Und woher haben Sie diesen Gorilla?

Im Sommer trennt sich der FC Basel von Marc Janko. Im Abschiedsinterview spricht der 33-jährige Österreicher über Wohnungseinrichtungen und Heuchelei beim Thema RB Leipzig, über Boomerangs auf Instagram und Übernachtungen im Gästezimmer, über das Groteske im Fussball und die alten Herren von Juventus.

Marc Janko

(Bild: Dirk Wetzel)

Im Sommer trennt sich der FC Basel von Marc Janko. Im Abschiedsinterview spricht der 33-jährige Österreicher über Wohnungseinrichtungen und Heuchelei beim Thema RB Leipzig, über Boomerangs auf Instagram und Übernachtungen im Gästezimmer, über das Groteske im Fussball und die alten Herren von Juventus.

Marc Janko, die neue Führung des FC Basel wird sich im Sommer von Ihnen trennen. Sitzen Sie schon auf gepackten Koffern?

Das nicht. Aber wir haben das eine oder andere in die Wege geleitet: den Handy-Vertrag gekündigt oder Formalitäten bei der Bank erledigt.

Und was bringt die nahe Zukunft?

Da gibts diesen Spruch: «Voraussagen sind schwierig zu treffen, vor allem, wenn es um die Zukunft geht.» Wenn ich jünger wäre, würde mich die Situation extrem belasten. Aber ich habe viel gesehen, einiges erreicht und viel durchmachen müssen. Insofern bin ich entspannt. Fest steht, dass es auf dem Platz für mich weitergeht. Jetzt probieren meine Frau und ich, uns auf das Positive zu konzentrieren, und machen nochmals einen Sprung ins Ungewisse. Irgendwann gibt es wieder einen Alltag. Noch ist es ein Abenteuer.

Sie sind ablösefrei zu haben. Bei Ihrer Quote von 32 Toren in 61 Spielen müssten sich die Angebote ja bereits stapeln.

Ich habe noch keine Gespräche geführt. Aber es kommt auf jeden Fall Bewegung rein. Ich fand meine Saison beim FC Basel sehr passabel. Und wenn ich auf die beiden Jahre in Basel zurückblicke, dann war es ja auch so, dass ich keine Elfmeter schiessen konnte, weil wir in Matias Delgado einen Mister hundert Prozent haben. Wenn man Elfmeter schiessen darf, dann kommen pro Saison vielleicht noch mal fünf, sechs Tore dazu.

«Die neue Vereinsführung bietet natürlich schon Angriffsfläche.»

Wir gehen mal davon aus, dass Sie Ihre Ersparnisse nicht im Casino verspielt haben. Geld dürfte beim nächsten Vertrag also nicht das ausschlaggebende Argument sein.

Geld ist nicht das Wichtigste, aber es gehört auch dazu. In unserer Gesellschaft, in der alles auf Geld aufgebaut ist, ist es eine Art der Wertschätzung. Das ist in jedem Beruf so, deshalb muss die Bezahlung bei einem nächsten Vertrag schon auch passen.

Kommt eine ferne Destination für Sie und Ihre kleine Familie also infrage, zum Beispiel China?

Ja, wir sind offen für alles. Es ist eine Frage des Gesamtpakets.

Mit Ihrer Familie verändert sich dieser Sprung ins Ungewisse.

Das stimmt. Wir haben uns als Elternpaar entschieden, dass es mindestens in den ersten drei Jahren für die Kleine nicht so entscheidend ist, in welchem Umfeld sie aufwächst. Danach wollen wir aber an einem Ort bleiben, aller Voraussicht nach in Wien. Da werden wir Wurzeln schlagen. Ich hätte es bevorzugt, noch eine Weile in Basel zu bleiben. Auch wegen der Familie, die sich hier wohl fühlt.

Hat es Sie angesichts Ihrer guten Saison überrascht, dass der FC Basel nicht verlängern wollte?

Überrascht tönt zu vorwurfsvoll. Aber ich habe mit meiner Familie schon gehofft, dass der FCB realisiert: Der Janko kann wichtig sein. Wenn es mal Spitz auf Knopf geht, dann wirfst du den Langen rein. Aber ich respektiere den Entscheid der neuen Führung. Ich bin dem Verein nicht böse, sondern eher dankbar für die zwei schönen Jahre. Nach dem Jahr in Sydney habe ich sowieso nicht gedacht, nochmals auf diesem Niveau Fussball zu spielen.

War der Wechsel nach Australien denn eine Art Resignation in Ihrem Fussballer-Leben?

Das nicht. Aber auch im Fussball geht es um Angebot und Nachfrage. Nach meinen zwei katastrophalen Jahren in der Türkei kamen halt die Anrufe nicht.

05.11.2015; Lissabon; Fussball Europa League - OS Belenenses - FC Basel; Trainer Urs Fischer (Basel) und Marc Janko (Basel) (Daniela Frutiger/freshfocus)

«Ich bin nach Urs Fischer vielleicht so etwas wie das zweite Opfer der Neuausrichtung beim FC Basel. Und wenn es aufgeht, schreit kein Hahn mehr nach uns.» (Bild: Daniela Frutiger/freshfocus)

Mit Ihrem Abgang in Basel geht nicht nur der Lange, sondern auch der Erfahrene. Was bedeutet das für diese Mannschaft?

Die Rädchen werden sich weiterdrehen, die Erfolge weiterhin da sein. Marco Streller hat auch aufgehört und alle sagten: «Wahnsinn!» Und trotzdem ist es weitergegangen.

Weil Sie verpflichtet wurden.

Ja. Aber es gibt immer einen Nächsten, immer einen Nachfolger. Dieser Verein ist so gut aufgestellt. Entsprechend werden sie gutes Personal verpflichten. Ich hoffe jedenfalls, dass der Club seine Erfolgsgeschichte weiterschreibt.

So gefestigt die Organisation beim FCB scheint, sie wird gehörig durchgeschüttelt.

Die neue Führung bietet natürlich schon Angriffsfläche. Wenn es nicht so läuft, wie man sich das wünscht, dann ist den Herren sehr wohl klar, dass es Kritik geben wird und die Frage aufkommt, warum man ein funktionierendes Gebilde so umstrukturiert. Aber die Jungs wissen ganz genau, wie die Mechanismen funktionieren. Sie haben ein Konzept ausgearbeitet und versuchen jetzt, dieses nach bestem Wissen und Gewissen umzusetzen. Dass es da harte Entscheidungen zu treffen gibt, war klar. Jetzt bin ich nach Urs Fischer vielleicht so etwas wie das zweite Opfer dieser Neuausrichtung.

«Ich verstehe die kritischen Stimmen bezüglich RB Leipzig. Aber die Polemik verstehe ich nicht. Da ist viel Heuchelei dabei.»

Die Führung trennt sich von Ihnen und Trainer Urs Fischer, von zwei Figuren, die gut funktioniert haben.

Das sehen natürlich viele Leute auch anders. Im Grossen und Ganzen muss man aber einfach akzeptieren, dass die neue Führung neue Köpfe und sich vom bisher eingeschlagenen Weg emanzipieren will. Sie will eine eigene Duftmarke versprühen. Und wenn es aufgeht, wird kein Hahn mehr nach uns krähen.

Sie übertreiben. Schliesslich haben eine Menge Leute in den Sozialen Medien ihre Zuneigung zu Ihnen kundgetan.

Das war überwältigend. Und inzwischen denke ich: Vielleicht ist es besser, so zu gehen, als dann, wenn die Leute sagen: «Endlich!»

Gefällt Ihnen diese Exponiertheit in den Sozialen Medien?

Ich könnte gerne auf die Sozialen Medien verzichten, sehe es aber als Fanpflege. Ganz auf dem letzten Stand bin ich nicht: Der Trend geht in Richtung Video, ich bin mit meinen Fotos etwas hintendrein. Die grösste Errungenschaft sind diese kurzen Videos, die sich in Endlosschleife wiederholen.

Sie meinen GIFs?

Ja. Oder die Boomerangs.

Boomerangs? Da erwischen Sie uns auf dem falschen Fuss.

Sehen Sie. Ich musste das auch erst lernen. Manuel Akanji hat mir das unlängst im Bus gezeigt. Ich versuche, es mit den Sozialen Medien nicht zu übertreiben. Aber unlängst musste ich feststellen, dass meine Tochter inzwischen schon recht oft auftaucht in meinen Posts. Wahrscheinlich, weil ich ein so stolzer Papa bin.

Man sieht, dass Sie sehr gerne fotografieren. Aber Sie zeigen das Gesicht Ihrer Tochter nie.

Ja, das ist mir wichtig. Ich versuche einfach, schöne Moment einzufangen. Mal gelingt mir das gut, manchmal schlecht.

#babygirl? waiting for daddy to come home ???

Ein Beitrag geteilt von Marc Janko (@marcjanko) am6. Apr 2017 um 10:35 Uhr

Und wo kommt der Gorilla her?

Der kommt aus dem Einrichtungshaus Interio.

Aha. Woraus ist der Gorilla?

Hartplastik.

Und wie zieht man mit einem Gorilla um?

Da muss ein grosser Laster kommen. Wir haben einige grosse Sachen. Auch mein Bett weicht etwas von der Norm ab.

So, wie Sie sich darstellen in den Sozialen Medien – was ist denn die Marke Marc Janko auf dem Werbemarkt wert?

Nicht wahnsinnig viel.

Jetzt stapeln Sie tief. Sie sind immerhin 63-facher Nationalspieler.

Also in Österreich bin ich schon dem einen oder anderen ein Begriff. Aber ein Leben lang davon zehren, dafür wird es nicht reichen. Die grösste Problematik als Fussballer ist, dass man in einem Umfeld drin ist, in dem man extrem wenig planen kann. In meiner Karriere war es ja so, dass ich nicht immer greifbar war für die Sponsoren. Und man muss auch immer aufpassen mit Sponsoringpartnern, die mit jenen des Arbeitgebers konkurrieren.

«Es ist grotesk. Der Fussball lebt von den Emotionen. Und auf der anderen Seite verlangt man von uns Spielern absolute Kaltblütigkeit.»

Sind Sie aus Ihrer Zeit in Salzburg eigentlich noch mit Red Bull verbandelt?

Sehr wenig. Ich kenne schon noch den einen oder anderen, der dort tätig ist.

Auf Ihrer Internetseite sind Sie noch immer mit einer Red-Bull-Dose in der Hand zu sehen.

Kann sein. Aber da besteht kein vertragliches Verhältnis. Das ist einfach Bildmaterial von damals.

Red Bull hat mit Leipzig den Durchbruch geschafft. Ist Ihnen das sympathisch?

Ich verstehe die kritischen Stimmen. Aber die Polemik verstehe ich nicht. Da ist viel Heuchelei dabei. Gegen Wolfsburg sagt nie einer was. Gegen Leverkusen sagt nie einer was. Aber das sind alles auch Werksvereine. Da zeigen viele mit dem Finger auf andere, ohne dass sie selber besser sind.

Marc Janko of Switzerland's soccer team FC Basel during a training session in the Ramon Sanchez Pizjuan stadium in Sevilla, Spain, on Wednesday, March 16, 2016. Switzerland's FC Basel 1893 is scheduled to play against Spain's Sevilla Futbol Club in an UEFA Europa League Round of 16 second leg soccer match on Thursday, March 17, 2016. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

«Ich legte im Winter den besten Ausdauertest meines Lebens ab.» (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Was sagt es über die Marke Red Bull aus, dass man mit dem Finger gerade auf Leipzig zeigt?

Solange die Leute drüber reden, ist das Ziel doch erreicht. Bad News sind auch Good News. Was es über die Marke aussagt, weiss ich nicht. Ich bin aber nicht der Einzige mit der Meinung, dass die Mannschaft den Fussball in Deutschland bereichert hat: mit einer jungen Art, Fussball zu spielen. Vom ganzen Drumherum ist für mich einiges entbehrlich.

Trinken Sie noch Red Bull? Schliesslich kommen Sie aus Österreich, da gibts wunderbaren Wein. Ist das was für Sie?

Klar, ab und an ein Gläschen mit meiner Frau! Aber alles mit Mass.

Mit knapp Mitte 30 dürfen Sie sich das auch leisten. Wobei Sie eigentlich nur ein alter Fussballer sind. Nicht ein alter Mensch.

Darüber habe ich unlängst auch mit meiner Frau gesprochen. Zum ersten Mal in meinem Leben wird mir bewusst, dass ich den Stempel «alt» aufgedrückt bekomme. Ausgelöst durch die Entscheidung des Vereins, der sich verjüngen will. Der FCB hat ja auch noch geschrieben, dass die Trennung nichts mit meiner Leistung zu tun habe. Also kann es nur an meinem Alter liegen. Ich möchte nicht von einem Dämpfer sprechen. Aber ich weiss jetzt, dass ich im letzten Drittel der Karriere bin. Umso mehr freue ich mich, dass Juventus mit den alten Herren in den Champions-League-Final gekommen ist.

Sie realisieren Ihr Alter also deswegen, weil es in Ihrem Beruf bereits jetzt zum Thema wird. In vielen anderen Berufen würden Sie zu den jüngeren gehören.

Das ist ja irgendwie normal. Mein ganzes Leben habe ich um den Fussball herum strukturiert. Es war bis zur Geburt meiner Tochter immer das Wichtigste. Ich ordne dem Fussball viel unter. Wenn die Kleine mal eine unruhige Nacht hat und es steht ein wichtiges Spiel an, dann nehme ich darauf Rücksicht und schlafe im Gästezimmer.

«Wir Fussballer dürfen uns über fast gar nichts beklagen.»

Stellt sich mit der Trennung vom FCB auch das Gefühl ein, dass Sie irgendwie nicht mehr gebraucht werden?

Wenn man es dramatisieren will, dann ist das so. Aber dafür bin ich zu lange dabei. Ich sehe es einfach professionell. Weil ich weiss, dass Gefühle in diesem Geschäft keinen Platz haben.

Nicht?

Es ist grotesk. Das Spiel lebt von den Emotionen. Und auf der anderen Seite verlangt man von uns Spielern absolute Kaltblütigkeit.

Damit Sie den Fans also Emotionen bieten können, müssen Sie Ihre Emotionen zurückstecken.

In gewissen Fällen ist das so. Ich hätte auf die Nicht-Verlängerung des Vertrags beim FCB ja auch ganz anders reagieren können. Aber wie es sich gehört, nehme ich es professionell und versuche lieber, die schönen Dinge der Geschichte in den Vordergrund zu stellen, als böse Gedanken mit mir herumzutragen. Vielleicht hätte ich in der Rolle der neuen Führung ja auch so entschieden.

Gibt es in Ihrem Umfeld eigentlich Menschen, die arbeitslos geworden sind?

Ich kenne den einen oder anderen. Aber ein Fussballer lebt da in einer komplett anderen Welt. Mit den Problemen des Otto Normalverbraucher muss er sich nicht auseinandersetzen. Wir Fussballer dürfen uns über fast gar nichts beklagen. Wir sind derart privilegiert, leben ein wunderbares Leben, auch wenn wir hart dafür arbeiten müssen. Aber im Endeffekt muss man alles in Relation setzen, und so nehmen wir Fussballer gewisse Dinge auch leichter zur Kenntnis.

Wie weit voraus denken Sie in Ihrem Leben?

Ich habe durch mein Berufsfeld gelernt, immer sehr kurzfristig zu denken. Aber jetzt bin ich im letzten Drittel meiner Karriere und da mache ich mir natürlich Gedanken, wie es danach weitergehen soll. Ich werde mir genug Zeit nehmen und mich nicht stressen lassen, um etwas zu finden, das mir vergleichbar viel Leidenschaft bringt wie der Fussball.

Was schwebt Ihnen vor?

Ich möchte im Fussballbusiness bleiben und nach Möglichkeit beim einen oder anderen Verein in gewisse Bereiche hineinschnuppern: vielleicht Sportdirektor, vielleicht etwas im Marketing oder Management. Irgendwas in diese Richtung.

Basel's Mohamed Elneny, Birkir Bjarnason, Marc Janko and Manuel Akanji, from left, enter the pitch for the second half during the UEFA Europa League group I group stage matchday 4 soccer match between Portugal's C.F. Os Belenenses and Switzerland's FC Basel 1893 at the Estadio do Restelo in Lisbon, Portugal, on Thursday, November 5, 2015. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Der eine zeigt dem anderen, wie das mit den Spielen im Europacup geht. Der andere zeigt dem einen, wie das mit den Boomerangs auf Instagram geht. Marc Janko (links) mit Manuel Akanji. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Noch sind Sie Fussballer. Vergangene Saison hatten Sie einige Verletzungsauszeiten. Das hält sich inzwischen im Rahmen. Hat das auch mit dem Leiter Fitness, Werner Leuthard, zu tun?

Absolut. Die Verletzungsstatistik spricht Bände. Er hat eine tägliche Routine in den Trainingsalltag gebracht. Die hat jeden von uns enorm bereichert. Der Tag beginnt mit Übungen, die die Gelenke durchbewegen. Dadurch kommen diese in die richtigen Stellungen und es entstehen keine Blockaden. Die Gelenke sind meist der Grund für eine Verletzung und nicht etwa ein schwacher Muskel. Am Anfang war es schwer zu schlucken, dass man diese Routineübungen vor jedem Training machen muss.

In Ihrem Alter macht man das doch wahrscheinlich viel lieber. Schliesslich sehen Sie die Endlichkeit Ihrer Karriere und mit allem, was Sie für Ihren Körper machen, erhalten Sie Ihre Leistungsfähigkeit.

Genau. Man merkt ja auch mit der Erfahrung, dass man viel mehr investieren muss, um auf dem Level zu bleiben. Da hat auch der Werner Leuthard seinen Teil dazu beigetragen.

Sie sagen, dass noch zwei, drei gute Jahre in Ihnen stecken. Das hat Marco Streller auch gesagt: Er verlängerte, um ein halbes Jahr später die Karriere doch vorzeitig zu beenden.

Das muss man individuell betrachten. Ich legte im Winter den besten Ausdauertest meines Lebens ab. Alter muss nicht abnehmende Leistung bedeuten. Die Veränderungen finden vielmehr im Kopf statt: Ich kann mich erinnern, dass ich mir in der Hinrunde eine Muskelverletzung zugezogen habe. Danach hatte Michael Lang das Gleiche. Bei ihm sagte man: «Pech.» Bei mir sagte man: «Der ist alt.»

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