Mietschlichter Jost: «Es gibt mehr Beschwerden wegen Zinserhöhungen»

Sozial schwache Familien finden kaum eine Wohnung, Doppelverdiener haben dafür leichtes Spiel. Ernst Jost von der Basler Schlichtungsstelle für Mietfragen über die Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt.

Ernst Jost, Abteilungsleiter Staatliche Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Sozial schwache Familien finden kaum eine Wohnung, Doppelverdiener haben dafür leichtes Spiel. Ernst Jost von der Basler Schlichtungsstelle für Mietfragen über die Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt.

Wenn Mieter und Vermieter sich streiten, können sie die Staatliche Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten anrufen. Diese bietet kostenlose Beratung und Schlichtungsverfahren an. Es ist eine vorgerichtliche Anlaufstelle – wenn die Verhandlungen scheitern, bleibt nur noch der Weg zum Gericht. Die Schlichtungsstelle existiert seit 1933.

Herr Jost, mit welchen Fällen beschäftigen Sie sich zurzeit am häufigsten?

Da gibt es einige Dauerbrenner: Zum Beispiel Nebenkosten-Abrechnungen, Mängel am Wohnobjekt oder Kündigungen.

Das klingt abstrakt. Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Schimmel im Bad: Wer oder was ist schuld daran und muss folglich die Schadenbehebung zahlen? Oder ein anderes Beispiel: Ein Mieter klagt über exorbitant gestiegene Wasserkosten. Wir helfen dann bei der Problemlösung. Handelt es sich um einen Mehrverbrauch der Mieterschaft, falsche Messung oder ein Leck in der Leitung?

Hat sich in den letzten Jahren etwas verändert?

Durchaus. Es gibt etwa mehr Beschwerden wegen Mietzinserhöhungen aufgrund von Sanierungen. Das heisst: Wenn der Vermieter eine Abwaschmaschine oder eine neue Isolierverglasung einbaut, ist das eine wertvermehrende Investition – und kann darum auf den Mietzins überwälzt werden. Dann kommt es manchmal zu einem Streit mit dem Vermieter, in vielen Fällen akzeptieren die Mieter jedoch eine gerechtfertigte Erhöhung.

Wehren sich die Mieter häufig gegen die Mietzinserhöhungen?

Das ist schwer zu sagen. Bei uns gelangen nur die Mietstreitigkeiten zur Verhandlung, bei denen die Parteien sonst keinen Ausweg mehr sehen. In der ersten Jahreshälfte 2014 hatten wir zum Beispiel nur 34 verhandelte Fälle von Mietzinserhöhungen. Alle Fälle betrafen Bestandsmieten, keine Anfangsmieten.

Bestandsmieten, Anfangsmieten? Das müssen Sie erklären.

Von Anfangsmiete reden wir dann, wenn jemand eine Wohnung neu bezieht. Bestandsmiete heisst, das Mietverhältnis besteht bereits seit einiger Zeit. Interessanterweise werden die Anfangsmieten kaum angefochten.

Warum?

Stellen Sie sich vor, Sie ziehen nach Basel, suchen Monate lang eine passende Wohnung und Sie finden schliesslich eine, die zwar teuer ist, aber die Sie haben können. Dann sind Sie mit dem Mietzins einverstanden und wollen nicht die Anfangsmiete innert 30 Tagen einklagen.

«Es gibt sozial denkende Vermieter, die diejenigen Menschen nehmen, die es am nötigsten haben. Aber die Solidarität ist begrenzt.»

Das heisst, wer es sich leisten kann, kriegt auch eine Wohnung. Alle anderen bleiben aussen vor.

Es ist so, dass viele Mieter zu uns kommen, die eigentlich gut verdienen, alle Kriterien der Hausverwaltung erfüllen, aber trotzdem keine Wohnung finden. Für bestimmte Gruppen war es schon immer schwierig, eine Wohnung zu finden – für Alleinerziehende, Migrantinnen und Migranten oder sozial schwache Familien. Heute ist es für diese Gruppen noch schwieriger. Viele der kleineren und günstigeren Wohnungen sind in den letzten Jahren verschwunden.

Liegt das an der vielzitierten Wohnungsnot, die wir momentan haben?

Wir haben in Basel im Moment eine Leerstandsquote von 0,2 Prozent. Das heisst: Ich kann mir als Vermieter aussuchen, an wen ich eine Wohnung vermiete. Sicher gibt es auch sozial denkende Vermieter, die diejenigen Menschen nehmen, die es am nötigsten haben. Aber die Solidarität ist begrenzt.

Nach welchen Kriterien entscheiden die Vermieter, wer eine Wohnung kriegt?

Versetzen Sie sich in die Situation eines Vermieters. Es ist verständlich, dass er eine sichere Einnahmequelle, möglichst wenig Abnutzung und wenig Lärm bevorzugt. Doppelverdienende Ehepaare zum Beispiel sind da perfekt.

Haben Sie Erfahrungen mit missbräuchlichen Kündigungen gemacht?

Es kommt immer wieder vor, dass wir oder dann die gerichtlichen Instanzen eine Kündigung als missbräuchlich taxieren. Im ersten Halbjahr 2014 wurden von der Schlichtungsstelle insgesamt 14 Kündigungen mit Urteilsvorschlag als missbräuchlich aufgehoben.

Kommt es vor, dass der Vermieter dem alten Mieter kündigt, um die Wohnung dann viel teurer an einen neuen Mieter zu vergeben?

Darüber kann ich nur Vermutungen anstellen. Ich gehe aber davon aus, dass es solche Fälle gibt.

 

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