Lust auf neues Terrain

Jennifer Jans, Präsidentin von BScene, möchte das Basler Clubfestival überregional stärker positionieren. Wie? Das sagt sie im Interview.

Das neue Gesicht an der Vereinsspitze: Jennifer Jans (26). (Bild: Livio Marc Stöckli)

Jennifer Jans, Präsidentin von BScene, möchte das Basler Clubfestival überregional stärker positionieren. Wie? Das sagt sie im Interview.

Im letzten Juni übernahm Jennifer Jans zur Programmation auch noch die Verantwortung im Präsidum von BScene. Jetzt steht die 26-jährige Musikerin (früher Mañana, heute Bleu Roi) und Kulturmanagerin (Kuppel) vor ihrem ersten Festival an der Vereinsspitze. Welche Veränderungen hat sie zusammen mit dem Organisationskomitee für die 18. Ausgabe vorgenommen, welche Schwerpunkte gesetzt?

Als Sie 2013 das Präsidium übernahmen, kursierte das Gerücht, Sie hätten den Präsidenten Christoph Meneghetti aus dem Amt geputscht, was beide dementierten. Was war denn da geschehen?

Christoph Meneghetti wurde nicht abgewählt, er trat zurück. Den Entscheid hatte er schon im Vorfeld gefällt, wir haben im Vorstand – wir sind alle freundschaftlich miteinander verbunden – geschaut, wie es weiter gehen könnte: Und da sprachen Szenenähe und meine Erfahrungen dafür, dass ich das Präsidium übernehmen würde. Mit den Gerüchten habe ich abgeschlossen, aber was ich noch immer bedaure, ist, dass dadurch überschattet wurde, was viel wichtiger und interessanter wäre.

Was denn?

Dass BScene sich 2013 «den Arsch aufriss», vor allem auch unser damaliger Präsident Christoph Meneghetti, um viele Punkte zu verbessern und Pendenzen zu erledigen: von der Buchhaltung über das Controlling bis zur Organisation.

Zuvor war der Verein in die Schlagzeilen gekommen, weil er solche Sorgfaltspflichten vernachlässigt hatte. Wie ist der Stand heute?

Es ist alles im Lot. Wir haben sogar die Geschäftsstelle aufgestockt und ganzjährig besetzt.

Ist es nicht unnötig erwachsen, das Festival auf die 18. Ausgabe hin so stark zu professionalisieren und das ganze Jahr über eine Geschäftsstelle zu betreiben?

Nein, denn mittlerweile gilt auch bei BScene, dass nach dem Festival wieder vor dem Festival ist.

Was macht denn die Geschäftsstelle von Frühjahr bis Herbst?

Im März und April wird finanziell abgerechnet, dann setzen wir uns mit den Clubs zusammen, um Feedbacks einzuholen.

Das heisst, es gibt ein Debriefing mit den Clubs?

Genau. Wir bieten das allen Clubs an. Die Feedbacks sind uns wichtig, von den Bands übrigens auch. Ende April machen wir dann eine Retraite und überlegen uns, wo das Festival strategisch hinsoll.

Und dann?

Folgt eine ruhige Phase, bis im Sommer wieder die Ausschreibung lanciert wird. Die Geschäftsstelle ist nicht immer gleich aktiv, die 60-Prozent-Stelle verteilt sich in ruhige und hektische Zeiten. Wir vom Vorstand arbeiten alle ehrenamtlich. Es geht darum, dass wir operativ entlastet werden.

«Operativ entlastet», das klingt eher nach CEO als nach R’n’R.

Nun, es war schon vor meiner Zeit notwendig geworden, dass sich BScene neu organisiert. In den vergangenen zwei Jahren galt es ja eben auch, die Buchhaltung wieder ins Lot zu bringen, den Verein wieder auf eine stabile Basis zu bringen. Für das Festival ist es auch sehr bedeutungsvoll frisch zu bleiben und sich weiter entwickeln zu können, dafür muss der Vorstand entlastet werden, damit überhaupt die Kapazität dafür vorhanden ist.

Sie haben auch von Strategien gesprochen. Verraten Sie uns jene für die Ausgabe 2014.

Wir haben die elektronische Musikszene stärker miteinbezogen. Bisher spielte diese meist erst an den Aftershow-Partys eine Rolle. Jetzt werden sie gleich gewichtet wie die Konzerte. Im Volkshaus Club No. 8 und im Hinterhof wird ausschliesslich elektronische Musik zu hören sein.

Die Stärkung der Elektronik, ist diese auf Ihr persönliches Interesse zurückzuführen? Unter dem Namen Bleu Roi sind sie ja selber in diesem Genre aktiv.

Was die Ausrichtung von BScene angeht, schöpfe ich eher aus meiner Tätigkeit als Veranstalterin und der Feststellung, dass manche Leute nicht erst nach den Konzerten Party machen möchten, sondern den ganzen Abend. Zudem hat sich der ganze Vorstand für die Stärkung der elektrischen Musik ausgesprochen. Ganz abgesehen davon, dass es die regionale DJ-Szene verdient hat, noch stärker gefördert zu werden.

Eine Aufwertung der DJ-Szene, die bisher als Festivalwurmfortsatz in Erscheinung trat?

Ja, genau. Zudem haben wir entschieden, mehr nationale und internationale Musik ins Programm aufzunehmen.

Oha – ein heikler Punkt.

Ich weiss, aber lassen Sie mich erklären: Es geht nicht darum, die regionale Szene kleinzureden. Sondern darum, das Festival zu erweitern und auch überregional bekannter zu machen. Wir würden uns wünschen, mehr Leute aus anderen Kantonen ans Festival zu locken, wovon auch die Basler Bands profitieren würden. So könnten sie ein neues Publikum für sich gewinnen.

Bei BScene ging es doch immer um eine Werkschau, Nabelschau auch. Internationale Bands haben selten zusätzlich Leute gezogen, weshalb frühere Versuche, BScene überregional zu positionieren, oft kritisiert wurden.

Das kann ich verstehen. Aber ich finde, das Festival sollte eine grössere Ausstrahlung erhalten, wovon schlussendlich auch die Basler Bands und Szene profitieren. Für Basler Bands ist es oft sehr schwierig aus Basel herauszukommen.

Müsste man, statt unbekanntere internationale Bands zu holen, nicht vor allem die Werbung überregional platzieren?

Das machen wir ja auch. Wir haben zwar nicht die Mittel, um am Zürcher Hauptbahnhof zu werben, hängen aber überregional Plakate und versuchen auch mit Medienpartnerschaften wie dem TV-Sender «Joiz» neue Kanäle zu erschliessen. Von 65 Acts kommen 50 aus der Region. Die anderen nehmen den Basler Bands nicht den Platz weg, finde ich, vielmehr betrachte ich das unter dem Aspekt der Förderung.

Förderung für wen?

Für die Basler Bands. Mit den Zürcher Gruppen Wolfman oder Oy am gleichen Abend zu spielen, bringt einen ja auch zusammen. Man lernt sich kennen, kann neues Publikum für sich gewinnen. Wenn man nur in Basel für Basel spielt, verschliesst man sich ein Stück weit für Leute von ausserhalb.

Das stimmt. Aber bei 283 Bewerbungen und 65 Slots verärgern Sie einige lokale Musiker, die nicht zum Zug kommen.

Vielleicht. Aber wir erhalten auch viele überregionale Bewerbungen, ja, sogar internationale Agenturen machen uns ihre Acts schmackhaft. Die Absagen betreffen also längst nicht nur regionale Gruppen. Das wichtigste bei der Auswahl der Acts ist grundsätzlich eine hohe musikalische Qualität und die Vielseitigkeit.

Mit Steff La Cheffe haben Sie die aktuell erfolgreichste Schweizer Rapperin im Programm. Schön. Die gibt sich sicher nicht mit einer Grundgage von 300 Franken zufrieden. Wie rechtfertigen Sie das gegenüber lokalen Gruppen, die weniger Gage erhalten?

Wir kalkulieren die Gage nach Ort, nach Aufwand auch – wenn jemand ein spezielles Repertoire einstudiert, muss man das honorieren, ebenso, wenn jemand einen Bekanntheitsgrad hat, zugkräftig ist und uns hilft, einen grösseren Saal zu füllen. Wir reden aber auch mit den bekannteren Gruppen und erklären ihnen, dass wir ihnen im Unterschied zu grossen Festivals nicht die übliche Gage zahlen können.

Wie hoch ist die Mindestgage?

Grundsätzlich rechnen wir mit rund 100 Franken pro Person. Bei einer Band sind das durchschnittlich 300 bis 400 Franken. Das ist wenig, aber es geht ja auch ein Stück weit darum, dass man sich einem breiteren Publikum präsentieren und entdeckt werden kann. Der Aufwand für eine junge Band, 200 neue Fans zu gewinnen, wäre auf anderem Weg viel grösser.

Und was ist die höchste Gage?

Aus Rücksicht gegenüber den Künstlern kommunizieren wir diese nicht. 

Was gehört weiter zur Strategie?

Unsere Marke bekannter zu machen. Kürzlich fragte mich jemand aus der Region, welche Art von Festival BScene denn sei. Das ist offensichtlich noch immer nicht allen Leuten klar. Auch der Begriff Clubfestival scheint manche Leute zu irritieren.

Weil diese an Rotary oder Lions denken?

(lacht) Vielleicht. Auf jeden Fall machen wir in diesem Jahr eine Publikumsumfrage, um das Verhalten der Leute vor Ort zu evaluieren. Und wir wollen unser Erscheinungsbild stärker bewerben, damit BScene noch bekannter wird und weiter an Ausstrahlung gewinnt.  

Was wir vermissen: Das Soundposter, eine innovative Karte mit Musikbeispielen, die uns im letzten Jahr half, uns ein Bild zu machen und den eigenen Rundgang zusammenzustellen. Warum fehlt dies heuer?

Priorität hatte die Erneuerung unserer Website. Die zusätzliche Einbettung des Soundposters wäre für dieses Jahr zu teuer gewesen.

Neuerungen sind auch bei den Clubs auszumachen: Das Singerhaus ist heuer nicht mit von der Partie, hingegen Hinterhof und Union …

… der Volkshaus No.8 Club und das Sommercasino

… wobei letzteres ja früher, in besseren Zeiten, fester Bestandteil an BScene war.

Ja, das stimmt. Wir nehmen in diesem Jahr einen neuen Anlauf mit dem Sommercasino, aber verkleinern den Raum, da die Vergangenheit gezeigt hat, dass es aufgrund seiner Lage nicht so einfach war, den Konzertsaal zu füllen. Positioniert auf der Strecke zwischen Hinterhof und Kuppel sind wir aber sehr zuversichtlich, dass es dieses Jahr gut funktionieren wird.

Mit dem Union erschliessen Sie ein Lokal im Kleinbasel, das bislang als Konzertort ein Mauerblümchendasein fristete. Wollen Sie dieses zur Blüte bringen?

Dazu beitragen, denn das ist auch die Absicht der Betreiberinnen. Sie möchten mehr Konzerte veranstalten. Der Raum wurde dafür umgestaltet und eine neue Tonanlage installiert, die unglaublich gut klingt. Die Bedingungen sind also gegeben, dass dort eine tolle Stimmung aufkommen kann, auch wenn es im Union keine klassische Clubatmosphäre hat, dort das leicht «Dreckige» fehlt, das man in einer Kaserne oder Kuppel findet.

Waren Sie denn schon mal an einem Konzert im neuen Union?

Ja, einmal trat ich selber auf und einmal stand ich im Publikum. Beide Male fühlte ich mich sehr wohl.

Heisst das, Sie spielen jeweils zuerst in einem Club und schauen dann, ob er sich fürs BScene eignen würde?

(lacht) Nein, die beiden Geschäftsleiterinnen klopften schon im vergangenen Frühling bei BScene an, worauf wir das im Vorstand diskutierten und fanden, dass wir einen Abend im Union gerne mal ausprobieren würden. Erst im Herbst dann machte ich meine eigene Erfahrung auf der Bühne. Ich glaube, das Union ist auf einem guten Weg.

2012 hatte sich BScene deutlich überschätzt, zu viele grosse Säle, zu wenig Publikum als erwartet. Schrauben Sie nach dem Gesundschrumpfen bereits wieder nach oben?

Nein, dieser Eindruck täuscht. Wir wollen den Weg sorgfältig aufbereiten und nicht gleich wieder zu hoch hinaus mit den Kapazitäten. Wir steigern diese nur in einem kleinen Schritt.

Was heisst das konkret?

Wir haben Kapazität für insgesamt 8’500 Besucher. Aber wir haben nicht mit einer vollen Auslastung budgetiert. Wenn wir 5200 Tickets verkaufen, sind wir zufrieden.

Problematisch wurde die Expansion von BScene, als man sowohl in der Kaserne als auch im Volkshaus je zwei Säle bespielte. Haben Sie daraus Lehren gezogen?

Ja. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass wir im nächsten Jahr wieder den grossen Volkshaus-Saal miteinbeziehen, er ist als Spielort und als Plattform sehr toll. Doch diesen und die Reithalle der Kaserne gleichzeitig vollzukriegen, ist schwierig. Es gibt nur wenige Basler Bands, die vermögen so viel Publikum zu ziehen.

Im vergangenen Jahr haben Sie ein spezielles Programm kuratiert, eine klassische acapella-Formation sang Basler Popklassiker. Haben Sie heuer wieder solche aussergewöhnlichen Programmpunkte?

Durch das neue Amt fehlte mir die Zeit, vergleichbar Aufwändiges zu initiieren. Aber es gibt wieder Projekte, die Seltenheitswert haben, etwa den Jazz-Slam im Hirscheneck mit Laurin Buser, etwas, das es so in Basel noch nie zu hören gab. Seltenheitswert hat auch ein Auftritt von Vroooom – einem Basler Bandprojekt, das 2005 fürs 25-Jahr-Jubiläum der Kaserne aus der Taufe gehoben wurde und Glamrockcovers auf die Bühne bringt. Auch erwähnenswert sind DJ-Specials, etwa von Les Garçons, die ausschliesslich Schweizer Elektronik spielen. Zudem werden noch 3 Plattentaufen gefeiert: Rapper Kuzco sowie der Bands Confuzed und Darrow. Ebenfalls wieder an der BScene ist das Streaming Projekt «From The Amber Room», bei dem vier Bands im Bandraum von The Amber Unit im Dreispitz ein Konzert spielen, das in die Kaserne gestreamt wird und auch von überall mit dem Handy geschaut werden kann.

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Hier geht es zum gesamten Programm.

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