«Wir möchten unsere Arbeit besser darstellen und verkaufen»

Die Basler Polizei läuft unter ihrem neuen Chef Baschi Dürr zur Höchstform auf. Sie scheint offensiver und selbstbewusster zu agieren. Wie das Departement sich seit dem Führungswechsel verändert hat – oder eben auch nicht –, erzählen Baschi Dürr und Polizeikommandant Gerhard Lips im Interview.

Das neue Dreamteam: Gerhard Lips und Baschi Dürr. (Bild: Keystone/Würtenberg)

Die Basler Polizei läuft unter ihrem neuen Chef Baschi Dürr zur Höchstform auf. Sie scheint offensiver und selbstbewusster zu agieren. Wie das Departement sich seit dem Führungswechsel verändert hat – oder eben auch nicht –, erzählen Baschi Dürr und Polizeikommandant Gerhard Lips im Interview.

Es weht ein neuer Wind bei der ­Polizei, seit Baschi Dürr (FDP) im Februar das Zepter von seinem Vorgänger und Parteifreund Hanspeter Gass übernommen hat. Die Polizisten fühlen sich wieder verstanden, gestützt und autonomer. Unter Dürr herrscht eine neue Direktive. Eine, die selbst bei der SVP gut ankommt. Nach jahrelanger Empörung über Gass’ Führungsstil jubelt die Partei nun, dass die Polizei unter Baschi Dürr endlich durchgreift.

Der 36-Jährige gab bereits 100 Tage nach Amtsantritt bekannt, dass er seinen Bereichsleitern mehr Verantwortung übertragen möchte, um ein «Klima des gegenseitigen Vertrauens» zu schaffen – und dieser neue Führungsstil ist bis in die Basis der Polizei spürbar. Im Interview erzählen Baschi Dürr und sein Polizeikommandant Gerhard Lips, inwiefern sich die Polizei seit dem Führungswechsel verändert hat – oder eben auch nicht.

Herr Dürr, wie stellen Sie sich Ihre Kantonspolizei vor?

Dürr: Das ist eine sehr offene Frage.

Sie wird noch konkreter…

Dürr: Dass die Polizei ihren von Verfassung und Gesetz vorgeschriebene Auftrag bewältigen kann. Dies mit den verfügbaren Mitteln, verhältnismässig und mit der nötigen Sorgfalt.

Und gelingt das?

Dürr: Ja. Die Polizisten leisten sehr gute Arbeit.

Seit ihrem Amtsantritt sorgt die Polizei aber mit kontroversen Einsätzen für Diskussionen. Zuletzt, als sie an der Uni mit einem Grossaufgebot «Eingangs- und Effektenkontrollen» durchführte, weil sie eine Störaktion gegen ein Referat des Nestlé-CEO Paul Bulcke befürchtete. Ihre Polizisten haben Flyers beschlagnahmt, was wohl kaum mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit vereinbar ist.

Dürr: Ich glaube nicht, dass es unter mir mehr Aktionen gibt, die zu Diskussionen Anlass geben. Zum konkreten Fall: Die Aktion hat sich nicht gegen das Verteilen von Flugblättern gerichtet. Ich war selber vor Ort und habe gesehen, dass Flyers verteilt werden konnten. Wir hatten jedoch konkrete Hinweise auf Personen, die die Versammlung massiv stören könnten. Deshalb waren wir an der Uni präsent und haben Kontrollen durchgeführt und vereinzelt Leute weggewiesen. Darunter waren auch Personen, die Flyers dabei hatten. In einem Fall wurden die Flyers abgenommen, weil diese Person damit in die Aula wollte.

Der Einsatz war also tadellos?

Dürr: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass der Einsatz an der Uni richtig und angemessen war. Verbesserungspotenzial gibt es aber bei der Kommunikation mit der Uni.

Sie sind seit zehn Monaten im Amt. Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Dürr: Mein Credo lautet «Mehr Führung, weniger Kontrolle». Denn Führung hat für mich sehr viel mit dem Vertrauen gegenüber seinen Leuten zu tun. Ich habe den Anspruch – und ich erlebe meine sechs Bereichsleiter auch so –, dass sie selber führen können und ihre Bereiche im Griff haben. Ich erwarte von ihnen, dass sie wissen, was sie machen – dass sie mitdenken und dass sie nicht einfach abspulen, was ich ihnen vorgebe. Es wäre auch gar nicht möglich, bei einem derart grossen Departement bei allen operativen Entscheiden mitzureden.

Ist die neue offensive Gangart der Polizei sinnvoll?

In der aktuellen Wochendebatte diskutieren Pascal Pfister (SP) und Luca Urgese (FDP) über die Basler Polizei. Diskutieren Sie mit.

Herr Lips, spüren Sie viel mehr Freiheiten als früher?

Lips: In der Kompetenzregelung spüre ich eine Veränderung. In personellen Fragen habe ich im Gegensatz zu früher mehr Kompetenzen. Das zeigt, dass er mir vertraut, die richtige Entscheidungen zu fällen. Aber in vielen anderen Bereichen hat sich nichts verändert. Baschi Dürr und ich funktionieren relativ ähnlich, ich empfinde die Zusammenarbeit als angenehm.

Spürten Sie von Hanspeter Gass denn weniger Vertrauen?

Lips: Auch er vertraute mir. Ich meinte mit der Aussage vielmehr, dass ich nun weniger Anträge an den Departementsvorsteher stellen muss.

Es gibt wohl noch andere Unterschiede zwischen Hanspeter Gass und Baschi Dürr?

Lips: Im Umgang mit Medien gibt es Unterschiede. Baschi Dürr hat eine andere Art zu kommunizieren. Es ist aber nicht so, dass wir im polizeilichen Bereich andere Kompetenzen hätten. Diese sind genau gleich.

Aber seit Herr Dürr im Amt ist, weht doch ein anderer Wind bei der Polizei?

Lips: Ich finde Ihre Aussage schwierig. Denn Sie suggerieren damit, dass es eine qualitative Unterscheidung gibt. Das empfinde ich nicht so.

Trotzdem ist es anders mit Baschi Dürr. Hanspeter Gass war eher für einen zögerlichen Führungsstil bekannt. Er bevorzugte die Kontrolle.

Lips: Gewisse Sachen sind anders, weil eine andere Person hier ist, die teilweise andere Ansichten hat. Das heisst aber nicht, dass das Alte schlecht gewesen ist. Diese Feststellung ist mir wichtig. Mit Baschi Dürr ist es einfach anders. Man arbeitet nicht mehr genau gleich, weil ein anderer Typ Mensch hier ist. Vom Resultat her gibt es aber keine grossen Unterschiede.

Dürr: Der Handlungsspielraum eines Regierungsrats ist letztlich begrenzt. Das Justiz- und Sicherheitsdepartement ist ein Super-Tanker. Bis er mal fünf Grad nach links oder rechts dreht, braucht es sehr viel Energie. Gewisse Unterschiede mögen prominent erscheinen. Im Gesamten gesehen sind sie aber minim.

Lips: Ein Regierungsrat kann nicht alles neu erfinden. Der Handlungsspielraum ist nicht wahnsinnig gross – weder für mich noch für den Departementsvorsteher.

Auffällig ist aber, dass es seit dem Amtsantritt von Baschi Dürr innert kürzester Zeit zwei umstrittene Einsätze gab. Die Bürgerlichen loben die Polizei nun für ihr Durchgreifen. Bei den Unruhen am Voltaplatz 2011 wurde Hanspeter Gass noch heftig für das Nichteingreifen kritisiert.

Lips: Der Wechsel des Departementsvorstehers hat damit nichts zu tun. Ein Einsatzleiter vor Ort entscheidet aufgrund von Fakten übers Eingreifen oder Nichteingreifen. Wenn Sie der Ansicht sind, dass Herr Gass entscheidungsunfreudiger sei und dies direkt auf Vorfälle ummünzen, ist dies falsch. Es ist reiner Zufall, was unter welchem Vorsteher passiert und wie damit umgegangen wird. Letztlich sind das alles Einzelfälle, die man auch so anschauen muss. Es ist nicht so, dass es einen roten Faden gibt zum Einsatz Favela, Uni oder Voltaplatz. Das sind drei völlig unterschiedliche Sachen, die zu völlig unterschiedlichen Zeiten passiert sind. In allen drei Fällen hat aber nicht die Regierung entschieden, sondern der Polizeieinsatzleiter vor Ort.

Aber der Sicherheitsdirektor wird immer über solche Vorfälle informiert.

Lips: Ja. Er nimmt dies zur Kenntnis und äussert seine Meinung, ob er es allenfalls gut oder weniger gut findet. Aber auf den Entscheid hat er keinen direkten Einfluss, es hängt nicht vom Regierungsrat ab, wie wir handeln – auch wenn die Medien und die Öffentlichkeit zu diesem Schluss kommen. Es kann höchstens sein, dass alte Erfahrungen Einfluss auf einen Einsatzleiter haben könnten. Das gehört zum Prozess des Lernens aus den Erfahrungen.

Seit Baschi Dürr Departementsvorsteher ist, fühle sich die Mannschaft gestützter, wie uns Polizisten gesagt haben. Man müsse sich weniger Sorgen machen, weil man weiss, dass nun ein Departementsvorsteher hier ist, der die Polizisten in Schutz nimmt.

Lips: Die Überlegung, wie die Medien und die Politik einen Einsatz beurteilen werden, darf einen Einsatzleiter nicht beeinflussen. Für ihn zählen die Fakten, die Güterabwägung oder die Risikoeinschätzung. Ich habe ohnehin das Gefühl, dass die Einsätze, die in den Medien und der Öffentlichkeit diskutiert werden, nur die Spitze des Eisbergs von allen polizeilichen Einsätzen sind. Das führt zu einem verzerrten Bild der Polizeiarbeit.

Dürr: Es ist nicht so, dass wir immer mehr stärkere Einsätze haben. Die Tendenz geht in eine andere Richtung. Es ist auch nicht meine Doktrin, überall härter durchzugreifen. Leben und leben lassen, gerade im öffentlichen Raum ist und bleibt mir sehr wichtig. Aber irgendwo gibt es eine Grenze. Diese gilt es zu definieren und mit der nötigen Konsequenz durchzusetzen – das stütze ich selbstverständlich.

Genau deswegen kommt Ihr Führungsstil wohl gut an bei den Polizisten.

Dürr: Wenn sich die Kompetenzregelungen zwischen Gerhard Lips und mir ändern, dann hat dies objektiv gesehen wenig Einfluss auf die Mannschaft. Das kann in der Wahrnehmung vielleicht der Fall sein. Ich will dies aber nicht kommentieren.

Sie führten bei Amtsantritt einige Gespräche mit Polizisten. Was für Erkenntnisse resultierten daraus?

Dürr: Die Polizisten sind sehr stolz auf ihre Arbeit. Für viele ist es nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung. Das spürt man. Die Herausforderungen sind gross und nehmen nicht ab. Sorgen bereitet mir der fehlende Respekt gegenüber den Polizisten. Es ist erschreckend, was sich die Frauen und Männer alles anhören müssen. Das bewegt sie.

Die Polizei unter Führung von Baschi Dürr wird selbstbewusster wahrgenommen. Teilen Sie diese Ansicht?

Lips: Das ist ganz klar auch unser Ziel. Wir möchten unsere Arbeit besser darstellen und verkaufen.

Ihr Ziel ist es, die Papierarbeit auf den Posten um 50 Prozent zu reduzieren. Gemäss Polizisten ist dies zwar ein netter Vorsatz, aber auch sehr naiv.

Dürr: Mir ist bewusst, dass dieses Ziel ambitioniert ist. Aber es ist eine Frage, wie man das Problem angeht. Suchen wir Gründe, warum etwas nicht möglich ist oder Gründe, wie etwas möglich werden kann? Ich setze mir lieber ambitionierte Ziele als zögerliche. Auch ist dies nicht nur eine Absichtserklärung, vielmehr sind wir mit den entsprechenden Abteilungen daran, dies sehr konkret aufzugleisen. Und ich werde mich auch daran messen lassen.

Herr Lips, Sie stehen unter Druck.

Lips: Es ist ein Auftrag. Wir wissen, dass dieses Ziel ambitiös ist. Wir sind nun daran, den administrativen Ist-Zustand zu definieren. Weitgehend ist der administrative Aufwand aber fremdgesteuert durch die Gerichte, die Staatsanwaltschaft oder das Gesetz. Wir können nicht einfach sagen, das machen wir nicht mehr, wenn wir es machen müssen. Aber dort, wo Spielraum vorhanden ist, bin ich absolut für eine Reduktion. Es ist realistisch, diesbezüglich einen Schritt vorwärtszugehen. Es gibt heutzutage moderne Techniken, um die Schreibarbeit der Polizisten zu erleichtern.

Wie Baschi Dürr bei den Polizisten ankommt, können Sie hier lesen

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