«Wir arbeiten darauf hin, dass wir gehen können»

Der Basler Christopher Tütsch arbeitet für die OSZE im Kosovo, um Demokratie und Staatsaufbau zu fördern. Im Interview erklärt er, warum dies Ausdauer braucht, welche Interessen die Organisation dabei verfolgt und was er von der aktuellen Kritik an der OSZE hält.

«Die Zusammenarbeit ist erwünscht» – Christopher Tütsch über den Einsatz der OSZE im Kosovo. (Bild: OSZE)

Der Basler Christopher Tütsch arbeitet für die OSZE im Kosovo, um Demokratie und Staatsaufbau zu fördern. Im Interview erklärt er, warum dies Ausdauer braucht, welche Interessen die Organisation dabei verfolgt und was er von der aktuellen Kritik an der OSZE hält.

Christopher Tütsch ist in Basel aufgewachsen und arbeitet seit 2008 bei der OSZE. Seit Mai 2013 ist er als Senior Programme Officer im Kosovo im Einsatz, in der derzeit grössten Feldoperation der Organisation. Tütsch arbeitet zu Themen der Demokratieförderung und des Staatsaufbaus. Im Interview sagt er, weshalb es für den Aufbau von Demokratie Ausdauer braucht und welche Interessen die OSZE dabei verfolgt.

Sie arbeiten bereits mehrere Jahre für die OSZE im Balkan, seit vergangenem Jahr im Kosovo. Weshalb machen Sie diese Arbeit?

Ich hatte früh den Wunsch, im Ausland zu arbeiten, in der Friedensförderung oder in der Entwicklungszusammenarbeit. Dabei treibt mich ein gewisser Idealismus an. Mit dem Ziel, das Leben der Menschen in Konfliktgebieten zu verbessern.

Und ihre Arbeit bewirkt etwas?

Durchaus. Aber es braucht Geduld und Ausdauer. Gesellschaften können sich nach Konflikten nicht über Nacht erholen und zu funktionierenden Demokratien entwickeln. Aber es gibt immer auch Fortschritte.

Wo zeigen sie sich?

Ich arbeite im Kosovo mehrheitlich auf lokaler Ebene. Etwa mit Bürgermeistern, Lokalparlamenten und Gemeindeverwaltungen. Zum Beispiel beraten wir Leute darin, wie sie Budgets nach den gesetzlichen Vorgaben erarbeiten und verabschieden und wie sie die Zivilbevölkerung miteinbeziehen können. Jetzt, nach fünf Jahren, halten sich deutlich mehr Gemeinden an die gesetzlichen Vorgaben. Grundsätzlich geht es bei all unseren Projekten im Bereich Demokratisierung um mehr Transparenz und Teilnahme der Öffentlichkeit.

Können Sie ein weiteres Beispiel für Ihre Arbeit nennen?

Ein Pilotprojekt in diesem Jahr beschäftigte sich mit der Kommunikation in den Gemeinden. Damit, wie die Behörden den Austausch mit der Bevölkerung suchen. Dafür haben wir mit fünf Gemeinden einen Aktionsplan erarbeitet mit dem Ziel, Kommunikationsstrategien auf Gemeindeebene zu entwickeln.

Wie kommt das bei den lokalen Behörden an, wenn Sie als ausländische Organisation ihnen sagen, wie sie ihre Politik gestalten sollen?

Wir haben eine unterstützende Rolle. Wir versuchen, die Institutionen und die Teilnahme der Bürger zu stärken. Diese Unterstützung wird meistens sehr gerne angenommen.

Die Spannungen im Land sind immer noch gross. Zuletzt blockierten die beiden rivalisierenden Parteien über Monate den politischen Prozess. Was kann die OSZE zur Verbesserung beitragen?

Wir unterstützen die demokratischen Prozesse. Es ist aber nicht Aufgabe der Organisation, zwischen den Parteien zu vermitteln. Natürlich arbeiten wir an einer multi-ethnischen Gesellschaft, in der alle ethnischen Gemeinschaften mitwirken können. Das machen wir, indem wir versuchen, die Institutionen und die Teilhabe der Bevölkerung zu stärken.

Wann hat die OSZE ihr Ziel im Kosovo erreicht?

Das ist schwer zu sagen. Wir arbeiten darauf hin, dass wir gehen können. Das ist unser Ziel. Im Laufe der vergangenen Jahre haben wir unsere Präsenz überprüft und die Mission hat sich aufgrund der positiven Entwicklungen und der Anwendung von internationalen Standards vor Ort seine Präsenz schrittweise verringert. Wir erwarten, dass dieser Trend sich fortsetzt.

Von welchen Standards sprechen sie?

Dazu gehören Menschenrechte, Demokratisierung und Rechtstaatlichkeit. Jene Werte, für die sich die OSZE einsetzt.

Mit welchem Interesse finanzieren die Mitgliedstaaten diese Projekte?

So wie ich das sehe, sind unsere Kernanliegen die Sicherheit und Stabilität in Europa, um Konflikte zu verhindern. Daran haben alle Beteiligten ein Interesse.

Die Konferenz in Basel ist von einem enormen militärischen Aufgebot begleitet. Scharfschützen auf Dächern und in der Luft, Sperrzonen und tausende Soldaten. Entspricht das dem Bild der OSZE?

Ich bin nicht in der Organisierung dieser Konferenz involviert und daher auch nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten.

Am Rand der Konferenz wird es auch Demonstrationen geben. Mit dem Aufruf «OSZE Angreifen» machen linke Gruppierungen in Deutschland und der Schweiz mobil. Sie kritiseren, die OSZE diene nicht wie behauptet den Interessen der lokalen Bevölkerungen. Stattdessen sei sie ein Instrument um die Macht und Interessen der Mitgliedsländer zu stärken. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?

Ich arbeite für die OSZE-Mission im Kosovo. Unsere Mission hat gute Beziehungen und wird von allen Gemeinschaften und Institutionen akzeptiert. Auch wird die weitere Zusammenarbeit angefragt und erwünscht. Das sind unsere Erfahrungen. Gemäss einigen Meinungsumfragen und aus eigener Erfahrung geniesst die OSZE-Mission in Kosovo eine sehr hohe Zustimmungsrate.

Heisst das, Sie können die Kritik nicht nachvollziehen?

Ich kann lediglich über unsere Erfahrungen sprechen, und diese sind positiv. Wir sind hier, um zu helfen und Unterstützung zu leisten.

Wo sehen Sie Verbesserungspotential für Ihre Arbeit?

Bei der Organisation oder vor Ort?

Entscheiden Sie.

Internationale Organisationen, Entwicklungsorganisationen und Nicht-Regierungsorganisationen sollten sich immer wieder hinterfragen und prüfen: Braucht es uns noch? Machen wir das Richtige, um der Gesellschaft zu helfen? Im Kosovo sind wir sicher auf dem richtigen Weg.

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Das Interview wurde telefonisch geführt und von der OSZE wie vom Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten durchgelesen und leicht angepasst.

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