Ricky van Wolfswinkel: «Ich will immer ehrlich sein»

Ein Gespräch mit dem holländischen Stürmer des FC Basel über die Klippen des Fairplay, den Transferwahnsinn im Profifussball und die erstaunlichen Geschichten, die sich in seinem Heimatverein VV Woudenberg zutragen.

Der Torjäger, der aus der Zwangspause kommt – Ricky van Wolfswinkel.

Ricky van Wolfswinkel, nachträglich Glückwunsch zu Ihrem 28. Geburtstag (am 27. Januar). Gelegenheit zum Feiern gab es ja nicht. 

Danke, es war ein langer Tag. Wir hatten erst das Testspiel gegen Luzern, danach ging es in den Europapark zu einem Sponsorenanlass – also blieb keine Zeit, den Geburtstag mit meiner Familie zu verbringen. Aber das gibt es halt manchmal.

Was war das schönste Geburtstagsgeschenk?

(Überlegt) Wenn dein Sohn mit seinen Stiften ein Bild malt, dich am frühen Morgen weckt und du in sein glückliches Gesicht blickst – das ist das schönste Geschenk.

Das andere schöne Ereignis ist, dass Sie wieder fit sind nach dem Mittelfussbruch?

Verletzt zu sein ist das Schlimmste. Es waren zwar nur zwölf Wochen, die ich ausgefallen bin, das ist nicht die Welt. Aber jeder Tag, den man fehlt, ist einer zu viel. Deshalb bin ich froh, vor der Winterpause noch die fünf Minuten im Spiel gegen GC bekommen zu haben. Und dass ich die Vorbereitung mit der Mannschaft absolvieren konnte und wieder parat bin, um zu spielen.

Man konnte den Eindruck gewinnen, dass Sie sehr fokussiert in der Genesungszeit gearbeitet haben. Hängt das damit zusammen, dass es keine komplizierte Verletzung war, sondern ein simpler Bruch, bei dem man den Zeitplan gut abschätzen konnte?

Am Anfang musste ich sehr geduldig sein, danach durfte ich mich pushen, von Level zu Level. Ich hatte in Doktor Victor Valderrabano (ehemaliger Chefarzt der Orthopädie an der Uniklinik Basel; Anm. d. Red.) den besten Spezialisten, der ein paar Richtlinien vorgegeben hat. Der Plan war, im Januar wieder einzusteigen, aber ich wollte unbedingt vor Weihnachten zurückkommen. Dafür habe ich hart gearbeitet, auch mit Hilfe des medizinischen Staffs beim FCB. Am Ende musst du dich selbst antreiben. Man kann eine Übung machen oder man kann sie wirklich ernsthaft machen. Mit einem gebrochenen Fuss nach zwölf Wochen zurückzukommen ist nicht schlecht.

Auf einem Video sieht man Sie mit Amit Moshe Tzalach arbeiten, der seit 2015 zum Betreuer-Team beim FCB gehört. Welche Rolle spielen die Physiotherapeuten in dieser Phase?

Zwei Wochen durfte ich den Fuss nur hochlegen. Dann hat Amit sehr viel gemacht mit mir, dafür bin ich sehr dankbar. Er hat mir geholfen, mich begleitet, vorangetrieben, bis ich wieder raus auf den Platz durfte, wo mich die anderen Jungs aus der Physio-Abteilung betreut haben.

Wie viel fehlt noch bis zu 100 Prozent van Wolfswinkel?

Ich fühle mich sehr gut und spüre keine Schmerzen mehr im Fuss. Aber jeder Spieler benötigt Einsatzminuten in seinen Beinen, und es ist natürlich lange her, dass ich 90 Minuten gespielt habe. Ich kann es kaum erwarten, bis es am Sonntag gegen Lugano wieder losgeht.

Im letzten Testspiel gegen Luzern gab es eine bemerkenswerte Szene, als Sie im Strafraum zu Fall kommen, der Schiedsrichter Elfmeter gibt und Sie dafür sorgen, dass die Entscheidung zurückgenommen wird.

Nun, vielleicht wäre das anders gewesen, wenn mehr auf dem Spiel gestanden hätte. Aber ich wollte in diesem Moment ehrlich sein, als Adrien Jaccottet mich gefragt hat. Zunächst war ich auf den Ball konzentriert und wollte den Elfmeter schiessen. Es gab auch andere, die das gerne getan hätten. Wie Dimitri Oberlin, der zu mir gesagt hat: «Lass mich schiessen, ich habe in der Vorbereitung noch nicht getroffen, ich brauche das.» Ich habe ihm geantwortet: «Nein, Dimitri, hör zu: Es ist mein Elfmeter.» Er hat nachgesetzt: «Ich brauche diesen Elfmeter.» Dann habe ich ihm in die Augen geschaut und gesagt: «Okay, nimm ihn!»

Und dann?

Danach kamen andere Spieler und haben gesagt: «Ricky, es war kein Foul. Sag es dem Schiedsrichter.» Dann kam der Referee auf mich zu und hat mich gefragt. Und ich wollte ehrlich sein.

Aber Oberlin haben Sie enttäuscht zurückgelassen.

Ich habe nicht mehr mit ihm darüber gesprochen. Natürlich hätte er gerne ein Tor erzielt. Aber es war ein Freundschaftsspiel, und es ist gut so.

«Lass mich schiessen» – «Hör zu, es ist mein Elfmeter». Dimitri Oberlin (rechts) und Ricky van Wolfswinkel im letzten Testspiel gegen Luzern. Schliesslich räumte van Wolfswinkel gegenüber Schiedsrichter Adrien Jaccottet ein, dass es gar kein penaltywürdiges Foul gab.

Also, Hand aufs Herz: Der FCB liegt gegen die Young Boys 0:1 zurück und in der 90. Minute gibt es eine vergleichbare Situation. Was machen Sie dann?

Wie gesagt: Es hängt vom Moment und den Umständen ab. Ich würde sehr viel dafür tun, ein Spiel zu gewinnen. Und wenn der Schiedsrichter auf Elfmeter entscheidet, dann bin ich so fokussiert auf den Sieg, auch für das Team, dass ich vielleicht nichts sagen würde. Es ist eine schwierige Frage. Schlussendlich ist es besser, ehrlich zu sein.

Ehrlichkeit und Fairplay können letztlich keine Frage des Moments sein: entweder, oder.

Wenn der Schiedsrichter direkt auf mich zukäme und mich fragen würde: «Ricky, Elfmeter? Ja oder Nein?» Dann würde ich sagen: «Ich denke nicht.» Oder: «Ja, für mich war es ein Elfmeter.» So oder so könnte ich aber auch falsch liegen. Es gibt ja genügend Diskussionen über Strafraumsituationen.

«Wenn so etwas beim Stand von 0:0 hier daheim gegen die Young Boys passiert. Was machst du dann?»

Kommt es in solchen Momenten auf die Art an, wie der Unparteiische mit den involvierten Spielern kommuniziert?

Unbedingt. Es hängt ja auch von den Umständen ab: Ist es ein Liga-Spiel, ein Champions-League-Spiel oder was auch immer. Der Schiedsrichter verlässt sich auf sein Gefühl, wenn er auf den Punkt zeigt. Das Testspiel gegen Luzern war etwas anderes, er hatte wohl seine Zweifel.  Ich glaube nicht, dass er so zögern würde in einer Partie, in der mehr auf dem Spiel steht. Er hat mich gefragt, und ich war ehrlich.

Sie können es also nicht versprechen? Weil es von den Umständen abhängt?

(Zögert kurz) Ich möchte an dieser Stelle sagen: Ich will immer ehrlich sein. Und vielleicht hilft mir das umgekehrt in anderen Situationen, wenn ich falle und wirklich gefoult worden bin.

Man wird Sie an Ihren Worten messen. Waren Sie früher schon einmal in einer solchen Verlegenheit?

Nein. (Überlegt) Als ich in Holland gespielt habe, waren wir mal dabei, 2:0 zu gewinnen. Ich lenkte den Ball ins Toraus, der Schiedsrichter entschied jedoch auf Abstoss. Da habe ich ihm gesagt: «Referee, es ist Eckball.» Das war eine kleine Sache, nichts Spezielles. Und natürlich ist es etwas anderes, wenn so etwas beim Stand von 0:0 hier daheim gegen die Young Boys passiert. Was machst du dann?

Fairplay wird gerne im Mund geführt im Fussball, vor allem von den Dachverbänden. Dabei scheint wenig Platz für Fairplay im Spiel und im ganzen grossen Business, von dem der Sport inzwischen umgeben ist. Welchen Wert haben Anständigkeit und Ehrlichkeit in Ihrem Leben?

Ich komme aus Woudenberg, das ist ein Dorf, in dem jeder jeden kennt und in dem nicht wirklich grosse Dinge passieren. Die Leute sind geradeaus, du kannst jedem erzählen, ob es dir gut oder weniger gut geht. So bin ich aufgewachsen – mit Ehrlichkeit. Im Spiel gibt es schon Sachen, dich mich nerven. Wenn jemand den Ball ins Aus spielt, aber aufgeregt mit den Armen fuchtelt und den Einwurf für sich reklamiert. Da frage ich mich: Warum macht er das? Er weiss doch, dass er es war, der zuletzt den Ball berührt hat.

Wir werden künftig ein Auge auf Sie haben. In Basel gab es einen Captain, Ivan Ergic, der hat bei seinem Trainer keine Freude ausgelöst, als er dem Schiedsrichter gegenüber ehrlich war und es keinen Elfmeter gab. Es gibt jedoch Fans, die Ivan Ergic – nicht nur dafür – sehr geschätzt haben.

Das kann ich mir vorstellen. Ich glaube, in ein paar Jahren wird das keine grosse Rolle mehr spielen, wenn der Videobeweis eingeführt ist. Der Raum für die Spieler, die Grenzen des Erlaubten auszureizen, wird kleiner werden.

«Wer den Fussball liebt, sagt: Lasst das Spiel, wie es ist. Die Spieler machen Fehler, der Schiedsrichter macht Fehler.»

Die Testphase mit dem Video-Assistenzreferee in der Bundesliga fiel alles andere als überzeugend aus. Vor allem die Auswirkung für die Zuschauer im Stadion und deren Erleben, deren Emotionen sind verstörend. Es gibt Leute, die sagen, der Videobeweis beschädige die Seele des Spiels.

Ich verstehe, was Sie meinen. Und ich bin einverstanden mit diesen Bedenken. Jeder, der den Fussball liebt, sagt: Lasst das Spiel, wie es ist. Die Spieler machen Fehler, der Schiedsrichter macht Fehler. Das ist Teil des Fussballs. Okay. Aber es gibt Dinge, die sollten selbstverständlich sein: Wenn der Ball über der Linie ist, ist es Tor. Das lässt sich mit der Torlinientechnologie machen. Und im Strafraum sollte es für ein Foul Penalty geben. Die Frage ist, wie weit man bei der Überprüfung der Szenen gehen sollte.

Für die Fans im Stadion bleiben diese nachträglichen Video-Entscheidungen schwer oder gar nicht nachvollziehbar.

Ich schätze, dass sich das bald wie im American Football verhalten wird: Der Referee wird die Entscheidung über die Stadionlautsprecher erklären. Aber von mir aus könnte man es auch bei der Torlinienüberwachung belassen. Vielleicht geht die technische Entwicklung so weit, dass auch eine Abseitsposition dem Schiedsrichter elektronisch angezeigt werden kann. Das könnte ausreichend sein. Und wenn wir Spieler immer ehrlich wären, könnte man sich den Rest sparen. Aber so ist es nicht.

Herr van Wolfswinkel, Sie kamen mit dem Ruf des Wandervogels. Wie geht es Ihnen nach einem halben Jahr in Basel?

Ich fühle mich wie daheim! Mein Frau stammt ja aus der Schweiz, aus Baar, und wuchs in Arth-Goldau auf, wo ihre Eltern immer noch ein Haus haben. Unsere Tochter kam hier in Basel zur Welt. Der Klub ist wirklich gross, respektiert in Europa – und es geht trotzdem angenehm normal beim FC Basel zu. Das mag ich wirklich sehr.

Wenn es um Ihre Familie geht, ist immer von Ihrem berühmten Schwiegervater Johan Neeskens die Rede…

… ja, dem geht es gut. Er war auch schon im St.-Jakob-Park, um mich spielen zu sehen, aber er reist als Entwicklungshelfer sehr viel für den niederländischen Fussballverband kreuz und quer durch die Welt.

Der Onkel, der es vom Amateurverein zum zweitbesten Torjäger in der Eredivisie bringt – «das st eine tolle Geschichte», erzählt Ricky van Wolfswinkel.

Aber nie ist die Rede von Ihrem Onkel Erik Willaarts, der auch seine Karriere gemacht hat.

Das ist eine wirklich tolle Geschichte. Er spielte in einem Amateurklub und war schon 25 Jahre, also alt, als er vom FC Utrecht entdeckt wurde. Es gab Zweifel, ob das etwas werden könnte mit ihm als Profi in der Eredivisie. Er war kein riesiger Fussballer, aber ein echter Torjäger. Und er wurde gleich Zweiter der Torschützenliste, hinter dem grossen Marco van Basten von Ajax. Nach diesem unglaublichen Jahr wechselte er in die Bundesliga zu Borussia Mönchengladbach, hat dann aber nur ein paar Spiele gemacht. Da musste er viel laufen und das war nicht sein Ding. Er war nun mal der typische Strafraumstürmer.

Sind Sie in irgendeiner Art von ihm beeinflusst worden?

Er ist ein normaler, sehr lustiger Typ – easy going. Ich kenne ihn als Fussballer nur von Bildern und ich wünschte, ich hätte ihn spielen sehen können. Es würde mich auch sehr stolz machen, wenn meine Kinder mich noch spielen sehen könnten (der Sohn ist dreijährig; Anm. der Red.).

Und wie hiess der Amateurklub, bei dem der Onkel spielte?

Na, VV Woudenberg, wo alle aus meiner Familie gespielt haben. Auch ich habe dort gespielt, bis ich zehn Jahre alt war und zu Vitesse Arnheim ging.

Aha. Dieses Nest hat also einen Fussballverein, der berühmte Söhne hervorbringt?

Und mein Vater Arno war acht Jahre lang Trainer dort! Bis vergangenen Sommer. Er hat den Klub in die Eerste Klasse (sechstklassig; Anm. d. Red.) auf das höchste Niveau geführt, auf dem er jemals war. Und das als einziger Klub, der seinen Spielern nicht einen Cent bezahlt! Ausser einem aus dem Nachbarort sind alle Spieler aus Woudenberg. Es ist der Verein, bei dem auch ich eines Tages enden werde.

Es ist ja noch ein bisschen Platz in der Liste Ihrer Vereinswechsel. Themawechsel: Wie sehen Sie den gegenwärtigen Zustand des holländischen Fussballs? Die Nationalmannschaft hat schon wieder ein grosses Turnier verpasst.

Das ist wirklich eine Schande. Die Entwicklung war ja schon länger zu beobachten. Louis van Gaal hat noch das Beste daraus gemacht und bei der WM 2014 das Halbfinale erreicht. Wir haben nicht mehr die richtig grossen Namen, die den Unterschied ausmachen können, Spieler, die für die ganz grossen Clubs spielen. Wie Sneijder, Robben, van Persie, de Kuijt, van der Vaart. Sie haben alle aufgehört. Robben war der letzte Überlebende, bevor auch er zurückgetreten ist.

Dabei galt Holland immer als Vorbild im Fussball.

Jetzt ist es anders. Es gibt zwar junge Spieler mit viel Talent, von denen ein paar auch in der Bundesliga oder der Premier League sind. Einige Nationalspieler haben aber nicht einmal einen Stammplatz in ihren Klubs. Wir haben bei den Länderspielen in den vergangenen Jahren einfach nicht genügend Qualität auf den Platz gebracht. Nicht genug, um die EM oder die WM zu erreichen.

Und der Posten des Nationaltrainers ist seit über zwei Monaten vakant.

Die Rede ist aktuell von Ronald Koeman. Seit er Everton verlassen hat, will man ihn als neuen Bondscoach.

«Grundsätzlich klingen die Transferbeträge nach viel zu viel. Das ist kein Spieler wert.»

Was halten Sie denn davon, dass zum Beispiel für Ihren Landsmann, den Verteidiger Virgil van Dijk, von Liverpool eine Ablöse von rund 80 Millionen Euro an Southampton bezahlt wird?

Diese Beträge sind so derart in die Höhe geschossen – das ist verrückt und kein Spieler ist das wert. Denken wir nur an Neymar und die 222 Millionen: Möglicherweise kann man das refinanzieren durch all das Marketing und den Verkauf von Trikots. Aber grundsätzlich klingen solche Beträge für jeden Spieler nach viel zu viel.

Da ist die Ablöse, die der FC Basel für Sie hingeblättert haben soll, ein Schnäppchen.

Parkgeld, wie wir in Holland sagen – die Münzen für die Parkuhr. Das ist eine andere Welt hier, ein anderer Klub. Der Preis, den der FC Basel bereit und in der Lage ist zu bezahlen, unterscheidet sich natürlich von dem, was Premier-League-Klubs ausgeben können. Für mich sind 100 Millionen, die in England für Transfers fliessen und die Ablöse für mich – wie viel sollen es gewesen?…

… man geht von rund 3,5 Millionen Euro aus …

Wie auch immer: Für mich bedeutet das das Gleiche. Weil ich weiss, dass der FCB eine Menge unternommen hat, um mich nach Basel zu holen. Es geht nicht nur um das Geld, sondern auch um das Gefühl, dass man mir hier gegeben hat. Das macht mich glücklich genug.

Wissen Sie denn, was der höchste Betrag war, der in Ihrer wechselvollen Karriere für Ihre Transferrechte über den Tisch gewandert ist?

Ich glaube, das waren – je nach dem Wechselkurs des Pfunds – ungefähr zehn, elf Millionen Euro, die Norwich City an Sporting Lissabon bezahlt hat. Das war 2013 der Rekordtransfer für Norwich. Weil der Trainer mich unbedingt haben wollte.

Vom Elfmeterpunkt beim 5:0 gegen Benfica in der Champions League: Das vorerst letzte Tor, dass Ricky van Wolfswinkel für den FCB erzielt hat, bevor er sich im selben Spiel den Mittelfuss brach.

Haben Sie registriert, dass Sie es im vergangenen Herbst in einem wenig schmeichelhaften Ranking in die Top 10 der schlechtesten Premier-League-Stürmer geschafft haben?

Ich hab davon gehört.

Hat Sie das verletzt?

Gar nicht. Weil ich ja weiss, dass ich nicht gut genug gespielt habe. Bevor ich in Norwich unterschrieb, sagte ich zum Trainer: «Hör zu, wenn die Spielweise von Norwich so aussieht wie bisher, bin ich nicht der richtige Stürmertyp dafür.»

Heisst: Norwich spielte typischen englischen Fussball?

Genau: Lange Bälle nach vorne, sehr physisch und rauf auf den zweiten Ball. Ich meinte also ganz offen, es wäre wohl besser, einen anderen Stürmer zu holen. Und wie gesagt: Das war vor der Vertragsunterschrift.

Und dann?

Der Trainer, Chris Hughton, sagte: Nein, nein, er stimme völlig mit mir überein, sie wollten einen anderen Fussball spielen, sie wüssten um meine Qualitäten, dass ich Flanken brauche, Bälle in die Füsse, Bewegung im Spiel, tiefe Pässe – und nicht lange Abschläge vom Torhüter. Damit und mit der Ansage, welche Spieler sie ausserdem holen wollten, hat er mich überzeugt.

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Funktioniert hat es offensichtlich nicht. Sie standen in lediglich 16 von 38 Spielen in der Startelf.

Ende November hat mich der Trainer in sein Büro gerufen und gesagt: Ricky, ich weiss, worüber wir geredet haben, aber wie du siehst, krebsen wir unten in der Tabelle herum, es klappt nicht so, wie wir spielen wollten. Also kehrten wir zurück zu einem direkteren Fussball. Was für mich öfter die Ersatzbank bedeutete.

Waren Sie sauer auf den Trainer?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe noch heute Kontakt mit ihm. Er ist ein grossartiger Typ, und er war offen und ehrlich zu mir. Deshalb hatte ich auch kein Problem mit seiner Entscheidung. Auch wenn sie schmerzlich war und ich so nie richtig meinen Platz im Team gefunden habe. Ich erzielte damals im ersten Saisonspiel gegen Everton mein erstes und einziges Tor für Norwich. Aber ich habe immer hart gearbeitet und dafür werde ich, glaube ich, auch im Rückblick respektiert in Norwich.

(Insgesamt kam van Wolfswinkel in der Saison 2013/14 25 Mal in der Premier League zum Einsatz. Anschliessend wurde er jeweils für eine Saison an St-Etienne und Betis Sevilla ausgeliehen, wo er jedoch auch nicht durchschlagenden Erfolg hatte.)

In Ihrem Palmarès gibt es bislang nur einen Titel, den Sie gewonnen haben …

… mit Vitesse Arnheim im holländischen Pokal vergangenen Sommer, und ich hoffe, dass ich die Titelsammlung in Basel zur Serie ausbauen kann.

Gleich mit mehreren Titeln?

Unbedingt. Für die Jungs hier ist das ja zur Normalität geworden, aber ich bin wirklich hungrig, die Meisterschaft und den Cup zu gewinnen. Ich habe erlebt, wie das ist, einen Titel zu holen mit einem Klub wie Vitesse, der in seiner 125-jährigen Geschichte nie zuvor irgendetwas gewonnen hatte. Dann kommen wir ins Pokalfinale, ich erziele beide Tore und dafür lieben mich die Leute, glaube ich, immer noch.

Was wird es denn brauchen, um die Young Boys hinter sich zu lassen? Die Berner haben Ihre Mannschaft zusammengehalten, die wollen auch eine Titelsehnsucht stillen, machen einen gefestigten Eindruck und nun haben sie auch die Meisterschaft ganz klar als Ziel ausgegeben.

Das wird für uns nicht einfach. Aber wir haben es nach einer sehr schwierigen Phase auf ein Niveau geschafft, auf dem wir uns auch bewegen sollten. Wenn wir das fortsetzen können, sollten wir auch in der Lage sein, erneut die Meisterschaft zu gewinnen. Die andere realistische Möglichkeit, einen Titel zu holen, ist der Schweizer Cup. Die Champions League ist natürlich wieder etwas anderes.

Eine schönes Dessert?

Unser Hauptaugenmerk gilt der Meisterschaft und dem Cup, und in der Champions League treffen wir mit Manchester City auf eines der momentan besten Teams der Welt. Das muss man ganz nüchtern betrachten. Wir werden es Schritt für Schritt angehen, sehr fokussiert, wir werden in keinem Spiel auch nur ein Prozent nachlassen und immer bereit sein, das Maximum aus uns herauszuholen. Dann werden wir sehen, wo wir enden.

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