Ersatzspieler in Hoffenheim – Stammspieler in der Schweizer Nationalmannschaft: So lautet die Arbeitsbezeichnung von Fabian Schär, seit der 25-Jährige im Sommer 2015 vom FC Basel in die Bundesliga wechselte. Die TagesWoche traf den Innenverteidiger zum Interview – und sprach mit ihm vor allem über Probleme.
Vergangenen Samstag stand Fabian Schär im Spiel gegen Leverkusen, nach fünf Wochen Pause wegen einer Adduktorenverletzung, erstmals wieder im Hoffenheimer Kader. Jetzt bereitet sich der 25-Jährige mit der Schweizer Nationalmannschaft auf das WM-Qualifikationsspiel gegen Lettland vor. Im Interview mit der TagesWoche erklärt er, wie er mit der Situation in Hoffenheim klarkommt, und warum die Schweiz sich in der WM-Qualifikation durchsetzen wird.
Fabian Schär, wie ging es Ihnen zuletzt in der Rehabilitation? Ist man als Spieler, der im Club nicht oft zum Einsatz kommt, vielleicht noch ein bisschen ungeduldiger?
Ich habe einige Erfahrung mit Verletzungen, aber das war eine neue Stelle, ein neuer Schmerz. Grundsätzlich will man immer so schnell wie möglich wieder auf den Platz, weil das Training doch ein anderes ist in der Reha.
Hatten Sie in dieser Phase Kontakt zu Nationaltrainer Vladimir Petkovic?
Ich habe ihn immer auf dem Laufenden gehalten und einen guten Kontakt zu Herrn Petkovic. Es ist wichtig für mich, zu spüren, dass der Trainer der Nationalmannschaft mir vertraut. Da tut es gerade auch in einer Verletzungsphase gut, wenn man Kontakt hat.
Um Ihre Situation zu verstehen, müssen wir zurückschauen in den letzten Sommer: Empfanden Sie das Ausscheiden bei der Europameisterschaft in Frankreich im Achtelfinal gegen Polen als grosse Enttäuschung?
Absolut. Wir haben ein gutes Turnier gespielt. Aber so, wie es dann gegen Polen gelaufen ist, war das Ausscheiden schon eine grosse Enttäuschung. Wir hatten es definitiv in den eigenen Händen gehabt, eine Runde weiterzukommen, auch vor dem Elfmeterschiessen. Wenn du so nah dran bist, ist das extrem bitter. Auch wenn man sieht, was danach möglich gewesen wäre. Wir waren eine jener Mannschaften, die guten Fussball gespielt hat. Wir hätten sicher etwas reissen können im weiteren Turnierverlauf.
«Die Lage ist sicher nicht leicht und sie ist auch neu für mich. Daran hatte ich am Anfang schon zu beissen.»
War es deshalb besonders wichtig, gleich im ersten WM-Qualifikationsspiel Europameister Portugal zu besiegen, um wieder eine neue Euphorie auch bei den Fans aufzubauen?
Der Sieg war für die Qualifikation sehr wichtig, weil sich ja nur der Tabellenerste direkt für die WM qualifiziert. Und klar entfacht das auch neue Euphorie im Land. Es war aber auch wichtig, dass wir weitergemacht haben. Mit vier Siegen aus vier Spielen stehen wir jetzt sehr gut da. Man spürt auch in der Schweiz wieder mehr Unterstützung als noch vor einem Jahr. Mit den Fans kann man etwas reissen, das haben wir schon während der EM gespürt. In der WM-Qualifikation haben wir unser gutes Spiel weiter durchgezogen, und ich finde, es wird immer wie besser.
Fabian Schär im Kopfballduell mit Portugals Joao Mario – beim Auftaktsieg der Schweizer gegen den Europameister. (Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)
Die aktuelle Schweizer Spielergeneration ist immer noch jung und könnte auch bei kommenden Turnieren Erfolge feiern.
Das Gute war, dass es nach der EM gleich weiterging. Dann hat man wieder ein Ziel vor Augen und weiss, du musst wieder liefern. Wir haben uns von Anfang an darauf eingeschworen, dass wir unbedingt zur WM wollen. In der letzten EM-Qualifikation sind wir mit zwei Niederlagen gestartet, aber damals haben sich auch zwei Teams direkt für die EM qualifiziert. In dieser Qualifikation mussten wir sofort bereit sein – und das waren wir. Wir haben einfach dort weitergemacht, wo wir aufgehört haben. Es war ja keine schlechte EM, auch wenn mehr möglich gewesen wäre.
Was spricht denn dafür, dass sich die Schweiz direkt für die WM qualifiziert?
Wir sind eine gute Truppe, und vor und in der EM noch einmal extrem zusammengewachsen. Wir sind eine gute Einheit. Und den Europameister haben wir schon einmal geschlagen. Das letzte Spiel ist auswärts in Portugal, das könnte dann entscheidend sein. Ich bin guter Dinge, dass wir bis dahin unseren Lauf durchziehen und dann auch dort punkten können.
«Es ist schon schwierig, da wieder herauszufinden.»
Sie haben eine überragende EM gespielt, die französische Zeitung L’Equipe berief Sie in die Elf der Vorrunde. In Hoffenheim kamen Sie in dieser Saison bislang nur wenig zum Einsatz. Wie gehen Sie mit dieser Diskrepanz um?
Die Situation ist sicher nicht leicht und sie ist auch neu für mich. Daran hatte ich am Anfang schon zu beissen. Nach so einer EM kommt man mit viel Selbstvertrauen zum Club zurück, hat grosse Ziele, aber dann läuft es nicht so, wie man es sich vorstellt – das ist nicht einfach. Aber jetzt habe ich mich auf die Situation eingestellt. In der abgelaufenen Verletzungspause habe ich mir gesagt, dass das ein Neustart sein kann. Ich werde jetzt noch einmal voll angreifen und dann wird man sehen, wie es sich entwickelt.
Sehen Sie durch die fehlenden Einsatzzeiten im Club Ihre Stellung in der Nationalmannschaft gefährdet?
Klar ist, dass dauerhaft diejenigen Spieler in der Nationalmannschaft spielen, die auch in ihren Clubs spielen. In der Nationalmannschaft haben wir heute ein breit aufgestelltes Kader. Meine Situation ist insofern nicht vorteilhaft. Andererseits habe ich in der Nationalmannschaft immer gute Leistungen gezeigt und der Trainer, zu dem ich ein sehr gutes Verhältnis habe, hat mir das Vertrauen geschenkt. Jetzt muss man schauen, wie das gegen Lettland nach meiner Verletzung sein wird. Ich bin auch gespannt.
Einer von Fabian Schärs Höhepunkten an der Europameisterschaft in Frankreich: sein Tor im Gruppenspiel gegen Albanien. (Bild: Reuters/Darren Staples)
Sagt Vladimir Petkovic dezidiert, dass er nur Spieler will, die auch im Club spielen?
Er hat mit mir beim letzten Zusammenzug im November natürlich darüber gesprochen, dass ich schauen soll, in Hoffenheim wieder vermehrt zum Einsatz zu kommen. Wir haben in der Schweiz auf jeder Position zwei, drei Spieler, die für die Startelf in Frage kommen. In der Rückrunde habe ich in den ersten zwei Partien meine Einsatzzeiten gehabt, dann kam die Verletzung und jetzt geht es wieder bei Null los, mein Kopf ist frei.
Kann man denn wieder alles so einfach auf Null stellen?
Es gab natürlich auch Phasen, in denen ich in eine Negativspirale hineinkam, weil es nicht lief und ich unzufrieden war. Es ist schon schwierig, da wieder herauszufinden. Aber mittlerweile nehme ich die Situation an. Sie ist wie sie ist. Ich versuche, auf dem Platz Leistung zu bringen. Die nötigen Qualitäten habe ich, denke ich. Jetzt werden wir sehen, wie sich alles entwickelt.
«Wenn alle anderen gut spielen, hat der Trainer keinen Grund, gross etwas zu ändern.»
Sie hatten Wechselangebote. Bereuen Sie, dass es nicht geklappt hat?
Das bereue ich nicht. Ich habe mich ja grundsätzlich für Hoffenheim entschieden. Ich versuche, keine Gedanken daran zu verschwenden, wie es gelaufen wäre, wenn ich da oder dorthin gewechselt wäre. Es gefällt mir in Hoffenheim. Wir sind eine gute Mannschaft.
Die Lage ist auch deshalb für Sie so schwierig, weil Hoffenheim unter Julian Nagelsmann die beste Saison seiner Bundesligageschichte spielt und auf dem Weg zur ersten Europacup-Teilnahme ist. Wie erleben Sie den Teamgeist als jemand, der nicht oft zum Einsatz kommt?
Der Teamgeist ist sehr gut, auch abseits des Platzes. Ich glaube, es ist für jeden schwer, wenn er sieht, es läuft gut und die anderen spielen gut. Dann hat der Trainer auch keinen Grund, gross etwas zu ändern. Aber klar ist: Man muss auf die Chance warten, gut vorbereitet sein und sie dann nutzen, wenn Sie kommt. Auf diese Situation warte ich.
Nagelsmann ist bekannt dafür, Spieler auf Positionen einzusetzen, für die sie eher nicht ausgebildet wurden, so wie Ihr Nationalmannschaftskollege Steven Zuber, ein Offensivspieler, der nun plötzlich als linker Verteidiger Druck nach vorne macht …
(lacht) … ich würde mich auch einmal gerne auf dem linken Flügel sehen.
Aber im defensiven Mittelfeld haben Sie ja auch schon gespielt in der Vergangenheit.
Ja, auch unter Julian. Zum Beispiel gegen Wolfsburg oder gegen Augsburg bin ich auf der Sechserposition reingekommen. Es gibt einige Positionen, auf denen ich spielen kann. Am Ende entscheidet der Trainer.
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» Fabian Schärs Leistungsdaten bei Transfermarkt.com
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