«Momentan ist ein bisschen der Wurm drin – nicht nur ein bisschen, er ist drin»

Marco Streller kann sich die Unsicherheit nicht erklären, die der FCB nach dem Führungstreffer in Lausanne an den Tag legte. «Dafür haben wir zu viel Routine auf dem Feld», sagt der Sportchef nach dem 1:1, mit dem die Basler drei Punkte Vorsprung auf Platz 3 haben. «Es ist Fakt: Wir müssen auch nach hinten schauen. Das zu sagen, fällt mir sehr schwer.»

«Ich hoffe, in einem oder zwei Jahren über die momentane Phase sagen zu können, dass es gut war, ruhig zu bleiben.» – FCB-Sportchef Marco Streller.

Marco Streller, welche Bilanz ziehen Sie nach dem 1:1 des FC Basel in Lausanne?

Ich bin enttäuscht. Wir wussten, dass wir nicht in der Situation sind, hier 3:0 oder 4:0 zu gewinnen. Es wäre einfach wichtig gewesen, überhaupt einen Sieg zu holen. Das haben wir nicht geschafft. Wie genau das alles entstanden ist, kann ich nicht sagen. Und es ist auch besser, wenn ich es nicht sage.

Der Gegentreffer weist gewisse Parallelen auf zum Gegentor in Luzern. Wie kann das zweimal innert weniger Tage passieren?

Das wundert mich auch. Wenn man den Zweikampf nicht gewinnt, dann kommt man in diese Situation. Und dann schiebt wieder am zweiten Pfosten einer ein. Das ist eine Fehlerkette. Es fällt mir schwer, nach diesem Spiel etwas Positives zu sagen, obwohl ich auch gute Aktionen gesehen habe. Wir haben den Ball gut laufen lassen, wollen ihn aber immer ins Tor tragen. Dann hatten wie zwei, drei gute Flanken von Michael Lang, und ich hatte das Gefühl, dass wir sehr gut im Spiel sind. Dann der Bruch nach dem Tor, Lausanne kam wieder auf. Die Enttäuschung ist sehr gross, wir müssen einfach mehr machen. Aber für eine seriöse Spielanalyse ist es natürlich noch zu früh.

Sie kommen gerade aus der Kabine. Haben Sie der Mannschaft etwas gesagt?

Manchmal ist es besser, wenn man nichts sagt und durchatmet. Die Kabine ist jetzt Sache des Trainers.

Spricht der Trainer zur Mannschaft oder herrscht Ruhe in der Kabine?

In der Kabine ist es sicher nicht ruhig. Wenn es jetzt ruhig wäre, dann würde irgendetwas nicht stimmen. Der eine oder andere lässt jetzt seinem Frust freien Lauf. Das war zu meiner Zeit als Spieler nicht anders und ist eine ganz normale Reaktion in der Kabine, die auch richtig ist.

«Seit etwa drei Wochen sprechen wir von einem Befreiungsschlag. Und der kommt und kommt nicht.»

Von fünf Spielen in der Super League hat der FC Basel in diesem Jahr drei verloren und in Lausanne einen Punkt geholt. Was können Sie als Sportchef in dieser Situation überhaupt noch machen?

In einer solchen Situation könnte ich Ihnen noch hundert Dinge erzählen. Schlussendlich holen wir im Moment keine Punkte. Deswegen wäre heute einfach mal ein Sieg wichtig gewesen, egal wie. Das haben wir nicht geschafft, und jetzt ist klar, dass wir am Sonntag zuhause gegen Sion gewinnen müssen.

Dass Sie das nächste Spiel gewinnen müssen, sagen Sie seit mehreren Wochen. Welche Lösungsansätze gibt es noch, dass der FCB in die Erfolgsspur findet?

Wir waren hier in Lausanne von der Ausrichtung her relativ offensiv. Albian Ajeti hat einen guten Match gemacht, hat viele Bälle gehalten und unglaublich viel gearbeitet. Das interessiert Sie jetzt nicht, aber es sind Kleinigkeiten, die momentan einfach nicht passen. Wir müssen die Bälle in den Sechzehner bringen, wie beim 0:1. Momentan ist ein bisschen der Wurm drin. Nicht nur ein bisschen. Er ist drin.

«Die Trainer-Frage haben wir uns noch nie gestellt, das kann ich mit gutem Gewissen sagen.» Marco Streller (rechts) über Trainer Raphael Wicky.

Kleinigkeiten interessieren uns durchaus. Es hätte ja auch sein können, dass Albian Ajeti bei seinem aberkannten Tor nicht im Abseits steht, der FC Basel früher in Führung geht und das Spiel anders verläuft.

Er stand ja tatsächlich im Abseits. Und es ist doch nicht unsere Art, wenn wir jetzt noch beim Schiedsrichter die Schuld suchen würden. Er hat jedenfalls nichts mit den jetzigen Problemen zu tun. Es gibt solche Phasen. Ich war selbst Spieler, ich weiss das. Wichtig ist, dass wir in dieser Phase zusammenhalten.

Was läuft denn momentan beim FC Basel hinter den Kulissen? Haben Sie mehr Sitzungen als in den Phasen, in denen es lief?

Schlussendlich musst du auf dem Platz die Antwort geben. Da sind mir schon ein wenig die Hände gebunden. Wir können es auf dem Platz nicht richten, das müssen die Spieler machen. Es ist eine schwierige Phase, aber wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen. Wie Sie richtig sagen, sprechen wir seit etwa drei Wochen von einem Befreiungsschlag und der kommt und kommt nicht. Wir erinnern uns alle an das Spiel gegen den FC Zürich (1:0-Sieg vor dem 5:0-Erfolg gegen Lissabon, d. Red.) – und ich meine damit nicht die Symbolwirkung. Es war ein schwaches Spiel von beiden Teams, wir haben über den Kampf gewonnen und dann gab es eine Befreiung. Das habe ich mir von heute erhofft. Aber da musst du dich besser anstellen, das musst du über die Zeit bringen, mit der Routine, die heute auf dem Platz stand.

«Wenn man sehr zynisch ist, kann man sagen: Es ist wenigstens mal wieder ein Punkt.»

Viele dachten, der Sieg in Manchester könnte eine ähnliche Initialzündung sein wie das 5:0 gegen Lissabon. War der Erfolg gegen Lissabon, als es für beide Teams um drei Punkte ging, eben doch etwas anderes ist als der Sieg in Manchester, als für die Engländer nur das Weiterkommen im Vordergrund stand?

Da war die Hoffnung die Mutter des Gedankens, dass dieser Sieg die gleiche Wirkung haben kann wie in der Vorrunde. Aber man muss das auch nüchtern analysieren. Wir hatten gegen Manchester City mehr Platz, vor allem zum Umschalten. Das kommt unserem Spiel eher entgegen. Und jetzt, in Luzern (0:1-Niederlage), da hatte der Gegner eine gute Ordnung, da haben wir die Lösungen in der Offensive nicht mehr gefunden. Das ist ganz klar das Problem momentan. Wir haben Aktionen, aber am Ende ist es zu wenig, wenn es in Lausanne 1:1 endet. Es ist vor allem unerklärlich, wie man nach dem Führungstreffer die zwanzig Minuten vor dem Tor vergessen kann und wieder unsicher wirkt.

Mit der Fussballkompetenz, die im FC Basel vorhanden ist, müssen Sie doch einen Erklärung für die ausbleibenden Resultate haben.

Wenn wir sie hätten, dann hätten wir irgendetwas geändert. Der Trainer bleibt dem System jetzt treu. Es wäre schwierig, wenn man alles verändern würde. Und so dumm es klingt: Ich hoffe, in einem oder zwei Jahren über die momentane Phase sagen zu können, dass es gut war, ruhig zu bleiben. Wir arbeiten weiter und versuchen zusammenzuhalten. Mehr können wir nicht machen. Manchmal braucht es einen dreckigen Sieg, hier in Lausanne zum Beispiel hätte es ihn gebraucht, aber der kam nicht. Es ist wieder ein Dämpfer. Aber wenn man sehr zynisch ist, kann man sagen: Es ist wenigstens mal wieder ein Punkt.

Haben Sie denn vielleicht eine Erklärung für die Situation, die Sie einfach nicht öffentlich kundtun möchten?

Es gibt immer gewisse Erklärungen. Und es gibt gewisse Punkte, die wir intern miteinander ansprechen. Wir haben kontroverse Diskussionen zu gewissen Sachverhalten. Im Sommer ziehen wir Bilanz über die Saison, aber wir sehen aktuell, dass St. Gallen hinter uns ist. Es ist Fakt: Wir müssen auch nach hinten schauen. Das zu sagen, fällt mir sehr schwer.

Vor Kurzem haben Sie gesagt, Raphael Wicky sei kein Thema.

Wir kennen alle die Mechanismen dieses Geschäfts. Wir müssen gar nicht über die Titelverteidigung in der Liga sprechen: Aber wir standen im Cup-Halbfinal und haben eine unglaubliche Champions-League-Saison gespielt. Diese Mannschaft hat schon ein paar Mal bewiesen, dass sie es kann. Und Raphael auch. Die Trainer-Frage haben wir uns noch nie gestellt, das kann ich mit gutem Gewissen sagen. Aber auch ich brauche Resultate, für meine Person. Unser aller Ziel ist es, mit Raphael in die nächste Saison zu gehen und erfolgreich zu sein. Das steht im Vordergrund.

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