Mit dem FCB hat Marco Streller Titel um Titel geholt, in der Nationalmannschaft spielte er bloss 37 Mal. In Basel ist der bald 34-Jährige eine Identifikationsfigur, in anderen Stadien wurde er ausgepfiffen. Ein Gespräch zum Karrierenende über prägende Trainer, hohe Löhne und die Veränderungen im Fussball-Business.
Marco Streller, wie oft haben Sie in den vergangenen Wochen gedacht: Vielleicht hätte ich doch noch ein Jahr dranhängen sollen?
Kein einziges Mal. Im Gegenteil: Ich werde jeden Tag bestätigt, dass es die richtige Entscheidung ist. Natürlich gibt es Momente, wie nach dem 6:0 gegen Aarau (beim Heimspiel Anfang April, Red.), in denen mir Fussball immer noch sehr viel Spass macht. Ich habe meine Jungs gerne, ich bin gerne im Joggeli, und es sagt immer wieder mal einer zu mir: Mensch, du könntest doch noch ein Jahr länger spielen. Aber ich spüre, dass es Zeit ist, und ich habe es mir immer so gewünscht, wie es jetzt läuft: Als Meister aufzuhören.
Am Freitag, 29. Mai, geht die Meisterschaft für den FC Basel zu Ende. Das Heimspiel gegen den FC St. Gallen (Anpfiff 20.30 Uhr) werden der FCB und die Fans nutzten, um Marco Streller im St.-Jakob-Park die grosse Abschiedsbühne zu bereiten. Neun Tage später, am Sonntag, 7. Juni, findet an selber Stelle der Cupfinal zwischen dem FC Basel und dem FC Sion (14.00 Uhr) statt. Ist Streller einsatzbereit, wird dies sein allerletztes Spiel werden. Da es sich um eine Veranstaltung des Schweizerischen Fussballverbandes handelt und das Joggeli (mindestens) zur Hälfte mit Walliser Fans gefüllt sein wird, liegt es auf der Hand, dass der FCB die Partie gegen St. Gallen als den geeigneten Anlass betrachtet, seinem phänomenalen Stürmer und Captain Adieu zu sagen.
» Das Herz wird bluten – eine Hommage an Marco Streller
Ist es eine mentale oder eine körperliche Müdigkeit, die Sie spüren?
Es ist zu 70 Prozent die mentale Beanspruchung, und auch die körperliche nimmt zu. Ich spüre die vielen Jahre, und gegen Ende der Saison muss ich mich ein bisschen durchbeissen. Das ist ja normal, in dem Alter und als Stürmer. Als Verteidiger ist das was anderes. Ich war nie ein Pfeil, aber für meine Grösse habe ich eine gewisse Schnelligkeit gehabt, und das wird weniger. Wenn man eine oder zwei Linien weiter hinten spielt, kann man das besser kompensieren. Und vorne bekommst du Schläge auf die Knochen – mit Ende zwanzig steckt man das besser weg als jetzt, mit Mitte dreissig.
Eines darf man, ohne Ihnen zu nahe zu treten, auch feststellen: Trotz Ihrer immer noch famosen Quote an Toren und Assists sind die erfolgreichen Aktionen weniger geworden. Oder nehmen wir die völlig unmassgebende, strenge Durchschnittsbewertung der TagesWoche für Sie: von 4,6 auf 4,4.
Ein bisschen ist das auch systembedingt. Ich war nie ein Stürmer, der sich allein über seine Tore definiert. Ich habe gerne für meine Nebenleute aufgelegt. Und dann kommt es darauf an, was das für Spielertypen sind: Ist Shkelzen Gashi einer, der eher in die Tiefe geht, oder kann man Breel Embolo steil schicken und dann macht er das Tor selber? Kürzlich, gegen GC, war meine Aufgabe, die Abwehr weit nach hinten zu drücken, und deshalb war ich auch ein paar Mal im Abseits. Manchmal ist einfach die Präsenz des Mittelstürmers wichtig, um die Verteidiger zu binden und dadurch das Spiel auf den Aussenpositionen zu öffnen. Das ergibt unter dem Strich weniger Aktionen, aber damit kann ich leben. Ich habe immer für die Mannschaft gespielt.
Unter Paulo Sousa wurde die Systematik des FCB-Spiels neu gemischt. Fällt einem das im Herbst der Karriere mit all der Erfahrung im Rucksack leichter?
Auf jeden Fall. Ich habe mich ja nie als typischen Mittelstürmer gesehen. Das bin ich einfach nicht. Ich gehe gerne über aussen, komme über links und bereite Tore vor. Das hat mit Alex Frei prima geklappt und mit Valentin Stocker. Deine Sturmpartner wechseln fast jedes Jahr, daran muss man sich gewöhnen, und jeder Trainer hat eigene Ideen vom Fussball. Es kommt dann vor allem auf die Kommunikation mit dem Trainer an, und die ist mit Paulo Sousa sehr gut.
Was heisst das konkret?
Er hat mir ganz klar gesagt, was er von mir erwartet. Er hat mir erklärt, dass die Einsatzminuten wahrscheinlich weniger werden und ich dafür in den «Key Games», wie er sagt, parat sein muss. Das hat in dieser Saison nicht so schlecht geklappt. National reicht es schon noch, das Niveau, international ist es schon schwerer. In den Achtelfinals der Champions League gegen Porto habe ich fast kein Land gesehen. Aber solche Spiele habe ich auch früher gehabt. Man darf sich nicht überschätzen: Ich weiss, was ich kann und wo ich hingehöre.
In Ihrem Fussballerleben gab es einen Moment, der wie eine zweite Geburt des Marco Streller war: Der Trainerwechsel 2009 und die Ankunft von Thorsten Fink beim FCB. Wir behaupten: Erst von da an konnten Sie Basel zeigen, was Sie wirklich drauf haben. Zuvor, unter Christian Gross, waren sie der Keilstürmer, der vornehmlich mit hohen Bällen gesucht wurde. Dann haben Sie – von Fink mit allen Freiheiten ausgestattet – Tore auf hinreissende Art vorbereitet und erzielt.
Thorsten Fink ist der Trainer, der mich am stärksten geprägt hat. Er wird immer mein Lieblingstrainer bleiben. Bei Christian Gross musste ich auch unten durch, er hat mich auf das Geschäft vorbereitet, darauf, dass nicht alles gut und schön ist. Aber er hat auf mich gesetzt. In der ersten Phase in der ersten Mannschaft war ich neben Christian Gimenez auch schon eher der Vorbereiter. Das hat man nicht wahrgenommen, weil ich nach einem halben Jahr schon wieder weg war. Aber es ist schon so: Thorsten Fink hat einen grossen Anteil daran, was nach 2009 passiert ist. Er hat mich zum Captain gemacht, er hat genau gewusst, wie er mich nehmen muss, er hat mich sehr viel gelobt, hat mir Vertrauen geschenkt. Dann kam Alex Frei, womit sich nicht mehr alles auf mich fokussiert hat, und das hat mir gut getan.
Gibt es denn umgekehrt Trainer, die Sie negativ geprägt haben?
Die letzte Saison unter Christian Gross war schwierig für die Mannschaft, und das Umfeld ist unruhig geworden, auch mir gegenüber. Aber wenn ich über Christian Gross rede, muss ich festhalten: Er hat den Erfolg nach Basel zurückgebracht, und das ist zu einem ganz grossen Teil sein Verdienst. Ich musste durch eine sehr harte Schule bei ihm gehen, aber es hat mich auch widerstandsfähiger gemacht. Und das braucht es auch, denn diejenigen, die diesem Druck nicht standhalten können, die funktionieren in diesem Geschäft nicht.
Also hat Christian Gross Sie genau richtig angepackt?
Er wusste, was es braucht, er hat versucht, mich zu schleifen, was ich nicht immer verstanden habe. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich mir manchmal auch ein bisschen selbst im Weg gestanden bin. Heute, glaube ich, hätte er grosse Freude an mir, wie ich meinem Beruf gegenüberstehe, mit welcher Professionalität ich an ihn herangehe. Was er mir vor neun, zehn Jahren mit auf den Weg gegeben hat, damit hat er Recht gehabt. Deshalb kann ich nicht sagen, dass er mich negativ geprägt hat. Im Gegenteil: Ich habe ihm viel zu verdanken.
Hatten Sie mit allen Trainern so viel Glück?
Ich habe nie Trainer gehabt, die gar nicht auf mich gesetzt haben, bei denen ich plötzlich auf der Tribüne gelandet bin. In der Meistersaison in Stuttgart gehörte ich in allen 34 Spielen zum Kader. Und auch wenn ich nur sieben Mal in der Startelf stand, hatte ich die meisten Einsätze der gesamten Mannschaft. Zu Trainer Armin Veh hatte ich ein sehr gutes Verhältnis. Da war halt Mario Gomez vor mir, der fast in jedem Match ein Tor gemacht hat, und einen Cacau in einer Riesenform. Wir sind damals auch deshalb erfolgreich gewesen, weil alle ihre Rolle akzeptiert haben, auch wir auf der Bank. Also: Ich kann über keinen meiner Trainer schlecht reden.
Und das letzte Jahr unter Murat Yakin, was ist da passiert?
Ich mag Muri sehr, wir spielten beim FCB in einer Mannschaft. Wir waren Kumpel, und ich hoffe, wir sind das immer noch. Es war keine einfache Saison, weil ein bisschen viel Unruhe aufgekommen ist. Er war ein Trainer, mit dem man vorher noch zusammengespielt hat, einer, der eher von der Intuition lebt. Der wird dann plötzlich dein Chef. Das ist nicht einfach. Aber auch ihm gegenüber habe ich keine negativen Gefühle.
Wie war es in Stuttgart mit dem grossen Giovanni Trapattoni?
Wir haben nicht lange zusammen gearbeitet, da ich nach einer halben Saison an den 1. FC Köln ausgeliehen wurde. Er ist ein absoluter Gentleman, der – von seiner Wutrede in München mal abgesehen – nichts auf seine Mannschaft kommen lässt. Und ein Monsieur, der jedem vor dem Match erklärt hat, warum er spielt oder nicht spielt.
War es fussballerisch auch spannend unter dem Sicherheitsfreak Trapattoni?
Er hat eine defensivere Note reingebracht. Im Gegensatz zu Felix Magath oder Matthias Sammer, bei denen wir mit zwei Spitzen gespielt haben, hat Trapattoni auf einen Ein-Mann-Sturm gesetzt. Und nachdem für viel Geld Jon Dahl Tomasson geholt wurde, war klar, dass er spielt.
Passt Ihnen eigentlich die Karriereüberschrift, die unlängst die NZZ gewählt hat: «Zwischen Buhmann und Volksheld»?
Ich sehe mich weder als das eine noch das andere. Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo in der Mitte. In den jüngeren Jahren habe ich sehr offensiv kommuniziert, und das war sicherlich ein Fehler. Bis zum Beinbruch im Trainingslager der Nationalmannschaft vor der Euro 2004 ging es bei mir eigentlich immer nur bergauf. Ich habe damals gar nichts anderes gekannt. Dann kamen andere Verletzungen dazu, ich habe nicht immer so für den Beruf gelebt, wie es nötig gewesen wäre, und ich habe es zum Teil auch mir selbst zuzuschreiben, dass die Stimmung mir gegenüber manchmal negativ war. Aber in der Schweiz ist es halt nun mal so: Wenn du erfolgreich bist, dann eckst du damit auch an.
Ihre Lehre daraus?
Ich habe defensiver kommuniziert. Und ich habe nie irgendwelche Gesten in Richtung gegnerischer Fans gemacht, weil mir Fairplay sehr wichtig ist. Mit der Zeit hat sich an anderen Schweizer Orten die Stimmung mir gegenüber gewandelt.
Als Basler polarisiert man in der Fussball-Schweiz schon beim Überziehen des Trikots.
Das musste ich oft lesen, dabei will ich doch gar nicht polarisieren. Ich habe das Bedürfnis, dass die Menschen mich mögen, und es ist mir wichtig, was sie über mich denken. Das ist zwar naiv in diesem Geschäft, aber mittlerweile habe ich mir auch ausserhalb von Basel einen gewissen Respekt erworben. Anhänger anderer Vereine sagen mir, dass sie auch gerne einen hätten, der sich so identifiziert mit dem Verein wie der Streller mit dem FC Basel.
Es gibt etliche Punkte in Ihrer Karriere, die als Zwischenüberschriften taugen: Höhepunkte in der Nationalmannschaft, wie das Tor in der Türkei, das die Schweiz an die WM 2006 brachte, dann der verschossene Elfmeter an der WM, viele Tore für den FCB, rauschende Europacup-Nächte, tolle Spiele von Ihnen, auch ohne dass Sie selbst getroffen haben, acht Meistertitel, Cupsiege… Was ist Ihr persönliches Highlight oder der Moment, der für Sie wichtig war, der Sie bestärkt hat?
Angefangen hat es mit dem Beinbruch bei der Nationalmannschaft, dann eineinhalb Jahre später das so wichtige Tor in der Türkei, mein erstes überhaupt für die Schweiz. Das hat mir gezeigt: Du musst immer dranbleiben. Dann war ich 2010 sehr lange verletzt und konnte dann mit einem Tor in Tiraspol zur Champions-League-Qualifikation des FCB beitragen. Das war ein Moment, der vielleicht gar nicht so gross wahrgenommen wurde, aber es ging damals um enorm viel, nicht zuletzt um sehr viel Geld.
Und der WM-Elfmeter in Köln?
Natürlich hat mich das geprägt, der Penalty gehört zu meiner Karriere und hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Aber ich kann mir zumindest nicht vorwerfen, dass ich keine Verantwortung übernommen habe. Wir brauchten fünf, die schiessen. Ich durfte – oder musste – als sehr junger Spieler als erster antreten und habe versagt.
Und Scheitern gehört im Sport dazu.
Es gibt etliche Situationen, von denen ich sage: Es hat sich gelohnt. Alles Leiden hat sich gelohnt, auch wenn sich die ganze Schweiz über dich auslässt und es als junger Mann nicht einfach ist, damit umzugehen. Es hat Zeit gebraucht, um das zu verarbeiten, aber irgendwann konnte ich über den Penalty lachen.
Wer tröstet einen in einem Moment wie Köln, oder was tröstet im Moment des Scheiterns?
Du weisst zwar, dass Familie und Freunde für dich da sind, und versuchen, dich aufzubauen. Aber ehrlich gesagt bringt das nicht viel, weil sie sich nicht vorstellen können, was tief in dir drin vorgeht. In Köln hat mich am meisten getröstet, dass Hakan Yakin mich in den Arm genommen hat. In solch einem Augenblick will man mit Leidensgenossen zusammensein, die einen verstehen.
Gilt das auch für andere Lebenslagen?
Als ich mir Gedanken über meinen Rücktritt gemacht habe, habe ich das Gespräch mit Benjamin Huggel, mit Alex Frei gesucht, mit Ludovic Magnin; Leute, die das hinter sich haben und wissen, wovon ich rede. Aussenstehende können das nicht verstehen, die sagen: Du spielst beim FCB, du bist Captain, du verdienst so viel Geld – wieso hörst du freiwillig auf?
Und wie war das für Sie, verkauft zu werden?
Man wird zur Ware, das stimmt. Aber es sind lächerliche Summen, wenn man sie mit denjenigen in der englischen Premier League vergleicht. Wir haben bei Chelsea Spieler gesehen, die haben 20 bis 25 Millionen gekostet. Und ich behaupte, die würden bei uns gar nicht spielen. Manchmal ist dieses Geschäft pervers.
Wie viel haben Sie vor elf Jahren beim FCB vor Ihrem Wechsel in die Bundesliga verdient?
In Basel waren es 4000 Franken brutto. Heute haben wir 16-Jährige mit diesem Lohn. Und ich hab den Betrag damals als Torschützenleader der Super League erhalten.
In Stuttgart dürften Sie das Zehnfache verdient haben.
Mindestens. Nur schon die Einsatzprämien lagen bei rund 20’000 Euro, das sind andere Dimensionen, unglaublich. Aber mittlerweile werden auch in Basel und Bern Löhne gezahlt, die annähernd Bundesliga-Niveau haben.
Diese Lohnentwicklung kann man als Exzess bezeichnen.
Ja. Der Fussball wird halt immer populärer und weil viele den Traum vom Profifussballer haben, wird es schwieriger, diesen Weg zu gehen. Der Markt gibt diese Löhne momentan her, deswegen sind diese Zahlen ein Stück weit die logische Konsequenz. Vielleicht führen sie aber auch dazu, dass die Kritik an den Spielern grösser wird. Mit den Sozialen Medien kann diese Kritik zudem jeder und anonym äussern, es geht oftmals unter die Gürtellinie.
Haben Sie eigentlich ausgesorgt in Ihrem Leben?
(überlegt) Also wenn ich es nicht ganz dumm anstelle, dann glaube ich das, ja.
Wer ist der Finanzminister zu Hause?
Ein Freund von mir, mit dem ich schon auf der Bank zusammengearbeitet habe. Er hat das schon immer gemacht, da ist Kontinuität drin.
Sind Sie ein sparsamer Mensch?
Eigentlich nicht, ich bin sehr grosszügig. Allerdings weiss ich auch, was ich mir leisten kann.
Immerhin kommt das viele Geld, das im Fussball-Business steckt bei den Spielern an. Sie sind schliesslich die Artisten in diesem Zirkus.
Das sehe ich auch so. Früher musste man als Spielervermittler eine Lizenz machen, heute haben wir theoretisch Millionen von Spielervermittlern im Land. Bei einem Juniorenspiel gibt es zuweilen mehr Vermittler als Zuschauer. Diese Entwicklung macht mir Sorgen.
Wäre denn die Rolle als Spielervermittler etwas für Sie?
Nein. (überlegt) Es wäre eine Rolle für mich, weil ich ein seriöser Mensch bin; weil ich nicht das Geld sehe, sondern den Spieler und seine Karriere. In beratender Funktion würde ich das machen, wenn mich einer anruft, beispielsweise Breel, dann bin ich immer da. Ohne das Finanzielle dahinter zu sehen. Aber es ist schwierig in diesem Business, in dem viel gelogen wird, eine seriöse Person zu bleiben. Und manchmal wird man einfach gefressen, wenn man nicht stark genug ist.
Dann wäre es eben doch eine Rolle für Sie.
Ja, aber man kämpft gegen Windmühlen.
Wo wird denn am meisten gelogen im Fussballbusiness?
Es gibt sehr wenige Verträge, die erfüllt werden. Ich hab mit meinem Wechsel nach Stuttgart selbst einen Vertrag gebrochen und muss mich deswegen also nicht heiligsprechen. Aber später habe ich gesagt, dass ich mit dem FCB Geschichte schreiben will. Da kann man nicht nach zwei Jahren abbrechen, wenn man lukrativere Angebote hat. Es gab Situationen, in denen ich das Zwei- bis Dreifache hätte verdienen können. Aber für mich stimmte in Basel das Gesamtkonzept und ich wollte meinen Vertrag einhalten. Und nun habe ich ihn doch noch mal gebrochen, indem ich früher als ausgemacht aufhöre.
In diesem Fall wollen wir mal nicht so streng sein, schliesslich spart der FC Basel damit auch einen saftigen Lohnbatzen.
Und für mich ist es ein grosser Verzicht. Ich hätte ohne Probleme noch ein Jahr spielen können, hätte auch nächste Saison noch meine zehn Tore gemacht. Aber ich bin ein Hundertprozent-Mensch, und wenn es nicht mehr ganz aufgeht, dann muss man es bleiben lassen.
Ihr Status im Verein und in der Region wird über Jahre Bestand haben, sie werden als eine der grossen Figuren in die Vereinsgeschichte eingehen. Der Preis ist die Bewegungsfreiheit, die in Ihrer Heimatstadt eingeschränkt ist. Wie gehen Sie damit um?
Diese Nähe zu den Menschen habe ich immer zugelassen, ich muss mich nach meiner Karriere also nicht erst daran gewöhnen. Es ist schön, dass ich den Leistungsdruck im Hinblick auf das Wochenende nicht mehr habe. Ich kann dann einfach guten Gewissens ein Bierchen trinken gehen. In guten Phasen war das auch bis anhin kein Problem. Aber wenn es nicht gut läuft, dann heisst es gleich, der hat irgendwo eine Stange getrunken. Trotzdem habe ich noch einen gewissen Status. Und aufgrund meiner Erfolge wird das vermutlich noch eine Weile weitergehen.
Zumal Sie weiter für den FCB tätig sein werden.
Darauf wird es wohl hinauslaufen. Was es konkret sein wird, kann und will ich noch nicht sagen. Das Verhältnis zwischen Bernhard Heusler, Georg Heitz und mir ist ausgezeichnet, aber wir haben gesagt, dass wir jetzt erst mal das Double holen wollen. Dann schauen wir weiter.
Wir nehmen an, dass Marco Streller nicht Juniorentrainer wird oder scharf auf den Job des Sportchefs ist, sondern eher eine Funktion zwischen Verein, der Öffentlichkeit und den Fans wahrnimmt.
Ich habe eine Rolle beim FCB, die weit über den Fussball hinausgeht. Eine meiner Stärken ist das Brückenbauen, zwischen den verschiedenen Ebenen im Fussball und den Kulturen. Dieses Talent kann man in gewissen Funktionen gut nützen. Ich werde wohl das Bindeglied zwischen allen.
Marco Streller beim Fototermin mit der TagesWoche auf der Pfalz am Münster: «Einer meiner liebsten Plätze in Basel», sagt er. (Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)