Der tschechische Verteidiger ist der Spieler mit den meisten Einsatzminuten beim FC Basel. Im Interview schwärmt er von Walter Samuel, auch von seinem Trainer, er wehrt sich dagegen, ein harter Hund zu sein, er erklärt, was die Überlegenheit des FCB in der Schweiz ausmacht und warum er sich vor dem nächsten Transfersommer überhaupt keine Sorgen macht.
Marek Suchy, was macht Ihr Deutsch?
Nichts. Ich probiere es manchmal, im Gespräch mit den Kollegen, aber das Level ist nicht besonders hoch. Nicht hoch genug für ein Interview.
In der Kabine ist sowieso Englisch die wichtigste Sprache?
Ja, das ist so. Auch wenn ich einkaufen gehe. Neulich haben wir wegen eines neuen Kinderbetts bei einem Geschäft angerufen. Ich frage dann jeweils, ob der andere am Telefon Englisch spricht. Wenn es dann heisst: nur ein bisschen, dann sage ich: Okay, ich versuche es auf Deutsch. Ich probiere es gerne, weil ich auch interessiert daran bin, die Sprache zu lernen. Aber es ist nicht einfach.
Und dann kommt der Dialekt dazu.
So ist es.
Und, haben Sie das Bett für Ihre Tochter bekommen?
Ja, es hat geklappt.
Viele Interviews mit Ihnen gibt es in Schweizer Medien nicht, seit Sie vor zweieinhalb Jahren zum FC Basel gekommen sind.
Gut so, somit hatte ich meine Ruhe.
Am 29. März 1988 in Prag geboren, hat Marek Suchy seine Juniorenzeit als Fussballer bei Slavia Prag verbracht, wo er als 17-Jähriger in der ersten Mannschaft debütierte und 2008 und ’09 zweimal tschechischer Meister wurde. Es schlossen sich von 2010 an vier Jahre bei Spartak Moskau an, ehe er im Januar 2014 zum FC Basel stiess. Sowohl vergangene wie auch in der laufenden Saison ist der Innenverteidiger der Feldspieler mit der meisten Einsatzzeit beim FCB. Der 26-fache tschechische Nationalspieler lebt mit seiner Frau und der vierjährigen Tochter in Allschwil. » Marek Suchys Leistungsdaten bei der TagesWoche und rotblaulive.ch
Gemessen an Ihren Leistungen standen Sie in der öffentlichen Wahrnehmung etwas im Schatten der anderen.
Das ist schon in Ordnung so. Das passt auch zu meiner Persönlichkeit. Ich bevorzuge es, meine Arbeit auf dem Platz zu machen und gute Leistungen abzuliefern. Ich rede nicht so viel und suche es auch nicht.
Im FCB-Magazin «Rotblau» haben Sie erzählt, dass Sie auch zu Hause keine grossen Reden schwingen.
Das bekomme ich von meiner Frau immer wieder einmal zu hören. Dann sage ich: So bin ich nun mal. Aber klar: Wenn man mich mit anderen Typen vergleichen würde, dann kann man das in zwei Hälften aufteilen: Jene, die mehr und jene, die weniger reden. Ich gehöre zur zweiten Hälfte.
Und Ihr Landsmann Tomas Vaclik? Ist der extrovertierter?
Ein bisschen, vielleicht.
Wie alt ist Ihre Tochter?
Am Samstag, dem Spieltag gegen Sion, wird sie vier Jahre alt.
Also im Alter, in dem man anfängt, den Eltern Löcher in den Bauch zu fragen. Sie werden mehr reden müssen.
Es ist sehr schön, diese Entwicklung zu erleben, wie sie grösser wird. Fussball nimmt einen grossen Teil meines Lebens ein, er ist wichtig für mich, aber nun gibt es noch etwas anderes Bedeutendes, unsere Tochter, und wir geniessen das sehr. Früher haben deine Familie und die Freunde dir erzählt, wie es ist, wenn man Kinder hat. Nun erleben wir die Realität, und wir freuen uns jeden Tag darüber. Manchmal hat man nicht die Zeit und die Konzentration für das Kind, aber meistens schaffe ich das.
Spricht die Tochter schon Deutsch?
Im Sommer kommt sie in einen Kindergarten, in dem Deutsch und Englisch gesprochen wird. Das wird sehr spannend werden. Kinder sind smart und lernen schnell. Wenn ich auf Englisch telefoniere, dann will Sie wissen, was ich da spreche. Wir versuchen, Ihr ein paar Basics beizubringen, wie man Guten Tag und Dankeschön sagt. Jetzt kommt noch eine dritte Sprache dazu.
Das wird ein grosses Ereignis für Ihre Tochter – Sie selbst und der FC Basel haben mit der Vertragsverlängerung im Januar bis 2019 plus Option ein Ausrufezeichen gesetzt. Wie kam es zu einer so langen Laufzeit?
Es war in der Tat auch für mich ein grosser Schritt. Erst war das halbe Jahr, als ich ausgeliehen war von Spartak Moskau, dann der Dreijahresvertrag bis 2017, und nun diese Verlängerung – ich bin wirklich sehr zufrieden mit meiner Situation im Club und in der Stadt. Und meiner Familie geht es genauso. Als Profi spiele ich bei einem Club, der immer um die Meisterschaft mitspielt, mit dem man sich jede Saison in der Champions oder Europa League präsentieren kann. Und der FC Basel war auch sehr interessiert daran, dass ich bleibe – also war die Entscheidung für mich ganz eindeutig. Die Motivation ist riesig: Jetzt erst einmal die Meisterschaft zu gewinnen und damit direkt für die Champions League qualifiziert zu sein. Das ist das Grösste für mich.
Gab es keine Angebote anderer Clubs?
Nein.
So wie Sie sich in der Super League und auf europäischem Niveau präsentiert haben, verwundert das eigentlich.
Es gab im Winter keinen Club, der sagte: Wir wollen dich.
Wenn Sie den Vertrag in Basel erfüllen sollten, wären Sie 32 Jahre alt. War das schon die letzte grosse Unterschrift oder ist ein Wechsel vorstellbar?
Mein Vertrag wäre noch bis 2017 gelaufen, und dann kam das Angebot des FC Basel für diese sehr lange Vertragsdauer. Das macht mich wirklich sehr glücklich. Das zeigt auch, in welcher Position mich der Club sieht. Aber im Fussball weiss man nie, was passiert.
Mit Ihrem Vertrag könnten Sie der nächste Walter Samuel beim FC Basel werden.
(Lacht). Über Walter Samuel zu sprechen ist gar nicht so einfach. Ich staune sehr, wie er in seinem Alter spielt. Für mich ist es ein grosses Vergnügen, neben ihm zu verteidigen. Und ich habe einen grossen Respekt vor Walter Samuel. Auf welchem Niveau er nach wie vor agiert, ist unglaublich.
Was macht es denn so speziell, mit ihm zusammen zu spielen?
Wenn man ihn im Training oder im Spiel erlebt, seine fantastische Technik, seinen hervorragenden ersten Pass aus der Abwehr heraus, wie er das Spiel liest, die Erfahrung, die er ausstrahlt – das ist nicht nur ein Vergnügen, sondern auch eine grosse Motivation für mich selbst. Er löst Situationen nicht mehr mit einem Sprint, sondern mit seiner Cleverness. Wenn man dann sein Alter sieht, dann fehlen einem die Worte, und erst recht, wenn man die Liste seiner Erfolge vor sich hat.
Können Sie sich vorstellen, mit 38 noch als Profi zu spielen?
Diese Frage kann ich heute nicht beantworten. Ich sehe mich irgendwo in der Mitte meiner Laufbahn. Ich habe schon einiges hinter mir, ich bin keine Zwanzig mehr, das realisiere ich. Und vielleicht habe ich noch fünf oder acht Jahre vor mir. 28 ist das ideale Alter für einen Fussballer, und ich fühle mich prächtig. Wie das mit 32 sein wird, wie mein Körper reagieren wird, darüber mache ich mir heute keine Gedanken.
Sie können am Samstag auch schon Ihren immerhin fünften Meistertitel gewinnen: zwei mit Slavia Prag und nun den dritten mit dem FC Basel. Auch nicht schlecht.
Mit Walter Samuel kann man das natürlich nicht vergleichen.
Sowohl bei Ihrem Wechsel von Slavia Prag zu Spartak Moskau wie auch vier Jahre später nach Basel waren Sie zunächst für ein halbes Jahr ausgeliehen. Gibt es einen Grund dafür? Kann man Marek Suchy nicht trauen? Muss man da erst einmal eine Zeit lang genauer hinschauen?
Ich weiss es nicht. Ich denke, es hat auch mit dem modernen Fussballgeschäft zu tun. Auf diese Weise muss ein Club nicht auf einen Schlag das ganze Geld für einen Spieler bezahlen. In Moskau waren der Club und der Trainer sehr an mir interessiert, beim FC Basel war es genauso. Beide Transfers passierten im Winter, vielleicht hat es auch damit zu tun. Mein Wechsel nach Basel war sehr schnell abgewickelt, nachdem sich Ivan Ivanov verletzt hatte. Das ging nur zwei, drei Tage.
Sie haben mit 17 Jahren bei Slavia Prag in der ersten Mannschaft debütiert. Wie hat sich Ihr Spiel als Innenverteidiger in den mehr als zehn Jahren verändert?
Am Anfang habe ich von der Aggressivität gelebt. Man hat mir ausserdem attestiert, das Spiel gut lesen zu können, aber das habe ich auf dem Platz automatisch gemacht und nicht gross darüber nachgedacht. Ich glaube, dass ich seither viel besser geworden bin. Und der Fussball ist gewachsen und viel anspruchsvoller geworden. Als zentraler Verteidiger muss man mit dem Ball umgehen können, du bekommst den Ball vom Torhüter und eröffnest das Spiel mit dem ersten Pass. Das war in Moskau so, und auch hier in Basel ist es so. Ich habe gelernt, besser zu passen, auch einmal etwas Risiko zu nehmen, man hat mir beigebracht, den Ball am Boden zu halten und nicht nur hohe Bälle nach vorne zu schlagen.
Sind das Tempo und der Rhythmus die grössten Unterschiede bei den Anforderungen in der heimischen Liga und im Europacup?
Es ist nicht einmal das Läuferische, das den Unterschied macht. Die Gegner laufen nicht unbedingt mehr. Es ist am Ende eher eine Frage der individuellen Qualität, von mehr Variabilität, zum Beispiel bei den stehenden Bällen. In der Super League werden das Läuferische und das Pressing von unseren Gegnern auf einem wirklich hohen Level betrieben.
Es wurde über Sie gesagt, Sie seien der härteste Spieler der Super League. Dabei bekommen Sie für einen Verteidiger relativ wenig gelbe Karten.
Das sagt nicht unbedingt etwas aus, das kommt auch immer auf Situationen in einem Spiel an. Ich versuche, in der gefährlichen Zone Fouls und Freistösse zu vermeiden. Wenn der Stürmer mit dem Rücken zum Tor agiert, ist es nicht nötig, zu foulen. Aber wenn du denkst, du bekommst den Ball und setzt zu einer Grätsche an, der Stürmer ist aber schneller, dann passiert es halt. Ich versuche einfach, die Kontrolle zu behalten und dumme Fouls zu vermeiden.
Ihre bisher einzige rote Karte im FCB-Dress gegen Salzburg war eine dumme, oder?
Es war zu Beginn des Spiels und sie waren wirklich sehr aggressiv. Das hatten wir uns ebenfalls vorgenommen. Vielleicht war ich, wie es so schön heisst: übermotiviert. Aber ich habe meinen Gegenspieler nicht schwer verletzt. Ich treffe ihn am Oberschenkel, es sieht hart aus, wahrscheinlich auch aus der Sicht des Schiedsrichters, aber so wild war es nicht und der Spieler hat die Partie ja auch zu Ende gespielt. Also: Wenn jemand über mich sagt, ich sei ein harter Verteidiger, dann sehe ich das anders. Ich bin gar nicht der harte Typ, und ich will niemandem wehtun. Fussball ist ein Teamsport, und wenn mich jemand trifft, dann will ich mich nicht dafür revanchieren.
Was würden Sie gerne in Ihrem Spiel verbessern?
Manchmal habe ich sehr oft den Ball und spiele 80 Pässe in 90 Minuten. Also ist man fast ein Mittelfeldspieler, gerade in Heimspielen, wo die Gegner meistens tief stehen. Mit dem ersten Pass kann man also etwas kreieren, und man versucht, jemanden im freien Raum zu finden. Ausserdem muss man bereit sein für flinke Gegenspieler. Man kann zwar einiges trainieren, aber wirklich schneller werde ich wohl nicht mehr. Sich gut zu bewegen, gut zu reagieren im Eins-gegen-eins, daran arbeite ich in jedem Training.
Und nun, gegen Sion, steht der nächste grosse Moment mit dem FC Basel bevor.
Anders als in Vaduz wissen wir: Wenn wir gewinnen, haben wir es geschafft, egal, was YB macht. Also liegt es nur an uns. Und auf diesen Moment haben wir die ganze Saison hingearbeitet.
Wie erklären Sie sich den grossen Vorsprung in der Tabelle?
Das liegt an unserer täglichen Arbeit und an den Leistungen im Spiel. Die anderen waren nicht unbedingt schlechter, GC hat in der Vorrunde viele Spiele gewonnen, nun gewinnt YB in Serie. Aber sie haben ihre kleinen Krisen gehabt, und unsere Stärke ist es, den Level über die ganze Saison hochzuhalten und die Punkte Spiel für Spiel zu sammeln. Das macht dich zum Tabellenführer und schliesslich den grossen Vorsprung aus. Fussball ist auch viel Psychologie, und wenn du mal ein paar Punkte voraus bist, dann macht das im Kopf viel aus. Das sagt zwar jeder, aber dafür musst du von Beginn an parat sein, vom ersten Spiel der Saison an. Das waren wir – und jetzt können wir ernten.
Nur noch acht weitere Spieler sind dabei, die auch schon da waren, als Sie zum FC Basel gekommen sind. Es sind gerade einmal zweieinhalb Jahre vergangen, und Sie haben hier den dritten Trainer. Was sagt das aus?
Nur noch acht Spieler, wirklich? Mir sind vor allem die Trainerwechsel präsent. Ich habe mit keinem Trainer Probleme gehabt, jeder hat etwas Spezielles an sich. Ich bin ein leidenschaftlicher Spieler, der dem Trainer zuhört. Und jetzt hoffe ich, dass es im Sommer keinen Wechsel gibt.
Das wird Urs Fischer ähnlich sehen. Was macht ihn denn so speziell?
Er ist ein guter Trainer mit einer guten Philosophie. Er weiss, was er von den Spielern will. Er bereitet uns gut vor, er redet mit Spielern und interessiert sich für unsere Sicht der Dinge. So sind nicht alle Trainer. Er ist ein offener Typ, und Trainer und Spieler bilden eine Einheit.
Was bedeutet diese Philosophie für das Spiel? Offensiv muss jeder FCB-Trainer agieren lassen.
Er legt Wert auf eine gute Organisation auf dem Platz. Das kann ich von meiner hinteren Position erkennen. Es geht nicht darum, dass alle Spieler versuchen, ein Tor zu erzielen. Wenn vier, fünf Spieler im Strafraum sind, müssen vier, fünf Spieler bereit sein, den Ball zurückzuerobern, wenn wir ihn vorne verlieren. Gut zu stehen, daran arbeiten wir, und das machen wir in meinen Augen auch besser als vergangene Saison.
Die Organisation sieht klarer aus.
Ich weiss, was Sie meinen. Unser Spiel ist klar, wir haben weniger Probleme gehabt. Und wenn wir mal verloren haben, dann hat der Trainer kein Desaster daraus gemacht. Dann werden die Fehler angeschaut und aufgearbeitet, und diese Art der Kommunikation mag ich persönlich.
Wechsel wird es beim FCB dennoch geben und das nicht zu knapp: In der Abwehr muss sich nach den Abgängen von Samuel, Safari und Degen etwas tun.
Ich sage Ihnen: Da habe ich überhaupt keine Sorgen. In diesen zweieinhalb Jahren habe ich mitbekommen und schätzen gelernt, wie in diesem Club gearbeitet wird, wie zum Beispiel Sportdirektor Georg Heitz neue Spieler holt. Jedes Mal waren es Spieler mit gutem Charakter, und meistens sind sie sehr rasch Teil der Mannschaft geworden und haben dem Team geholfen.
Die zweite rote Karte Ihrer Karriere haben Sie ausgerechnet im letzten Qualifikationsspiel zur Euro 2016 kassiert. Dadurch sind Sie gesperrt im ersten EM-Gruppenspiel gegen Titelverteidiger Spanien. Das muss sehr ärgerlich sein für Sie, denn es scheint ein enger Kampf um die Plätze in der Innenverteidigung der tschechischen Nationalmannschaft zu herrschen.
Natürlich ist der Platzverweis ärgerlich, ich war der letzte Mann beim Foul. Tomas Sivok und Michal Kadlec sind die beiden, die in den ersten Spielen der Qualifikation begonnen haben als Innenverteidigung. Aber der Trainer hat immer gesagt, dass er alle Spieler braucht. Wir werden sehen. Für mich ist es jedenfalls immer eine grosse Ehre für die Nationalmannschaft aufzulaufen. Ich bin seit der U16 in allen Altersstufen dabei, und es ist jedes Mal etwas Spezielles, die Hymne zu hören.
Vor zwölf Jahren erreichte Tschechien die Halbfinals der Europameisterschaft.
Das Team von 2004 – das sind alles Legenden, und nicht nur eine oder zwei, sondern die die ganze Mannschaft: Cech, Rosicky, Nedved, Smicer, Berger, Baros, Koller, Ujfalusi – alles Spieler, die in grossen europäischen Clubs gespielt haben. Es war eine fantastische Mannschaft.
Ist es möglich, nun eine neue Geschichte zu schreiben?
Danach sieht es im Moment nicht aus. Die Nationalmannschaft besteht zu einem grossen Teil aus Spielern der nationalen Liga. Es sind nicht sehr viele Spieler dabei, die regelmässig Champions League spielen. Der Stil der Mannschaft ist ein anderer, aber wir haben eine gute Qualifikation gespielt, wir haben Holland geschlagen, die Türkei auch, sind am Ende Erster geworden. Daran hat keiner zu denken gewagt, das ist ein grosser Erfolg für uns und gibt uns den Glauben an uns selbst.
Klingt so, als ob Sie keine grossen Dinge versprechen wollen für diese Europameisterschaft?
Wir haben eine Ausgangslage, die zu uns passt: Niemand erwartet etwas von uns. Und wir werden sehen, zu was wir fähig sind.
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