etwas Richtung Beratung.

Sie werden künftig dem FCB Spieler anbieten?

Heitz: Ehrlich: Wir haben noch nicht konkreter darüber nachgedacht.

Georg Heitz (links), Sportdirektor des FC Basel, und Bernhard Heusler (rechts), Präsident des FC Basel im Juni 2017 im St.-Jakob-Park

(Bild: Basile Bornand)

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