Behrang Safari reflektiert im ausführlichen Gespräch mit der TagesWoche seine im Sommer ablaufende Zeit in Basel. Der 31-jährige Schwede kann in der Entwicklung des FC Basel nichts Negatives erkennen, nimmt seinen neuen, die Fans polarisierenden Kollegen Renato Steffen in Schutz und erzählt, wie er seine innere Mitte mit Hilfe eines Psychologen gefunden hat.
Behrang Safari, warum verlassen Sie den FC Basel im Sommer?
Das war eine schwere Entscheidung. Ich habe eine Familie um mich, eine Frau, Zwillingsbuben im Alter von vier Jahren. Wir schauen, was das Beste ist für sie, und es ist das perfekte Timing für ihre Einschulung in Schweden. Zudem wollte ich meine Karriere immer schon in Malmö beenden, dort, wo alles begonnen hat. Ich habe eine Menge Energie in mir, um dem Fussball noch etwas geben zu können.
Aber es wäre möglich gewesen, in Basel weiterzumachen. In Ihrem Vertrag gibt es eine Option bis 2017.
Ja, und ich wollte eigentlich auch beim FC Basel bleiben. Ich habe viel erlebt hier und bin mit unglaublichen Teamkollegen zusammen. Wir haben viel Spass, spielen guten Fussball und gewinnen. Aber ich kann nicht nur auf mich schauen. Ich war jetzt acht Jahre für den Fussball unterwegs. Und ich erinnere mich daran, als wir wegen mir das Land verliessen. Meine Frau steht ihrer Familie sehr nahe, aber sie ist mitgekommen. In der letzten Zeit habe ich realisiert, dass es wichtig ist, nach Schweden zur ganzen Familie und den Freunden zurückzukehren. Es war deswegen eine harte Entscheidung. (seufzt) Es ist das Ende eines wichtigen Teils meiner Karriere. Einerseits ist dieses Ende traurig, andererseits öffnen sich neue Türen.
Sie wollen also Ihrer Frau und Familie etwas zurück geben, nachdem sie in den letzten Jahren Ihrem Rhythmus gefolgt sind?
Meine Frau war vom ersten Tag an mit mir in Basel. Und das erste Jahr hier war hart, wissen Sie. Christian Gross war ein harter Trainer, manchmal fühlte ich mich schlecht. Aber meine Frau hat mich immer unterstützt. Keine Ahnung, ob ich ohne sie fähig gewesen wäre, mich als Fussballer so zu entwickeln. Für eine Frau ist das schwierig, schliesslich gibt es als Fussballer keine Garantie, dass man nicht vom einen auf den anderen Tag irgendwo anders hinziehen muss. Jetzt möchte ich auf meine Familie hören. Es macht schliesslich keinen Sinn, selbst glücklich zu sein, wenn die Familie weniger glücklich ist. Ich möchte am Abend in ein gesundes Umfeld heimkommen. Dann weiss ich auch, dass ich am besten Fussball spiele. Und jetzt, gegen Ende meiner Karriere, will ich nochmals jeden Tag geniessen.
«Basel ist eine Siegermaschine geworden. Ist das denn eine negative Entwicklung?» – Behrang Safari im November 2015 beim Heimsieg gegen Luzern im St. Jakob Park. (Bild: Manuel Geisser)
Sie sind am 9. Februar 31 Jahre alt geworden und präsentieren sich auf dem Platz in einer blendenden Verfassung.
Ja. Ich fühle mich gut.
Wie schon zum Ende der Vorrunde waren Sie auch beim 3:0 gegen Luzern besser als im Durchschnitt Ihrer Saisonspiele.
So sehen Sie das.
Liegen wir falsch?
Es ist Ihre Meinung. Aber wenn man auf die Medien hören würde, dann würde ich in 80 Prozent der Spiele nicht spielen. Ich wurde viel kritisiert, aber letztendlich bin ich es, der auf dem Platz steht. Sie schauen sich die Spiele an und müssen über 22 Spieler berichten.
Das ist, zugegeben, manchmal nicht einfach.
Ich habe hier sechs Jahre lang gespielt. Sie können mich kritisieren, so viel Sie wollen. Für mich ist das okay. Darauf ist es mir nie angekommen. Für mich war immer wichtig, zu spielen und der Mannschaft zu helfen. Wenn Sie jetzt also kommen und mir sagen, ich hätte in den letzten Spielen gut agiert, dann ist das einfach Ihre Meinung. Ich versuche, immer meine Leistung zu bringen. Manchmal ist es schwieriger, manchmal ist es einfacher.
Druck herrscht überall.
Klar, aber Sie kommen hier nicht zu einem Club, der ab und an mal etwas gewinnt. Sie kommen zu einem Club, von dem erwartet wird, immer zu gewinnen. Der Druck ist also anders. Man hat hier sechs Mal in Folge den Titel gewonnen. Dann ist die Erwartung, dass der siebte gewonnen wird, oder nicht? Und jedes Jahr ist das schwierig.
Dieser Druck klingt wie eine Last.
Er ist perfekt! Damit erreichen sie das Maximum ihrer Leistungsfähigkeit. Man braucht diesen Druck. Wenn der nicht da ist, wird man nach dem sechsten Titel vielleicht etwas nachlässig. Der Druck ist in jedem Spiel da, in jedem Training.
Der Beweis sind Sie, in dem es kocht nach einem verlorenen Trainingsspielchen.
Sehen Sie! Der ganze Tag ist beinahe ruiniert, weil ich daran denke. Der Job von uns Spielern ist es, diese Energie den Neuen zu vermitteln. Wenn sie sehen, wie wir immer gewinnen wollen, dann erkennen sie, dass dies der Weg ist. Wir sind die (sucht das englische Wort und findet es schliesslich auf Deutsch) «Vorbilder» für die Jungen. Wir müssen der ganzen Gruppe Energie verleihen, damit wir alle in die gleiche Richtung arbeiten. Und bisher ist uns das in dieser Saison ganz gut gelungen.
Ist es denn falsch zu glauben, dass man den Jungen auch Fehler zugestehen muss?
Fehler macht jeder. Auch wir älteren. Um ein Tor zu erzielen, braucht es einen Fehler des Gegners. Das passiert also die ganze Zeit. Es ist Teil des Spiels. Das Team mit den wenigsten Fehlern gewinnt drei Punkte. Es geht also darum, so wenige Fehler wie möglich zu machen.
Aber vielleicht werden die Jungen bei Fehlern anders beurteilt.
Nein. In diesem Verein sind wir Spieler alle gleich. Wenn wir sehen, dass jemand Mühe hat, dann helfen wir ihm. Es macht keinen Sinn, jemanden, der am Boden ist, mit Kritik noch weiter auf den Boden zu drücken. Wichtig ist, aus Fehlern zu lernen.
Haben Sie unter diesem Druck nie gelitten?
Ich kam von Malmö, einem grossen schwedischen Club, da war der Druck schon gross. Und was viele nicht wissen: Ich habe in Basel Hilfe in Anspruch genommen. Im ersten und zweiten Jahr beim FCB durchlebte ich eine unstete Zeit: Ein Spiel war phantastisch, das nächste war nicht so gut. Und ich wurde wütend mit mir selber, ich wollte perfekt sein in jedem Spiel. Deshalb habe ich in der Saison 2010/11 einen Sportpsychologen aufgesucht und mit Christian Marcolli zu arbeiten begonnen. Und es hat sich ausbezahlt.
Was hat nicht gestimmt?
Ich musste zuerst realisieren, was meine Probleme waren. Dinge, mit denen ich zu kämpfen habe, sind kein Problem für einen anderen und umgekehrt. Da war immer etwas in meinem Kopf. Ich wollte an meiner Art zu denken etwas ändern. Um die Arbeit mit einem Psychologen wirksam zu gestalten, müssen sie offen sein. Als ich das erste Mal gehen wollte, war das auch eine finanzielle Frage.
Sie wollen aber nicht behaupten, dass Sie sich das nicht leisten konnten?
Nein, aber nicht jeder denkt, dass der Ertrag den finanziellen Aufwand rechtfertigt.
Was sind die Herausforderungen bei der Arbeit mit einem Psychologen?
Sie dürfen Ihre grössten Ängste nicht verstecken. Sie müssen daran glauben und sich verändern wollen. Und da hat meine Frau gesagt: «Warum denkst du darüber nach, du isst Fussball und du atmest Fussball, das ist eine Investition in dich selbst. Geh hin.»
Das steht nicht in Ihrem Vertrag?
Nein. Es steht nur, dass ich viel lachen müsse (lacht). Im Ernst, jeder Spieler hat seine Rolle in der Mannschaft. Und ich glaube, eine gute Balance gefunden zu haben.
Wenn Fussball Ihnen derart viel gibt, wie wollen Sie das kompensieren nach der Karriere?
Wahrscheinlich weiterhin mit Fussball. Nach all diesen Jahren habe ich so viel Erfahrung, ich kann so viel weitergeben.
In Malmö, als Sportdirektor zum Beispiel?
Keine Ahnung. Vielleicht brauche ich auch mehr Zeit, um sesshafter zu werden. Ich möchte viel Zeit mit meiner Familie verbringen und nicht dauernd abwesend sein. Fussball ist alles, was ich kann. Ausser meiner neuen Leidenschaft: dem Kochen.
Aha, was ist Ihre Lieblingsküche?
Alles. Vom komplizierten bis zum einfachen Menü. Oder einfach improvisieren, meinen eigenen Weg zu finden. Ich nehme ein Rezept und mit der Zeit passe ich es meinen eigenen Ideen an. Das macht viel Spass!
Kochen Sie iranisch?
Das lernte ich von meiner Mutter. Und wenn ich Schweizer Küche haben will, überbacke ich einfach alles mit Käse (lacht).
«Ich werden viel vermissen» – Behrang Safari, der nach dieser Saison den FC Basel nach insgesamt sechs Jahren verlässt und nach Malmö zurückkehren wird. (Bild: Daniela Frutiger/feshfocus)
So einfach ist das dann doch nicht mit der hiesigen Küche. Abgesehen davon: Was werden Sie vermissen von der Schweiz?
Meine Teamkollegen, die Kabine, diesen Club. Das alles hat mir viel gegeben. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich hatte phantastische Jahre und ich bin mir bewusst, dass es nicht einfach ist, zu einem Club zurückzukehren. Meine Familie war glücklich hier, es ist eine perfekte Umgebung und ich werde viel vermissen: den Lebensstil, die Sicherheit, die entspannten Momente. Und ich werde es vermissen, in der Senftube zu stehen und auf das Spiel zu warten, die Fans während 90 Minuten zu hören, nach einem Sieg im Kreise der Mitspieler auf dem Feld zu stehen, zu fühlen, dass man keine zwei Minuten hätte länger spielen können, weil man derart durch ist. Diese Gefühle, die werde ich vermissen. Das alles hat keinen Preis.
«Sobald man sich auf die faule Haut legt, ist es zu Ende.»
Geben Sie uns noch eine Einschätzung zu den anstehenden Spielen gegen die Grasshoppers und Saint-Etienne.
Das sind Topspiele. Wir müssen absolut bereit sein. Und ich kenne die Resultate von St-Etienne. Das wird ein hartes Stück Arbeit.
Ist die Meisterschaft mit einem Sieg in Zürich entschieden?
Natürlich nicht.
Nicht auf dem Papier. Aber nach menschlichem Ermessen?
Nein. Wie gesagt, ich bin jetzt lange genug dabei. Und ich weiss, wie schnell es gehen kann.
Aber nicht mit 15 Punkten Vorsprung?
Sobald man sich dann auf die faule Haut legt, ist es zu Ende.
Das werden Sie und Ihr Team kaum tun.
Das meine ich ja. Wir müssen Leistung bringen, bis wir auf dem Barfüsserplatz stehen. Bis ich diesen neuen Pokal in den Händen halte.
Er scheint gross und schwer zu sein.
Wenn wir unser Ziel erreichen, werde ich es Sie wissen lassen.
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Behrang Safaris Leistungsdaten der laufenden Saison:
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