Beat Leuthardt ist keiner, der klein beigibt. Er verhandelt hartnäckig und argumentiert scharf – einst als Journalist, heute als Co-Geschäftsleiter des Basler Mieterverbands.
Er hat gerne die Kontrolle über alles – auch über fragende Journalisten und knipsende Fotografen. Beat Leuthardt ist misstrauisch geworden in seinem langen Kampf gegen die Ungerechtigkeit in der Welt. Ob profitgierige Immobilienbesitzer oder mächtige Obrigkeiten, Leuthardt scheut keinen Feind. Der Co-Geschäftsleiter des Basler Mieterinnen- und Mieterverband (MV Basel) formuliert gewählt und vertritt seine Anliegen kompromisslos. Er ist kein angenehmer Verhandlungspartner. Ein Auszug aus dem grossen Interview (zu lesen in der gedruckten Ausgabe vom 5. April oder hier).
Sie mussten bestimmt lange nach einer Wohnung suchen. Wer Ihnen eine Wohnung vermietet, holt sich schliesslich den Ärger direkt ins Haus.
Nein, gar nicht. Auf dem Arbeitsweg verteilte ich Flugblätter. Eine ältere Dame bot mir dann eine mit Sperrmüll übersäte Bruchbude am Blumenrain an. Die Lage war aber so genial, dass ich die Wohnung unbedingt wollte und einiges selber renovierte. Sie ist auch heute noch nicht in einem sehr guten Zustand und deshalb dank Eigeninvestitionen bezahlbar.
In der Wochendebatte diskutieren die Basler SP-Fraktionspräsidentin Tanja Soland und Andreas Zappalà, Geschäftsführer des Hauseigentümerverbands Basel-Stadt und Fraktionspräsident der Basler FDP. Diskutieren Sie mit – und stimmen Sie ab.
Sie hegen also keine Umzugspläne?
Zum Glück nicht. Müsste ich suchen, wäre es verheerend. Die Situation auf dem Basler Wohnungsmarkt ist schwierig. Das zeigt allein schon die Tatsache, dass der MV Basel mittlerweile 10 000 Mitglieder hat. Wir wachsen seit 15 Jahren kontinuierlich, obwohl wir das nicht anstreben. Uns wäre es lieber, wir könnten uns überflüssig machen – und es würde keine Mietprobleme geben.
Das bleibt wohl eine Illusion. Zumindest ist die Wohnungssituation in Basel nicht so dramatisch wie zum Beispiel in Zürich.
Keineswegs. Sogar von offizieller Seite wird heute anerkannt, dass Wohnungsnot herrscht in Basel. Die Regierung hat dies über Jahre hinweg bestritten. Der Leerwohnungsbestand liegt mittlerweile bei 0,46 Prozent. Das ist dramatisch und bedeutet, dass es praktisch keine leere Wohnung mehr gibt und die Wohnungen nur noch unter der Hand weggehen.
Bedeutet denn die Wohnungssuche ein grosses Problem für Ihre Mitglieder?
Die Wohnungssuche ist immer ein grosses Thema. Gerade heute hat der breite Mittelstand grosse Probleme, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Dies nicht zuletzt auch dann, wenn Wohnungen aufgrund von Sanierungen überteuert sind. Hinzu kommt ein neues Phänomen: Mieter, die sich gerade in einer schwierigen Lebenslage befinden. Früher hat man Leute, die ihren Job verloren hatten oder das Geld für den Mietzins nur mühsam aufbringen konnten, eher noch behalten. Heute agieren viele Vermieter skrupellos und sprechen Kündigungen aus. Man will offenbar nur noch nette und adrette Mieter haben. Vor vier Jahren hatten wir vielleicht jeden dritten Monat jemanden bei uns, dem es wirklich schlecht ging. Inzwischen gibt es solche Fälle wöchentlich.
Das heisst, Sie halten den Mieterschutz für ungenügend?
Das Problem ist, dass es keinen Kündigungsschutz gibt, der diesen Namen verdient. Das ist ein Skandal erster Güte. In Deutschland stehen ältere Menschen und langjährige Mietparteien immerhin unter Kündigungsschutz, hier ist es härter. Man kann 90 Jahre alt und noch ordentlich fit sein – und trotzdem aus der Wohnung geworfen werden.
Wo wurden in der Wohnungspolitik in der Vergangenheit die grössten Fehler gemacht?
Die Basler Regierung legte mit ihrer Wohnraumpolitik lange den Fokus auf sogenannte gute Steuerzahler. In den letzten drei Jahren ging es nicht zuletzt wegen vereinzelter Regierungsmitglieder und auch wegen Stadtentwickler Thomas Kessler in eine andere Richtung. So brachte die Regierung mit ihrem Wohnraumfördergesetz zum Ausdruck, dass Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten geschaffen werden soll. Das nehmen wir ernst. Das Wohnraumfördergesetz ist ja der Gegenvorschlag zu unserer Verfassungsinitiative «Bezahlbares und sicheres Wohnen für alle!» …
… ein Gegenvorschlag, den Sie aber für ungenügend halten.
Genau, das Wohnraumfördergesetz genügt uns nicht. Dass die Regierung auf Druck des Genossenschaftsdachverbandes und von uns Genossenschaftswohnungen stärker fördern will, ist positiv. Es reicht aber nicht – weder für den Mittelstand noch für die sozial Benachteiligten, die sich die relativ teuren Genossenschaftsscheine nicht leisten können. Hier kommt nichts von der Regierung.
Ein Rückzug der Initiative kommt für Sie also unter keinen Umständen infrage?
Auf keinen Fall. Schon nur wegen der geplanten faktischen Abschaffung des Gesetzes über Abbruch und Zweckentfremdung gehen wir auf die Barrikaden. Es kann doch nicht sein, dass ein Spekulant ohne gesetzliche Hürde aus älteren Wohnungen Luxuswohnungen machen kann. Dieses Gesetz ist ein Grundpfeiler des sozialen Rechtsstaats und muss zwingend erhalten bleiben.
Vor Ihrem Engagement für die Basler Mieter waren Sie Journalist. Ein erfolgreicher?
Wenn sich Erfolg daran misst, ob man gewissen Themen Publizität verschafft, dann schon. Beispielsweise damals, als ich aufdecken konnte, dass die Schweizer Armee an den Aussengrenzen gegen Flüchtlinge eingesetzt werden sollte. Nimmt man als Gradmesser die konkreten Auswirkungen des eigenen Schaffens, dann war mein Erfolg eher bescheiden. Als Weltverbesserer war ich als Journalist wohl nicht erfolgreich. Die Situation mit den Flüchtlingen ist heute ja nicht besser geworden.
Sind Sie ein Gutmensch?
Ich denke schon, auch wenn ich die heutige Definition etwas schwierig finde.
Sie haben im Vorgespräch versucht, Einfluss auf die Inhalte dieses Interviews zu nehmen. Sie wollten zum Beispiel nicht über Ihre Arbeit als Tramchauffeur bei den BVB sprechen, und haben stattdessen Themen vorgeschlagen, die Ihnen genehmer sind. Hätten Sie als Journalist solche Bedingungen akzeptiert?
Nein.
Warum verlangen Sie dies dann von uns?
Ich habe gar nichts verlangt. Ich habe lediglich aufgezeigt, zu welchen Themen ich die Kompetenz habe, etwas zu sagen. Ich übe viele unterschiedliche Tätigkeiten aus. Einige davon selbstbestimmt, andere nicht. Bei Ersteren kann ich Auskunft geben, bei den anderen eben nicht. Über das Tramfahren kann ich nur sagen, dass es mir immer noch grossen Spass bereitet, auch wenn es ein anstrengender Beruf ist. Definitiv mein bisher härtester Job, härter als Postsäcke buckeln beim Bahnpostamt und härter als der Dienst auf Schweizer Dampfschiffen.
Sie haben den Ruf hartnäckig, gar verbissen zu sein. Halten Sie dies für eine Stärke oder eine Schwäche?
Beides würde ich sagen. Für einen Recherchierjournalisten ist diese Eigenschaft von Vorteil. Im Privatleben kann sie aber zum Problem werden, wenn sie überhandnimmt, da müssen Sie aber andere fragen. Ich meine aber, in einer Welt, die so ungerecht ist wie die unsere, braucht man solche Eigenschaften unbedingt, um etwas zu erreichen. Deshalb empfinde ich diese Charakterisierungen eher als Kompliment.
Das vollständige Interview mit Beat Leuthardt können Sie in der gedruckten TagesWoche vom 05.04.2013 oder hier lesen.
Beat Leuthardt
Der Jurist Beat Leuthardt begann 1978 als freiwilliger Rechtsberater beim Basler Mieterinnen- und Mieterverband (MV Basel). Seit 1998 ist er Co-Geschäftsleiter und Leiter der Rechtsabteilung. Vor seiner Tätigkeit beim MV Basel war er Journalist. Unter anderem war der 56-Jährige für die «Basler AZ», die «Wochenzeitung» und den «Tages-Anzeiger» tätig. Beat Leuthardt lebt mit Patrizia Bernasconi zusammen, die Geschäftsleiterin des MV Basel und BastA!-Grossrätin ist. Leuthardt ist Mitglied derselben Partei.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 05.04.13