Von Züri West bis Göteborg, Teil 1

«Göteborg» heisst das aktuelle Album von Züri West. Sänger Kuno Lauener erklärt, wie sein Seitenhieb auf die Berner Kollegen im Titelsong gemeint ist, und warum er nicht über sein Familienglück singen mag. Gitarrist Küse Fehlmann ergänzt, was es mit dem neuen Klangbild auf sich hat.

Züri West heben wieder ab: Kuno Lauener, Küse Fehlmann, Gert Staeuble, Tom Etter und Jürg Schmidhauser (von links). (Bild: Annette Boutellier)

«Göteborg» heisst das aktuelle Album von Züri West. Sänger Kuno Lauener erklärt, wie sein Seitenhieb auf die Berner Kollegen im Titelsong gemeint ist, und warum er nicht über sein Familienglück singen mag. Gitarrist Küse Fehlmann ergänzt, was es mit dem neuen Klangbild auf sich hat.

Kuno Lauener, seit der letzten Platte und Tour sind vier Jahre vergangen. Was Ihre Liebsten gemacht haben, wissen wir durch Ihre aktuelle Single: Ferien in Göteborg. Und was haben Sie getan?
Kuno Lauener: Wir hatten zunächst eine Zwangspause mit Züri West. Unser Bassist stürzte kurz nach der letzten Tournee mit dem Gleitschirm ab, war schwer verletzt und hatte eine lange Rehabilitationsphase. Deshalb begannen wir nicht gleich damit, neue Songs zu schreiben. In den letzten eineinhalb Jahren aber waren wir ziemlich intensiv mit dem Album beschäftigt. Sowas braucht halt seine Zeit.

Eure Arbeitsweise scheint sich von jener anderer Bands zu unterscheiden: Ihr gönnt euch zwischen den Produktionszyklen Freiräume, trefft euch nicht ständig im gemeinsamen Proberaum. Funktionieren ZüriWest mittlerweile eher wie ein Projekt?
Kuno Lauener: Es hat sich in den letzten zehn Jahren so entwickelt. Nicht zuletzt auch, weil alle ausser mir nebenbei andere Aktivitäten verfolgen. Seit wir unseren Übungsraum renoviert und zum Studio umgebaut haben, gewähren wir da auch immer wieder anderen Musikern Gastrecht. Küse kümmert sich darum, er ist der Studiochef.

Küse Fehlmann: Unser Mischer Oli Bösch arbeitet auch in unserem Studio, sodass wir den Raum, der eben oft unbenutzt ist, auch neben der Band bewirtschaften können. Was die Pausen betrifft: Kuno und ich gehen seit fast 30 Jahren den gleichen Weg. Nehmen wir ein neues Album auf und touren damit, dann verbringen wir alle jeweils zwei Jahre miteinander. Dazwischen aber müssen wir manchmal wieder Luft holen, neue Inputs suchen.

Ist diese Distanz nötig?
Küse Fehlmann: Ja. Ich kann auf Tour keine Songs schreiben. Manchmal habe ich die Ohren so voll, dass ich einen Reset machen muss, Ruhe brauche, um auf neue Ideen zu kommen.

Kuno Lauener: Nach einer Tournee versuche ich immer wieder bei Null zu sein – also bewusst nicht gleich wieder den Faden aufzunehmen, sondern ein bisschen Zeit verstreichen zu lassen. Ich schreibe nicht dauernd Texte, habe auch nicht ständig das Gefühl, ich müsse das tun.

Weshalb Sie fanden: Jetzt gründe ich eine Familie, werde Vater.
Kuno Lauener (lacht): Das geschah ganz intuitiv: Hoppe de Bäse, und da war es, das Kind.

Jetzt ist Kuno Lauener Vater – und dennoch schreibt er keine fröhlichen, glücklichen Texte.
Kuno Lauener: Ich bin ja noch ganz neu im Geschäft – und jetzt dabei, glücklich zu werden. Zu Hause singe ich schon für dieses Bébé, finde aber, dass das besser privat bleibt. Man stelle sich nur vor: Meine Tochter ist 13 und fragt mich auf einmal vorwurfsvoll: «Du, musste das sein, dass Du damals einen Song über mich geschrieben hast?» Das möchte ich ihr nicht zumuten.

Immerhin wird sie im Titelsong Göteborg erwähnt. Darin beschreiben Sie, wie Sie Ihre Familie am Flughafen abholen möchten, als Ihnen plötzlich eine Songidee einfällt. Doch der Zeitpunkt ist ungelegen, Sie sind im Stress, weshalb Sie die Idee weiterschicken: an Polo Hofer, Büne Huber, etc. – und schieben nach, dass die doch froh seien um solch einen potenziellen Hit. Wie haben die genannten Berner Kollegen darauf reagiert?
Kuno Lauener: Ich weiss es nicht, ich habe keine direkten Reaktionen erhalten.

Sie haben vor der Veröffentlichung des Songs auch nicht vorsondiert?
Kuno Lauener: Nein, das wäre uncool. Das darf man nicht machen. Aber ich war sehr erstaunt, als das in den Medien plötzlich so negativ aufgefasst wurde: «Lauener disst seine Kollegen!» So war das überhaupt nicht gemeint. Für mich war die Ausgangslage: Die Muse kommt zu mir in den «Charre», nun ist diese Muse an sich ein schüchternes Wesen und sie abzuweisen keine leichte Sache. Also schicke ich sie weiter, empfehle ihr Kollegen. Und zwar solche, die ich ja noch gut finde und nicht solche, bei denen ich vielleicht einen Grund hätte, sie zu dissen.

Wir wollen jetzt keine Namen nennen.
Kuno Lauener: Nein, denn ich bin auch gar nicht der Typ, der andere schlechtredet. Mir ging es einfach darum, eine lustige Geschichte zu erzählen. Auf die Idee brachte mich Elisabeth Gilbert: Sie hatte mal ein Interview mit Tom Waits geführt. Dabei erzählte er ihr, dass ihm zu einem ungünstigen Moment eine Songidee zuflog und er sich dachte: Geh doch zu Leonard Cohen! Das fand ich sehr witzig. Und ich glaube, die meisten der Kollegen, die ich im Song erwähne, haben genug Humor, um das auch so zu verstehen. Wir haben jedenfalls nicht auf einen Skandal geschielt.

Was auf «Göteborg» zudem auffällt: das erweiterte Klangbild von Züri West. Ein Bläsersatz spielt Fanfaren. Auch in weiteren neuen Songs tauchen Blasinstrumente auf.
Küse Fehlmann: Das ergab sich beim Bearbeiten der Demoaufnahmen, als wir nach Möglichkeiten suchten, in einem Lied mal eine verzerrte Gitarre zu vermeiden und stattdessen ein Blasinstrument einzusetzen. Daraufhin zeigte es sich, dass Blasinstrumente zu etlichen Songs gut passten, weil sie für die passende Stimmung sorgten. Das brachte uns auf die Idee, die Bläser auf diesem Album einzubinden, wie einen roten Faden.

Mundartrock mit Bläsersätzen, das ist ein Markenzeichen von Patent Ochsner.
Kuno Lauener: Das war uns auch klar. Der Bläsersatz à la Ochsner ist von ihnen besetzt, den wollten wir daher nicht kopieren. Anfänglich schwebte uns eher ein Blechsatz vor, wie ihn Ska-Bands wie die Specials einsetzten: Posaunen und Trompeten. Auf ein Saxofon haben wir bewusst verzichtet.

Mit dem Zuzug von Blasinstrumenten malen Sie tatsächlich schöne Stimmungsbilder. «Pinsuschwinger» ist ein besonders schönes Beispiel: Ein trauriger Song, der das Ende einer Beziehung beschreibt. Sie erzählen darin, wie die Partnerin von ihrem Freund, einem Kunstmaler, unglaublich gelangweilt ist und sein Geschwafel nur noch mürbe findet.
Kuno Lauener: Eine himmeltraurige Geschichte.

Absolut. Könnte der Maler, der darin vorkommt, auch durch einen Musiker ersetzt werden?
Kuno Lauener: Ja, klar. Das könnte auch ich sein. Ich zeige meiner Freundin manchmal auch drei Zeilen eines Textes und probiere ihr zu erklären: «Ja, weisst Du, damit möchte ich Folgendes aussagen – das und das habe ich damit im Sinn …» Und dann schaue ich sie an und lese aus ihrem Blick: «Okay, alles klar, Du bist begeistert, aber dreh jetzt nicht gleich durch!» Das kommt vor. Es kann jedem passieren, der mit einer Idee schwanger geht, dass sein Gegenüber findet: Du langweilst mich grad furchtbar.

Ist Ihnen das schon mal selber widerfahren?
Kuno Lauener: Nein, das nicht. Ich habe gelernt, meine Ideen nicht in einem zu frühen Stadium vorzustellen. Aber es kam schon vor, dass ich der Band nicht genügend erklären und beschreiben konnte, was ich mit einer Idee meinte. Seither versuche ich, mich zurückzuhalten, bis die Idee spruchreif, der Entwurf greifbar ist.

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