Sie hat senegalesische Wurzeln, wuchs in Paris auf, studierte in den USA, jetzt lebt sie in Rom: Die Sängerin Awa Ly tritt am Stimmen-Festival in Lörrach im Doppelkonzert mit Landsmann Faada Freddy auf.
Awa wer? Wir haben die Sängerin mit der samtenen Stimme vorab zum Interview getroffen.
Awa Ly, Sie haben Wurzeln im Senegal, sind aber in Paris aufgewachsen. Hat die senegalesische Tradition sich auf Ihre heutige Musik ausgewirkt?
Während ich aufwuchs, habe ich eine Menge verschiedene Musik gehört. Mein Papa hatte eine eindrückliche Vinylsammlung, sehr eklektisch. Darin gab es sowohl westafrikanische Musik als auch Simon & Garfunkel, Neil Young, Jazz, afro-kubanische Orchester. Das hat mich offen für alles gemacht, und genau das findet man heute in meiner Musik: Man kann nicht sagen, dass ich eine Jazzsängerin bin und man kann mich auch nicht dem Pop oder der Worldmusic zuordnen. Ich bin ein Produkt all dieser Kulturen, all dieser Musik, ein Etikett auf mich zu kleben, ist daher sinnlos.
Heute leben Sie in Italien. Was zog Sie dahin?
Ich bin jetzt seit 17 Jahren dort, geplant waren ursprünglich sechs Monate. Der Grund ist, dass ich mich damals in die Stadt Rom verliebt habe. Rom hat mich verzaubert. Es war eine Entscheidung des Herzens. Und damals bin ich nicht einmal aus musikalischem Anlass dorthin, ich habe vielmehr ein Praktikum im internationalen Handelswesen gemacht. Die Musik zu meinem Beruf zu machen, kam mir da noch nicht in den Sinn, obwohl ich immer gesungen habe, seit ich klein bin. Das Leben hat diese Entscheidung für mich getroffen.
«Es liegt mir ganz einfach, in Rollen zu schlüpfen, auch in der Musik. Wenn du einen Song coverst, nimmst du ja auch eine Rolle ein.»
In Rom sind Sie auch Schauspielerin – gibt es da Querverbindungen zur Musik?
In erster Linie sehe ich mich als Sängerin, das ist mein Metier. Zum Film bin ich durch Zufall gekommen. Eine Freundin schlug mir vor, dass ich zu einem Casting für den Film «Bianco I Nero» von Cristina Comencini gehe. Das ist gut gelaufen, und seitdem kamen immer neue Angebote. Ich liebe das Schauspiel, habe aber nie Unterricht genommen. Was ich mache, ist also sehr instinktiv. Es liegt mir ganz einfach, in Rollen zu schlüpfen, auch in der Musik. Wenn du einen Song coverst, nimmst du ja auch eine Rolle ein.
Sie haben eine sehr elegante Stimme mit einem etwas dunklen Timbre. Gab es für Sie während Ihrer Jugend Vorbilder aus dem Soul, dem Pop, aus anderen Genres?
Das hängt vom jeweiligen Moment ab, wofür ich gerade empfänglich bin. Natürlich sind die «geheiligten Monster» dabei, von Billie Holiday über Sarah Vaughan bis Ella Fitzgerald. Gleichzeitig bin ich inspiriert von meinen Zeitgenossen Rokia Traoré und Oumou Sangaré in Afrika, aber ich mag auch Sängerinnen wie die Kanadierin Feist. Und das «Dunkle», das Sie angesprochen haben, sehe ich übergreifend. Man kann es auch in einem Gemälde, in einem Buch finden – ich liebe generell das Tiefe und die Bässe.
Ihr aktuelles Album nennt sich «Five & A Feather» – was bedeutet das?
Ich weiss, dass das ein kryptischer Titel ist, und ich habe das absichtlich so gemacht – es ist wie eine magische Formel. Für mich hat er eine sehr präzise Bedeutung, aber ich möchte, dass jeder, der das Album hört, seine eigene Definition findet. Mit der Zahl fünf verbinden wir ja viele Dinge: Die Finger der Hand, die fünf Emotionen, die fünf Sinne. Und die Feder ist das magische Element, das all diese Dinge miteinander verbindet. Es ist ein wenig schamanisch, passt aber zum Album, das ein bisschen mysteriös sein soll.
Das Album hat mit einem Traum begonnen, der sich im Song «Storyteller» findet. Können Sie das ein bisschen ausführen?
Wenn ich Songs schreibe, dann denke ich nicht daran, dass sie sich zu einem Album gruppieren werden. Es ist, wie wenn du fotografierst und nachher die Bilder nach Themen zuordnest. Später erst entdeckst du etwas Kohärentes. Und so war es auch mit diesen zehn Songs, die ich unter vielen herausgepickt habe und von denen ich dachte: Ja, die könnten zusammen ein Album ergeben. Der erste war «Storyteller», und er entstand tatsächlich nach einem Traum. In ihm hat ein Schamane zu mir gesprochen, in einer Sprache, die mir nicht bekannt war. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass ich ihn verstand, er hat mich getröstet. Unter dem was er sagte, hörte ich Trommeln, und das war sehr erdverbunden, zugleich aber leichtfüssig.
«Die Friedensstifter müssen genauso laut ihre Stimme erheben wie die Kriegswilligen. Sonst landen wir im Abgrund.»
Es gibt auf dem Album auch ein Duo mit dem senegalesischen Musiker Faada Freddy. Wie sieht es heutzutage mit Verbindungen in den Senegal aus?
In diesem Februar habe ich das erste Mal öffentlich im Senegal gesungen, im Institut Français in Saint-Louis und Dakar. Das kam gut an und hat mich sehr bewegt, denn im Senegal sind meine Wurzeln. Dank meiner Eltern war ich als Kind oft im Senegal, habe dort meine Ferien verbracht und bis heute habe ich dort viele Verwandte. Meine Verbindung ist also sehr stark und ich hatte auch die Gelegenheit, viele Künstler aus dem Senegal kennenzulernen. Darunter Faada Freddy, der ein guter Freund geworden ist.
Warum haben Sie Ihn gerade für dieses Stück als Partner ausgewählt?
Faada ist ein grosszügiger Künstler, der viel Wert auf humanitäre Aspekte legt. Und dieser Song appelliert an unsere Menschlichkeit. Es geht um die Menschen, die das Mittelmeer überqueren und oft nicht in einem sicheren Hafen ankommen. In Europa tut man so, als könne man nichts machen angesichts der Tausenden von Ertrunkenen, dabei fehlt es am politischen Willen. Zum Glück treffe ich bei meinen Konzerten immer wieder Optimisten, die sich dem entgegenstellen wollen und habe viele Freunde, die sich in Organisationen engagieren. Die Friedensstifter müssen genauso laut ihre Stimme erheben wie die Kriegswilligen. Sonst landen wir im Abgrund.
Faada Freddy, feat. Awa Ly
Stimmen Festival, 28. Juli, 20 Uhr
Rosenfelspark, Lörrach