Status Quo: «Ein altes Ehepaar, das sich gemeinsam weiterschleppt»

Status Quo, der Name ist Programm. Seit 50 Jahren rocken die Briten Francis Rossi und Rick Parfitt mit wechselnden Musikern, nun ja, «all over the world». Ein Ende ist, trotz anderslautenden Meldungen, noch nicht in Sicht, sagt Sänger und Gitarrist Francis Rossi im Interview. Am Sonntag machen sie halt in Lörrach.

Harmonieren auf der Bühne perfekt: Rick Parfitt (l.) und Francis Rossi.

(Bild: Christie Goodwin)

Seit 50 Jahren rocken Status Quo die Bühnen – und allen Unkenrufen zum Trotz wollen sie das noch weiter tun, wie Sänger und Gitarrist Francis Rossi im Interview sagt. Sie seien sogar darauf vorbereitet, dass einer auf der Bühne stirbt. Am Sonntag spielen sie im Rahmen des «Stimmen»-Festivals auf dem Marktplatz in Lörrach.

Status Quo, der Name ist Programm. Seit 50 Jahren rocken die Briten Francis Rossi und Rick Parfitt mit wechselnden Musikern, nun ja, «all over the world». Fast jedes Jahr geben die Mittsechziger an die 100 Konzerte, ohne noch an ihrem eingespielten Boogie-Rock herumzuschrauben. Ein Ende ist, trotz anderslautenden Meldungen der britischen Yellow Press, noch nicht in Sicht, sagt Sänger und Gitarrist Francis Rossi (66) im Interview. Man muss ja schliesslich seine Rechnungen bezahlen.

Herr Rossi, die britische Yellow Press meldet das nahende Ende von Status Quo. Sie und Ihr langjähriger Bühnenpartner Rick Parfitt hätten sich nichts mehr zu sagen. Ist das so?

Francis Rossi: Wir sprechen wirklich nicht viel miteinander und das seit vielen Jahren. Das muss nicht zwingend schlecht sein, wir sind wie ein altes Ehepaar, das sich gemeinsam weiterschleppt, wir wissen, was der andere denkt und verständigen uns mit wenigen Worten und Gesten. Ich weiss, dass Rick die Urformation, die «Frantic Four», als die wir vor wenigen Jahren kurz wieder auf Tour gingen, erneut aktivieren will. Ich habe daran kein Interesse, es ging nicht lange gut. Aber er soll das gerne tun, er kann die Tour ja dann Status Quo PLC nennen – Parfitt, Lancaster, Coghlan. Aber natürlich reden wir miteinander, sonst könnten wir ja nicht zusammen arbeiten.

Status Quo sind also nicht auf Abschiedstour?

Nein, für nächstes Jahr sind bereits Konzerte gebucht. Sie wissen ja, wie Journalisten funktionieren – wenn man schreibt, dass wir seit 50 Jahren gemeinsam Konzerte geben, wirkt das nicht so spektakulär wie ein möglicher Zwist. Ich kann mich allerdings auch nicht erinnern, ob ich an diesem Interview ganz bei Sinnen war (lacht).

«Wir haben die Alten verspottet – und nun gehören wir zu ihnen. Verdammt.»

Das heisst, Status Quo machen auch über das Jubiläumsjahr hinaus weiter.

Es kann natürlich bald zu Ende sein, logischerweise. Wir sind alle Spätsechziger, nur unser Schlagzeuger ist Mitte Dreissig. Ich scherze gerne mit dem Publikum, dass sie eine ziemlich alte Band vor sich hätten und darauf vorbereitet sein sollen, dass einer auf der Bühne stirbt. Darüber lachen wir gerne, aber man muss trotzdem realistisch bleiben: Als wir angefangen haben mit der Musik, waren wir die jungen Wilden und dachten nie daran, einmal alt zu werden. Wir haben die Alten verspottet – und nun gehören wir zu ihnen. Verdammt.

Man braucht Humor, um das wegstecken zu können?

Das kann nicht schaden. Wenn man uns alte Herren sieht…, wir sind ja nicht die Einzigen. Neulich sahen wir Uriah Heep live, ein anderes Mal Eric Burdon, Nazareth, Jimmy Cliff – mein Gott, wir sind alle alt geworden! Aber wir kennen das – als wir unsere ersten richtigen grossen Erfolge hatten, war ich 27. Ich erinnere mich an ein Punkkonzert, das wir damals im Marquee Club in London besuchten. Wir haben uns über die Band auf der Bühne unterhalten, und jemand vor uns hat sich nach hinten umgedreht und uns angezischt: Raus mit Euch, ihr alten Säcke! Der war vielleicht 17 und ich 27! Das heisst, ich muss heute scheintot sein (lacht)!

In Würde altern im Rock ’n‘ Roll ist ein aktuelles Thema, manche Namen der Gründergeneration aus den Sixties sind noch heute unterwegs. Was gehört dazu?

Gelassenheit. Man sollte sich nicht zu viel einbilden. Für jeden Fan von Status Quo gibt es jemand anderen, der uns für Schrott hält. Und so ist das mit allem. Als Kind nimmt man die Welt nur in absoluten Dimensionen wahr. Was Mutter und Vater sagen, daran wurde nicht gezweifelt. Doch wenn man älter wird, realisiert man, nun, das sind meine Eltern, und sie haben Fehler gemacht wie jeder von uns. Bedeutung ist immer relativ. Ich wollte immer ein guter Vater sein. Doch was bedeutet das, ein guter Vater zu sein? Gute Werte zu vermitteln. Aber was sind gute Werte? Jene der Sixties? Oder des Viktorianischen Zeitalters? Oder jene aus der Bibel? Es ist schwierig. 

Vor allem, wenn man über Jahre hinweg hundert Konzerte pro Jahr spielt?

Das kommt noch dazu. Eines meiner Kinder ist nun aus dem Schulalter raus und schreibt auch Musik. Neulich hat er mir einen seiner Songs geschickt, ich war auf Tour. Wir haben uns darüber unterhalten, aber dann musste ich abbrechen – ein Interview stand an, so eines, wie Sie nun führen. Das ist nun mal der Job, den wir haben. Ich könnte auch Lastwagenfahrer sein und wochenlang auf den Strassen rumfahren. So ist die Welt. Wäre sie besser, würde man nur Zeit mit seinen Kindern verbringen. Nichts anderes.

«Ich könnte mir vorstellen, drei Tage die Woche im Studio zu arbeiten und den Rest der Woche nichts zu tun. Das wäre nicht schlecht.»

Sie denken nicht an Rente.

Auf jeden Fall nicht so, wie man sich das Rentendasein vorstellt: öde. Ich würde nie mit dem aufhören, was ich tue, denn ich liebe es. Aber ich könnte mir vorstellen, drei Tage die Woche im Studio zu arbeiten und den Rest der Woche nichts zu tun. Das wäre nicht schlecht. Aber wir alle haben Rechnungen zu bezahlen. Heutzutage werden die Leute ja 90, 95 Jahre alt und bleiben rüstig. Da denke ich: fantastisch, aber das sind noch fast 30 Jahre. Dafür muss man was tun. Man weiss ja nicht, was morgen sein wird.

Um den zukünftigen Erfolg müssen sich Status Quo offenbar keine Sorgen machen. – Sie waren während sechs Jahrzehnten in den britischen Charts platziert, und an ihrem Konzert am Glastonbury Festival vor einigen Jahren sah man Unmengen junge Menschen, die ihre Texte mitsangen.

Ja, kaum zu glauben. Aber kürzlich wurde ich in München vor einem Konzert von einer jungen Journalistin interviewt, die war vielleicht 30, und sie erzählte mir, dass ihr Vater sie mit unserer Musik aufgezogen hat. Da ist was dran. Ich habe meinem ältesten Sohn immer die Everly Brothers vorgespielt, und er mag sie bis heute. Als ich jung war, habe ich einmal die Beatles live gesehen, und das prägt fürs Leben. Aber wir müssen realistisch sein: Es gibt noch ein paar Millionen Menschen auf der Welt, die mögen Status Quo – der Rest hat keine Ahnung, wer wir sind.

Sie treten nun in Lörrach, in Süddeutschland, auf. Dort haben sie vor sieben Jahren mit einer eigenartigen Kollaboration ebenfalls ein junges Publikum anzusprechen versucht, indem sie mit zusammen mit dem Trashelectro-Act Scooter ihren Hit «Whatever You Want» neu produzierten. Hand aufs Herz – was sollte das?

Nun…, manches passiert einfach. Man wird angefragt, ob man Lust darauf hat, man wägt ab, Ja, nein, ja, nein… Manchmal kommt dabei was Gutes heraus, manchmal ist es nur ein grosser Fehler. Wenn man so lange dabei ist wie wir, macht man Fehler. Und geht weiter. Was diese konkrete Kollaboration angeht – ja, es gab auch positive Reaktionen. Aber für viele war es der grösste Mist. Wenn man jung ist, hat man damit wohl grössere Probleme. Weil man erfolgreiche Platten schreibt und denkt, die Zukunft wird nur rosig sein.

Ein Markt, in dem es für Sie nie rosig lief, waren die USA. Ausgerechnet dort, wo Ihr Boogie-Rock stark verwurzelt ist, schafften Sie nie den Durchbruch. Was lief schief?

Wir haben es versucht. Aber die USA sind so riesig, und es gibt so viele Bands dort, das macht es schwierig. Man braucht Skrupellosigkeit, um dort ins Geschäft zu kommen, und das hat uns wohl abgeschreckt. Wir hätten Tourneen fahren können und pro Konzert 1000, vielleicht 1500 Eintritte verkauft – hätten aber dafür auf grössere Konzerte anderswo in der Welt verzichten müssen. Also haben wir es aufgegeben. Wahrscheinlich hätten wir uns aufgerieben. Die Geschichte des Rock ’n‘ Roll ist reich an Verlusten, und ich denke, viele davon sind auf die Mechanismen im amerikanischen Musikmarkt zurückzuführen. Was nicht heisst, dass wir frei von Narben sind.

«Ich bin kein überzeugter Royalist, aber für die Königin habe ich grossen Respekt.»

Vielleicht sind Sie unterschwellig very british? Die Queen hat sie mit der Ehrenmedaille geehrt, Sie spielten für Prinz Charles und an einem Gedenkkonzert von Lady Di.

Das hat wohl was. Wenn man jung ist, begehrt man auf gegen das Establishment, doch bleibt man länger erfolgreich, wird man automatisch selbst Teil davon. Ich bin kein überzeugter Royalist, aber für die Königin habe ich grossen Respekt. Ich kenne sie, habe sie mehrmals getroffen, und es gibt nicht viele Institutionen in England, die noch länger als wir dabei sind. Sie ist eine – und sie tut es aus Pflichtgefühl, und nicht, weil sie es als ihr Recht empfindet, Monarchin zu sein. Und das ist lobenswert. Ich habe nicht den Eindruck, dass die beiden nachfolgenden Generationen des Königshauses dasselbe Pflichtgefühl an den Tag legen werden.

Status Quo feiert dieses Jahr das 50-jährige Jubiläum, zumindest wenn man die Zusammenkunft von Ihnen und Rick Parfitt als Ausgangspunkt nimmt. Wie feiern Sie?

Gar nicht. Das haben wir hinter uns. Wir hatten früher einen Manager, der damit etwas übertrieb. Wir feierten das Jubiläum des ersten Konzerts, des ersten Treffens von uns, den ersten Hit…, und dazu gab es jeweils Jubiläumsplatten und all das Zeugs. Ich mag das nicht mehr, und unsere Fans haben wohl auch genug davon. Und aus der Marketing-Perspektive betrachtet, sollten wir sowieso nicht herausheben, wie unglaublich alt wir bereits sind. Nein, ich feiere nichts, ich feiere nicht einmal meinen eigenen Geburtstag.
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Status Quo spielen am Sonntag, 19. Juli, auf dem Marktplatz Lörrach am «Stimmen»-Festival.

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